Dienstag 1. Juni 2004, 17:23 Uhr
Ölpreis steigt kräftig nach Terroranschlag
Hamburg (AP) Am ersten Handelstag nach dem Terroranschlag in Saudi-Arabien hat der Ölpreis weltweit kräftig angezogen: An der wichtigsten Ölbörse der Welt in New York sprang der Preis für die US-Sorte WTI um 1,07 Dollar auf 40,95 Dollar im frühen Handel. An der Rohstoffbörse in London kletterte der Preis am Dienstag um 1,64 Dollar auf 38,42 Dollar pro Barrel der Nordseesorte Brent. Trotzdem rechnen viele Banken mittelfristig mit fallenden Ölpreisen.
Nach einer Umfrage der Zeitung «Financial Times Deutschland» bei 28 Kreditinstituten erwarten die Geldhäuser in drei Monaten einen Preis von rund 37 Dollar pro Barrel (159 Liter) Rohöl der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI). In sechs Monaten soll der Preis bei rund 35 Dollar liegen, noch ein halbes Jahr später bei rund 32,50 Dollar. Als Grund dafür nennen die Banken die Aussicht auf eine leichte Abschwächung der globalen Nachfrage ab dem zweiten Halbjahr sowie eine Abkühlung der Konjunktur in China - einer der stärksten Käufer von Rohöl.
«Die Wirkung des höheren Ölpreises wird nur temporär sein», sagte der Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, Holger Schmieding, der Zeitung. «Wir erwarten nur leichte wachstumsdämpfende Effekte sowie einen begrenzten Anstieg der Inflationsrate», zitiert das Blatt Volkswirt Andreas Möller von der WGZ Bank. Nach Ansicht von Hicham Zemmouri, Ökonom der niederländischen Großbank ABN Amro, wird der Ölpreis die Inflationsrate um höchstens 0,3 Prozentpunkte erhöhen. Dagegen forderte der Europa-Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley, Joachim Fels, wegen des hohen Ölpreises eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank. Sonst droht nach seiner Ansicht Inflation.
Der Preisanstieg beim Öl hatte die Teuerungsrate in Deutschland im Mai mit 2,1 Prozent auf den höchsten Stand seit über zwei Jahren getrieben. Benzin und Diesel waren im Mai deutlich teurer geworden: Superbenzin kostete im Durchschnitt 1,186 Euro und damit 5,2 Cent mehr als im April. Diesel lag bei 94,8 Cent, das sind 3,6 Cent mehr, wie der Mineralölwirtschaftsverband in Hamburg mitteilte. Am Dienstagnachmittag lag der durchschnittliche Preis nach Angaben von Aral knapp unter 1,19 Euro pro Liter Super.
Der anhaltend hohe Ölpreis könnte sich nach Ansicht der EU-Kommission negativ auf das Wirtschaftswachstum in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auswirken. Die im April abgegebene Prognose von 1,7 Prozent Wachstum in der Eurozone in diesem Jahr beruhte auf einem Ölpreis von etwa 31 Dollar pro Barrel, sagte ein Sprecher. Wenn sich der aktuelle Ölpreis von 40 Dollar und der Eurokurs nicht veränderten, könnte das Wachstum 0,2 Prozent niedriger ausfallen.
Unterdessen wies die Bundesregierung die Oppositionsforderung nach einem Gipfeltreffen zu den steigenden Benzinpreisen als «populistisch» zurück. Auch ein Aussetzen der Ökosteuer schloss Regierungssprecher Béla Anda aus. Für die Entwicklung des Ölpreises seien der Aufschwung der Weltkonjunktur, die Auffüllung von Raffinerien sowie die Terrorangst und die damit verbundenen Risikoaufschläge verantwortlich. Vor diesem Hintergrund würde ein Benzingipfel «überhaupt keinen Sinn machen», betonte Anda. «Das sind populistische Forderungen, die sich selbst ad absurdum führen.»