Vertraut man den Zeichen an den Finanzmärkten, dann steht nach der Rezession ein Aufschwung in der Weltwirtschaft bevor. Die Aktienkurse sind - von vielen unbemerkt - kräftig gestiegen. Gleichzeitig sind die Akteure an den Kapitalmärkten von einer Zinswende überrascht worden, die in ihrem Tempo und Ausmaß von den meisten Anlegern und Schuldnern unterschätzt worden ist. Weil die langfristigen Anleiherenditen deutlich angezogen haben und die Notenbanken wohl bald die kurzfristigen Geldmarktzinsen erhöhen werden, sehen die Finanzchefs vieler Unternehmen ihre vorerst letzte Chance, sich günstig über die Kapitalmärkte zu finanzieren. Deshalb überschwemmt eine Flut von Unternehmensanleihen die Märkte.
Der Anlagebedarf ist groß, die Risikoneigung hat wieder zugenommen. Immer mehr Anleger ziehen ihre Gelder von niedrig verzinslichen Geldmarktkonten ab und kaufen Aktien oder attraktive Anleihen. Gestützt wird diese Zuversicht durch die optimistischen Einschätzungen der meisten Ökonomen und durch die konjunkturellen Frühindikatoren aus dem reichhaltigen Datenangebot der Statistiker. Die Anpassungskrise der sogenannten Neuen Ökonomie nach dem Platzen der Spekulationsblase, die tiefe Spuren an den Aktienmärkten hinterlassen hat, ist weitgehend überwunden. Das große Zittern an den Börsen nach den Terroranschlägen vom 11. September ist vorbei. Da erst in den Wochen nach den Terroranschlägen das ganze Ausmaß der politischen und wirtschaftlichen Folgen erkennbar wurde, erschütterte bis zum 21. September eine Verkaufswelle die Weltbörsen. Aber von diesen Tiefpunkten haben sich die Märkte längst erholt.
Der Deutsche Aktienindex Dax und der Dow-Jones-Index sind seither um 44 beziehungsweise 30 Prozent gestiegen. Alle führenden Börsenindizes liegen heute wieder deutlich über ihrem Stand von Anfang September. Insgesamt haben sich die Anleger erfreulich besonnen gezeigt. Ohne Massenpanik auf dem Weg nach unten und gegenwärtig ohne Anflug eines kollektiven Kaufrauschs wieder nach oben - so läßt sich die Achterbahnfahrt der Aktienkurse an den Weltbörsen in den vergangenen zwei Jahren zusammenfassen.
Den jüngsten Aufschwung der Aktienkurse verfolgen die Anleger zögerlich und mit einer gesunden Portion Skepsis. Weithin herrschen Zweifel an der Nachhaltigkeit der Hausse. Das ist verständlich und auch gut so. Am Ende einer Rezession sind der Pessimismus und die Skepsis der Anleger besonders ausgeprägt. Nicht zu Unrecht besteht die Sorge, daß bei einer möglichen Militärintervention im Irak und in der Folge mit steigenden Ölpreisen der beginnende Konjunkturaufschwung wieder im Keim erstickt und die Inflationsgefahren steigen könnten. Andere Beobachter fürchten vermeintlich riskante Bremsmanöver der Notenbanken, die mit zu frühen und zu starken Zinserhöhungen ebenfalls den Aufschwung gefährden könnten. Manche Ökonomen zweifeln auch an der bislang ungebrochenen Konsumfreude der amerikanischen Verbraucher, die maßgeblich die Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt bestimmen. Außerdem sehen sie in der hohen Verschuldung der Amerikaner sowie den großen Handelsbilanzdefiziten Gefahren für den Dollar und die Weltwirtschaft. Wiederum andere verweisen auf die Risiken in Japan, weil die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt in einem bedenklichen Strudel aus Rezession und Deflation steckt. Vor diesem Hintergrund warnen viele Börsenbeobachter vor überzogenen Kurshoffnungen. Die zumeist verhaltenen bis düsteren Geschäftsausblicke der Unternehmenslenker scheinen ihnen dabei recht zu geben. Hinzu kommt, daß infolge der Kursgewinne die Aktienbewertungen an den meisten Weltbörsen scheinbar wieder auf ein gefährlich hohes Niveau geklettert sind. So liegen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der meisten Börsenindizes inzwischen wieder weit über ihren historischen Durchschnittswerten.
All diese Befürchtungen sind typisch für eine von Unsicherheit geprägte Börsenstimmung in Zeiten einer Kurswende. Auch am Ende der letzten beiden Rezessionsphasen 1982 und 1991 gab es einen Anstieg der Kurs-Gewinn-Verhältnisse, weil die Aktienkurse schon anzogen, als die Gewinne der Unternehmen noch schrumpften. Wie üblich eilen auch heute die Aktienkurse der Gewinnentwicklung voraus. Von solchen Zukunftsspekulationen lebt jedoch die Börse. Daß gegenwärtig das Kurs-Gewinn-Verhältnis an den Börsen im Schnitt höher liegt als 1982 und 1991 erklärt sich einerseits mit den heute vergleichsweise niedrigen Zinsen, mit denen die künftigen Gewinne der Unternehmen abgezinst werden. Andererseits schlagen sich in den höheren Werten auch die großen Verluste der Technologieunternehmen nieder, die heute mehr denn je zuvor die großen Börsenindizes dominieren. Wenn die Anleger aber im Laufe des Börsenjahres nicht mehr auf die erwarteten Gewinne für 2002 schauen, sondern auf die Ertragsprognosen für 2003, ermäßigen sich auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, beim Dax beispielsweise von 24 auf 16.
Natürlich birgt eine nachhaltige Zinswende Gefahren für die Aktienbörsen und die Wirtschaftsentwicklung. Doch es ist unwahrscheinlich, daß die Notenbanken angesichts der nach wie vor großen konjunkturellen Risiken zu stark auf die Bremse treten werden. Wenn Amerikas Notenbank ihren Leitzins in den kommenden Wochen und Monaten moderat von derzeit 1,75 Prozent, dem tiefsten Stand seit vierzig Jahren, nach oben schleusen wird, dann muß das nicht zu großen Verwerfungen an den Märkten führen. Schließlich werden durch eine vorbeugende Zinspolitik künftige Inflationsgefahren rechtzeitig bekämpft. Solange also die Renditen an den Kapitalmärkten und die Zinsen an den Geldmärkten in der Nähe ihrer historischen Tiefstände bleiben, besteht kein Anlaß zu Sorgen. Aber natürlich müssen sich die Anleger in dieser Phase des geldpolitischen Kurswechsels auf Börsenturbulenzen einstellen. Mutige Investoren können diese Kursrückschläge zum Einstieg nutzen. Geht ihre Wette auf den Aufschwung auf, dann werden sie mit kräftigen Kursgewinnen belohnt - aber eben nur dann.
faz.de
Der Anlagebedarf ist groß, die Risikoneigung hat wieder zugenommen. Immer mehr Anleger ziehen ihre Gelder von niedrig verzinslichen Geldmarktkonten ab und kaufen Aktien oder attraktive Anleihen. Gestützt wird diese Zuversicht durch die optimistischen Einschätzungen der meisten Ökonomen und durch die konjunkturellen Frühindikatoren aus dem reichhaltigen Datenangebot der Statistiker. Die Anpassungskrise der sogenannten Neuen Ökonomie nach dem Platzen der Spekulationsblase, die tiefe Spuren an den Aktienmärkten hinterlassen hat, ist weitgehend überwunden. Das große Zittern an den Börsen nach den Terroranschlägen vom 11. September ist vorbei. Da erst in den Wochen nach den Terroranschlägen das ganze Ausmaß der politischen und wirtschaftlichen Folgen erkennbar wurde, erschütterte bis zum 21. September eine Verkaufswelle die Weltbörsen. Aber von diesen Tiefpunkten haben sich die Märkte längst erholt.
Der Deutsche Aktienindex Dax und der Dow-Jones-Index sind seither um 44 beziehungsweise 30 Prozent gestiegen. Alle führenden Börsenindizes liegen heute wieder deutlich über ihrem Stand von Anfang September. Insgesamt haben sich die Anleger erfreulich besonnen gezeigt. Ohne Massenpanik auf dem Weg nach unten und gegenwärtig ohne Anflug eines kollektiven Kaufrauschs wieder nach oben - so läßt sich die Achterbahnfahrt der Aktienkurse an den Weltbörsen in den vergangenen zwei Jahren zusammenfassen.
Den jüngsten Aufschwung der Aktienkurse verfolgen die Anleger zögerlich und mit einer gesunden Portion Skepsis. Weithin herrschen Zweifel an der Nachhaltigkeit der Hausse. Das ist verständlich und auch gut so. Am Ende einer Rezession sind der Pessimismus und die Skepsis der Anleger besonders ausgeprägt. Nicht zu Unrecht besteht die Sorge, daß bei einer möglichen Militärintervention im Irak und in der Folge mit steigenden Ölpreisen der beginnende Konjunkturaufschwung wieder im Keim erstickt und die Inflationsgefahren steigen könnten. Andere Beobachter fürchten vermeintlich riskante Bremsmanöver der Notenbanken, die mit zu frühen und zu starken Zinserhöhungen ebenfalls den Aufschwung gefährden könnten. Manche Ökonomen zweifeln auch an der bislang ungebrochenen Konsumfreude der amerikanischen Verbraucher, die maßgeblich die Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt bestimmen. Außerdem sehen sie in der hohen Verschuldung der Amerikaner sowie den großen Handelsbilanzdefiziten Gefahren für den Dollar und die Weltwirtschaft. Wiederum andere verweisen auf die Risiken in Japan, weil die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt in einem bedenklichen Strudel aus Rezession und Deflation steckt. Vor diesem Hintergrund warnen viele Börsenbeobachter vor überzogenen Kurshoffnungen. Die zumeist verhaltenen bis düsteren Geschäftsausblicke der Unternehmenslenker scheinen ihnen dabei recht zu geben. Hinzu kommt, daß infolge der Kursgewinne die Aktienbewertungen an den meisten Weltbörsen scheinbar wieder auf ein gefährlich hohes Niveau geklettert sind. So liegen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der meisten Börsenindizes inzwischen wieder weit über ihren historischen Durchschnittswerten.
All diese Befürchtungen sind typisch für eine von Unsicherheit geprägte Börsenstimmung in Zeiten einer Kurswende. Auch am Ende der letzten beiden Rezessionsphasen 1982 und 1991 gab es einen Anstieg der Kurs-Gewinn-Verhältnisse, weil die Aktienkurse schon anzogen, als die Gewinne der Unternehmen noch schrumpften. Wie üblich eilen auch heute die Aktienkurse der Gewinnentwicklung voraus. Von solchen Zukunftsspekulationen lebt jedoch die Börse. Daß gegenwärtig das Kurs-Gewinn-Verhältnis an den Börsen im Schnitt höher liegt als 1982 und 1991 erklärt sich einerseits mit den heute vergleichsweise niedrigen Zinsen, mit denen die künftigen Gewinne der Unternehmen abgezinst werden. Andererseits schlagen sich in den höheren Werten auch die großen Verluste der Technologieunternehmen nieder, die heute mehr denn je zuvor die großen Börsenindizes dominieren. Wenn die Anleger aber im Laufe des Börsenjahres nicht mehr auf die erwarteten Gewinne für 2002 schauen, sondern auf die Ertragsprognosen für 2003, ermäßigen sich auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, beim Dax beispielsweise von 24 auf 16.
Natürlich birgt eine nachhaltige Zinswende Gefahren für die Aktienbörsen und die Wirtschaftsentwicklung. Doch es ist unwahrscheinlich, daß die Notenbanken angesichts der nach wie vor großen konjunkturellen Risiken zu stark auf die Bremse treten werden. Wenn Amerikas Notenbank ihren Leitzins in den kommenden Wochen und Monaten moderat von derzeit 1,75 Prozent, dem tiefsten Stand seit vierzig Jahren, nach oben schleusen wird, dann muß das nicht zu großen Verwerfungen an den Märkten führen. Schließlich werden durch eine vorbeugende Zinspolitik künftige Inflationsgefahren rechtzeitig bekämpft. Solange also die Renditen an den Kapitalmärkten und die Zinsen an den Geldmärkten in der Nähe ihrer historischen Tiefstände bleiben, besteht kein Anlaß zu Sorgen. Aber natürlich müssen sich die Anleger in dieser Phase des geldpolitischen Kurswechsels auf Börsenturbulenzen einstellen. Mutige Investoren können diese Kursrückschläge zum Einstieg nutzen. Geht ihre Wette auf den Aufschwung auf, dann werden sie mit kräftigen Kursgewinnen belohnt - aber eben nur dann.
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