Mehrere Gründe für fallende Preise
Analysten misstrauen Ölpreis-Rückgang
Der Rohölpreis wird nach Experteneinschätzung konjunkturbedingt sinken, langfristig wegen des knappen Angebots aber auf hohem Niveau bleiben. Obwohl die Preise am Dienstag wieder anzogen, notiert der wichtigste börsengehandelte Rohstoff um rund 20 Prozent unter seinen Jahreshöchstständen von April.
HB DÜSSELDORF. Europäisches Brentöl verteuerte sich am Dienstag um rund 1,20 Dollar auf 46,22 Dollar je Barrel (159 Liter). Mehrere Gründe sprechen nach Ansicht von Analysten für vorerst eher fallende Preise: Die Nachfrage sinkt. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) revidierte am Dienstag ihre Prognose und erwartet nun wegen der voraussichtlichen Abschwächung der Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr ein Nachlassen der weltweiten Nachfrage. Gleichwohl halten die Haupterzeugerländer aber an ihrer hohen Ölförderung fest.
Nach einer Umfrage von Bloomberg News unter 59 Analysten und Strategen gehen fast zwei Drittel der Befragten davon aus, dass sich Rohöl in dieser Woche weiter verbilligen wird. Lediglich 22 Prozent erwarten einen Anstieg, und jeder Zehnte geht davon aus, dass der Preis gleichbleiben wird. „Wir gehen davon aus, dass der gegenwärtige Abwärtstrend anhält“, sagt Marshall Steeves, Analyst bei Refco Group in New York. „Zum Rückgang tragen die guten US-Lagerbestände und die unerwartet schwache Nachfrage bei.“ Auf die USA entfällt ein Viertel der Weltölproduktion.
Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus & Burkhardt, schätzt den Preisrückgang als eher kurzfristig ein. „Konjunkturelle Frühindikatoren zeigen weltweit ein etwas langsameres Wachstum an“, sagt Schilbe. Dies habe bereits in den zurückliegenden Wochen zusammen mit den steigenden Lagerbeständen in den USA dazu geführt, dass „der Ölpreis etwas skeptischer betrachtet wird“. Der Stratege erwartet zwar nicht, dass der Preis noch viel weiter fallen wird, doch könnte sich innerhalb der nächsten Wochen ein Boden bilden.
Sandra Ebner, Ölexpertin der Dekabank, sieht den Rückgang der Rohölpreise gelassen. „Es ist das alte Spiel“, sagt sie. Kurzfristig sei der Markt gut versorgt, doch langfristig reichten die Kapazitäten nicht aus. Für die Preisentwicklung sei ausschlaggebend, ob die kurzfristigen oder die mittel- bis langfristigen Faktoren in den Vordergrund rückten. Daneben weist auch die Deka-Expertin darauf hin, dass sich in dem jüngsten Preisrückgang Wachstumsängste in den USA widerspiegelten. „Die konjunkturellen Wachstumsprognosen sind vermutlich noch die stärksten Treiber in diesem Markt“, unterstreicht auch die Citigroup.
Die Opec senkte in ihrem am Dienstag veröffentlichten Monatsbericht die Prognose für die weltweite Ölnachfrage im laufenden Jahr um 80 000 Barrel auf 83,94 Mill. Barrel am Tag. Das Ölkartell begründete dies ebenfalls mit dem sich abschwächenden Wirtschaftswachstum und mit den anhaltend hohen Preisen. Gleichzeitig wurde die Nachfrageschätzung für Opec-Öl leicht nach oben korrigiert. Die Opec begründet ihre Prognose mit dem voraussichtlich nicht so stark steigenden Angebot der Nicht-Opec-Mitglieder. Zum Ausgleich würden im vierten Quartal 30,5 Mill. Barrel an Opec-Öl gefördert, heißt es in dem Bericht. Dies wären rund 100 000 Barrel mehr am Tag als noch vor einem Monat angenommen. Bereits am Sonntag hatte Opec-Präsident Ahmad al-Sabah gesagt, dass das Kartell weiterhin mehr als 30 Mill. Barrel täglich fördern werde. „Wir werden uns weiter auf den Markt konzentrieren und den Markt weiter versorgen“, sagte al-Sabah, der zugleich kuwaitischer Ölminister ist.
Die Opec will also trotz des jüngsten Lageraufbaus in den USA ihre hohe Förderung beibehalten. Nach Einschätzung von Deka-Expertin Ebner kommt dies einem „Strategiewechsel“ des Ölkartells gleich. Denn offensichtlich wolle die Opec, dass die Öllagerbestände trotz der sinkenden Preise noch weiter aufgebaut würden.
Die Rohöllagerbestände in den USA haben inzwischen wieder das höchste Niveau seit 1999 erreicht. Nach dem jüngsten Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) sind die Ölvorräte der Industrie in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im ersten Quartal entgegen dem saisonal üblichen Muster um 240 000 Barrel am Tag gestiegen. Damit könne die Nachfrage für 53 Tage gedeckt werden. Dies sind zwei Tage mehr als vor einem Jahr.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 18. Mai 2005, 11:17 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Analysten misstrauen Ölpreis-Rückgang
Der Rohölpreis wird nach Experteneinschätzung konjunkturbedingt sinken, langfristig wegen des knappen Angebots aber auf hohem Niveau bleiben. Obwohl die Preise am Dienstag wieder anzogen, notiert der wichtigste börsengehandelte Rohstoff um rund 20 Prozent unter seinen Jahreshöchstständen von April.
HB DÜSSELDORF. Europäisches Brentöl verteuerte sich am Dienstag um rund 1,20 Dollar auf 46,22 Dollar je Barrel (159 Liter). Mehrere Gründe sprechen nach Ansicht von Analysten für vorerst eher fallende Preise: Die Nachfrage sinkt. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) revidierte am Dienstag ihre Prognose und erwartet nun wegen der voraussichtlichen Abschwächung der Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr ein Nachlassen der weltweiten Nachfrage. Gleichwohl halten die Haupterzeugerländer aber an ihrer hohen Ölförderung fest.
Nach einer Umfrage von Bloomberg News unter 59 Analysten und Strategen gehen fast zwei Drittel der Befragten davon aus, dass sich Rohöl in dieser Woche weiter verbilligen wird. Lediglich 22 Prozent erwarten einen Anstieg, und jeder Zehnte geht davon aus, dass der Preis gleichbleiben wird. „Wir gehen davon aus, dass der gegenwärtige Abwärtstrend anhält“, sagt Marshall Steeves, Analyst bei Refco Group in New York. „Zum Rückgang tragen die guten US-Lagerbestände und die unerwartet schwache Nachfrage bei.“ Auf die USA entfällt ein Viertel der Weltölproduktion.
Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus & Burkhardt, schätzt den Preisrückgang als eher kurzfristig ein. „Konjunkturelle Frühindikatoren zeigen weltweit ein etwas langsameres Wachstum an“, sagt Schilbe. Dies habe bereits in den zurückliegenden Wochen zusammen mit den steigenden Lagerbeständen in den USA dazu geführt, dass „der Ölpreis etwas skeptischer betrachtet wird“. Der Stratege erwartet zwar nicht, dass der Preis noch viel weiter fallen wird, doch könnte sich innerhalb der nächsten Wochen ein Boden bilden.
Sandra Ebner, Ölexpertin der Dekabank, sieht den Rückgang der Rohölpreise gelassen. „Es ist das alte Spiel“, sagt sie. Kurzfristig sei der Markt gut versorgt, doch langfristig reichten die Kapazitäten nicht aus. Für die Preisentwicklung sei ausschlaggebend, ob die kurzfristigen oder die mittel- bis langfristigen Faktoren in den Vordergrund rückten. Daneben weist auch die Deka-Expertin darauf hin, dass sich in dem jüngsten Preisrückgang Wachstumsängste in den USA widerspiegelten. „Die konjunkturellen Wachstumsprognosen sind vermutlich noch die stärksten Treiber in diesem Markt“, unterstreicht auch die Citigroup.
Die Opec senkte in ihrem am Dienstag veröffentlichten Monatsbericht die Prognose für die weltweite Ölnachfrage im laufenden Jahr um 80 000 Barrel auf 83,94 Mill. Barrel am Tag. Das Ölkartell begründete dies ebenfalls mit dem sich abschwächenden Wirtschaftswachstum und mit den anhaltend hohen Preisen. Gleichzeitig wurde die Nachfrageschätzung für Opec-Öl leicht nach oben korrigiert. Die Opec begründet ihre Prognose mit dem voraussichtlich nicht so stark steigenden Angebot der Nicht-Opec-Mitglieder. Zum Ausgleich würden im vierten Quartal 30,5 Mill. Barrel an Opec-Öl gefördert, heißt es in dem Bericht. Dies wären rund 100 000 Barrel mehr am Tag als noch vor einem Monat angenommen. Bereits am Sonntag hatte Opec-Präsident Ahmad al-Sabah gesagt, dass das Kartell weiterhin mehr als 30 Mill. Barrel täglich fördern werde. „Wir werden uns weiter auf den Markt konzentrieren und den Markt weiter versorgen“, sagte al-Sabah, der zugleich kuwaitischer Ölminister ist.
Die Opec will also trotz des jüngsten Lageraufbaus in den USA ihre hohe Förderung beibehalten. Nach Einschätzung von Deka-Expertin Ebner kommt dies einem „Strategiewechsel“ des Ölkartells gleich. Denn offensichtlich wolle die Opec, dass die Öllagerbestände trotz der sinkenden Preise noch weiter aufgebaut würden.
Die Rohöllagerbestände in den USA haben inzwischen wieder das höchste Niveau seit 1999 erreicht. Nach dem jüngsten Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) sind die Ölvorräte der Industrie in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im ersten Quartal entgegen dem saisonal üblichen Muster um 240 000 Barrel am Tag gestiegen. Damit könne die Nachfrage für 53 Tage gedeckt werden. Dies sind zwei Tage mehr als vor einem Jahr.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 18. Mai 2005, 11:17 Uhr
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