4 Jahre Rot/Grün, eine Bilanz

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4 Jahre Rot/Grün, eine Bilanz

 
23.09.02 13:59
Die Regierungszeit begann turbulent: Wenige Monate nach der Machtübernahme tritt der SPD-Parteichef und Finanzminister Oskar Lafontaine überraschend von seinen Ämtern zurück. Querelen auch um Arbeitsminister Walter Riester: Immer wieder müssen seine Reformpläne nachgebessert werden. Erst als Kanzler Gerhard Schröder angesichts der Holzmann-Pleite als Retter von Arbeitsplätzen auftritt, kann die Regierung punkten. Und auch der CDU-Spendenskandal kommt für Rot-Grün zur rechten Zeit.

Nach dem schwierigen Start wurde eine neue Parole ausgegeben: Sparen und Steuern senken. Die Bundesregierung verknüpfte ein milliardenschweres Sparpaket mit ihrer ehrgeizigen dreistufigen "Steuerreform 2000". Nach den Plänen der Regierung werden Bürger und Unternehmer ab dem Jahr 2005 gegenüber 1999 jährlich um 56 Millionen Euro entlastet.

Eines der wichtigsten Projekte der Koalition: die Rentenreform und der Einstieg in die staatlich geförderte private Altersvorsorge. Doch die Nachfrage nach der Riester-Rente hält sich bislang in Grenzen. Und inzwischen drohen die Rentenbeiträge zu steigen - trotz Milliardenzuflüssen durch die Ökosteuer.

Sparminister unter Druck

Der strikte Kurs der Haushaltskonsolidierung machte Finanzminister Eichel populär. "Hans im Glück" wird er genannt, nicht zuletzt angesichts der Milliarden-Einnahmen durch die Versteigerung der UMTS-Mobilfunk- Lizenzen. Doch der Glanz des Obersparers der Republik verblasst. Der angekündigte Wirtschaftsaufschwung bleibt aus. Deutschland ist Wachstums-Schlusslicht in der Euro-Zone. Nur Eichels Versprechen, bis 2004 einen "nahezu" ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen, verhinderte einen "Blauen Brief" aus Brüssel. Auch im Bundeshaushalt 2003 kalkuliert Eichel mit äußerst optimistischen Wirtschaftsdaten.

Keine durchschlagenden Reformen

Vier Millionen Menschen sind ohne Arbeit; Schröder hat sein Versprechen, die Arbeitslosenzahl unter 3,5 Millionen zu senken, nicht eingelöst. Für das Scheitern macht die Regierung die weltweit flaue Konjunktur und die Terroranschläge vom 11. September verantwortlich. Zusätzlich erschütterte im Januar dieses Jahres der Eklat um gefälschte Vermittlungsstatistiken in den Arbeitsämtern das Vertrauen in die Arbeitsmarktpolitik.

Durchschlagende Reformen sind ausgeblieben. Das Job-Aqtiv-Gesetz am Ende der Legislaturperiode, das Arbeitslose stärker fördern und fordern soll, hat daran bislang nichts geändert. Ein letzter möglicher Trumpf für Rot-Grün im Kampf um Arbeitsplätze: Ein radikales Konzept gegen die Arbeitslosigkeit, entworfen durch eine von der Regierung eingesetzte Kommission unter der Leitung von VW-Vorstandsmitglied Peter Hartz. Nach dessen These könnte die Arbeitslosigkeit binnen drei Jahren halbiert werden.

Profil und Erfolge

Ein Aushängeschild der Regierung: Innenminister Otto Schily. Bei der inneren Sicherheit, einem der großen Themen nach den Terroranschlägen, hat er hart durchgegriffen und zwei Gesetzes-Pakete auf den Weg gebracht - darunter die umstrittene Rasterfahndung nach möglichen Terroristen, eine Ausweitung der Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz und verstärkte Sicherheitsüberprüfungen. Die Bundeswehr-Beteiligung an der internationalen Terrorbekämpfung wurde zu einer der Zerreißproben zwischen Rot-Grün. Kanzler Schröder stellte die Vertrauensfrage.

Auch die Bundeswehrreform reagiert auf die neuen Anforderungen. Bis 2006 ist der bislang größte Umbau der deutschen Streitkräfte geplant. Die Zahl wird von rund 340.000 auf etwa 280.000 Soldaten reduziert, Bundeswehrstandorte werden aufgelöst. Künftig sollen vor allem internationale Einsätze eine größere Bedeutung haben.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik soll es ein Zuwanderungsgesetz und damit ein umfassendes Einwanderungsrecht für Ausländer geben, die nicht aus EU-Mitgliedsstaaten kommen. Aufgehoben wird damit der Anwerbestopp der sogenannten "Gastarbeiter" von 1973. Vor rund drei Jahren hatte Schily das neue Staatsbürgerschaftsrecht über die Hürden geschoben. Das Ende März beschlossene Reformgesetz begrenzt die Zuwanderung und richtet sich nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig vereinfacht es das Ausländerrecht. Ob das Gesetz Bestand hat, wird sich nach der Klage der Union vor dem Bundesverfassungsgericht erweisen müssen.

Als große innenpolitische Leistung verbucht die Koalition auch den Atomausstieg. Nach jahrelangen politischen und gesellschaftlichen Debatten stand Ende vergangenen Jahres fest: Bis 2020 sollen alle Kernkraftwerke abgeschaltet sein. Stattdessen setzt die Regierung auf erneuerbare Energien, auch wenn diese noch eine eher untergeordnete Rolle bei der Stromerzeugung spielen und am Tropf staatlicher Subventionen hängen.

Der Nitrofen-Skandal im Frühjahr 2002 brachte die Öko-Branche in Verruf das Symbol der rot-grünen neuen Agrarpolitik. Dem Höhepunkt der BSE- Krise vor zwei Jahren war der spektakuläre Rücktritt von Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke und Gesundheitsministerin Andrea Fischer vorausgegangen. Die neue Verbraucherschutzministerin Renate Künast beschwörte daraufhin die Agrarwende - bis 2010 soll der Marktanteil der Öko-Produkte 20 Prozent betragen. Die Agrarlobby wirft ihr einseitige Interessenpolitik vor. Zuletzt scheiterte Künasts geplantes Verbraucherschutzgesetz an den Gegenstimmen der Union.

Stolpersteine

Dann sorgte der ehemalige Minister Lafontaine wieder für Wirbel. Drei Jahre lang hatte er sich politisch eher zurückgehalten. Mit seinen Forderungen nach "mehr sozialer Gerechtigkeit" brüskierte er die Genossen und begeisterte seine Anhänger. Der linke Charismatiker prangert eine "falsche Politik" der Regierung an und verschärft den Richtungsstreit in der SPD.

Acht Minister - mehr als die Hälfte der Regierungsmannschaft - hat Kanzler Schröder entlassen. Der letzte in der Reihe der rot-grünen Ex-Minister ist Rudolf Scharping. Gleich mehrere Affären brachten ihn ins Stolpern: Ein Panzer-Deal mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2000, Badefotos mit Lebensgefährtin auf Mallorca, umstrittene Reisen mit der Flugbereitschaft oder die Zusage für 73 Airbus-Transporter. Doch erst die umstrittenen Kontakte zum PR-Berater Moritz Hunzinger kosteten Scharping schließlich das Amt als Verteidigungsminister.
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4 Jahre Opposition, eine Bilanz

 
23.09.02 13:59
In der heißen Phase des Wahlkampfs hatte Gerhard Schröder den Erfolg seiner Regierungszeit von einer spürbaren Senkung der Arbeitslosenquote unter die 3,5-Millionen-Grenze abhängig gemacht. Dieses Versprechen war nicht zu halten, im April 2002 überschritt die Zahl der Erwerbslosen die 4- Millionen-Marke, nachdem Deutschland in den letzten beiden Quartalen 2001 in eine Rezession geschlittert war. Waren nun außenwirtschaftliche Einflüsse die Ursache oder, wie Union und FDP der Regierung vorhalten, eine verfehlte Finanz-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik? Das war und ist einer der großen Streitpunkte zwischen Regierung und Opposition.


Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt

Reizthema Steuerreform

Schon als sich die nahende Rezession abzuzeichnen begann, forderte die Union Bundesfinanzminister Eichel auf, die für die nächste Legislaturperiode angekündigte Einkommens-Steuerreform vorzuziehen, um der Konjunktur Impulse zu geben. CDU und CSU hielten der rot-grünen Regierung vor, durch Öko – Versicherungs- und Tabaksteuererhöhung die Konjunktur auszubremsen - und dies gerade zu Beginn einer Rezession.

Ein wirtschaftspolitischer Dauerstreitpunkt der zu Ende gehenden Legislaturperiode war die aus Sicht von Union und FDP mittelstandsfeindliche Politik der Bundesregierung. Steuerentlastungen gab es lediglich für die großen Kapitalgesellschaften, der Mittelstand sei „mit Brosamen abgespeist“ worden, so die Kritik. Hintergrund:Die Steuersätze für Kapitalgesellschaften wurden auf 25 Prozent abgesenkt, die der Personengesellschaften aber auf dem Niveau von 48,5 Prozent belassen. Auch die Verlängerung der Abschreibungszeiten habe vor allem den Mittelstand getroffen.

Union und FDP fordern deshalb die Erleichterung von Unternehmensgründungen, ein Betriebsverfassungsgesetz, das dezentrale und individuelle Tarifverträge zulässt sowie eine Einkommenssteuersenkung mit einer Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften.

Die Neuregelung der 630-Mark-Jobs – so beklagen Union und FDP – habe den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert – und hunderttausende Jobs gekostet. Die Union will die Grenze, ab der die volle Steuer- und Abgabenpflicht greift, von 325 auf 400 Euro anheben. Die FDP will die Grenze bei 630 Euro ziehen.

Union und FDP gegen Ökosteuer

Die Union ist in den letzten vier Jahren immer wieder gegen die Ökosteuer und deren stufenweise Erhöhung zu Felde gezogen. Ihr Argument: die Ökosteuer entziehe den Bürgern Kaufkraft, sie sei preistreibend und sie schwäche die Binnenkonjunktur.

Für die FDP ist die Ökosteuer ein "Drama der Unvernunft". Die wirklichen Energie-Großverbraucher blieben verschont, die Ökosteuer sorge nur für eine bescheidene Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die Liberalen kritisieren, dass Rentner, Arbeitslose, Azubis, Studenten, Freiberufler, Landwirte und Beamte ebenso zur Kasse gebeten würden, obwohl sie von der Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge überhaupt nicht profitierten.

Die PDS befürwortet eine Ökosteuer grundsätzlich: sie könne dazu beitragen, der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Allerdings forderte die PDS, dass bestimmte Bedingungen eingehalten werden sollten: Die Ökosteuer müsse sozial gerecht sein, um akzeptiert zu werden; für die unteren Einkommensgruppen müsse es einen sozialen Ausgleich geben. Zudem müsse sie ökologisch wirksam sein, was aber angesichts zahlreicher Ausnahmeregelungen für Unternehmen bislang nicht der Fall sei.

Beim Thema Atomkraft liegen die Oppositionsparteien weit auseinander; einig sind sie sich aber - aus unterschiedlichen Motiven - in der Ablehnung des rot-grünen Austiegsmodells.

Innere Sicherheit im Zeichen der Terroranschläge

Der 11. September 2001 bedeutete eine Zäsur in der Debatte um das
wahlkampfträchtige Thema „Innere Sicherheit“. Der eilig von der Bundesregierung aus dem Boden gestampfte Maßnahmenkatalog deckt sich in vielen Punkten mit Positionen der Union. CDU und CSU stimmten denn auch im Dezember dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf zu. Er sieht u.a. erweiterte Befugnisse für Verfassungsschutz, Geheimdienste und Bundeskriminalamt vor. Die Visa- Bestimmungen werden verschärft, ebenso die Abschiebe-Regelungen und die Möglichkeit für Vereins-Verbote. Außerdem können biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke in Pässe und Ausweise aufgenommen werden.

Die Union hatte für weitere Verschärfungen plädiert, u.a. für die Möglichkeit, Ausländern bereits bei dem Verdacht auf terroristische Aktivitäten die Einreise zu verweigern. Außerdem forderte die Union eine bessere Ausstattung der Geheimdienste.

Opposition übergangen?

FDP und PDS lehnten das aus mehr als 100 Gesetzesänderungen bestehende "Sicherheitspaket" ab. Die Liberalen kritisierten vor allem das hohe Tempo, mit dem das Gesetz im Bundestag behandelt worden sei. Das "Sicherheitspaket II" ermögliche Eingriffe in die Grundrechte der Bürger wie nie zuvor. Gerade dies, so der FDP-Innenexperte Max Stadler, hätte einer besonders gründlichen Überprüfung bedurft. Bei der Eile, mit der die rot- grüne Koalition das Gesetzeswerk "durchgepaukt" habe, seien die Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition “praktisch übergangen“ worden.

Für die PDS hatte das Antiterror-Paket nur wenig mit Terrorismusbekämpfung, aber viel mit der Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte zu tun. So habe die Speicherung von Sprachaufzeichnungen und Fingerabdrücken von Asylsuchenden nichts mit Terrorismusbekämpfung zu tun, sondern diene vor allem der schnelleren Abschiebung der Menschen. Der Fingerabdruck im Pass soll eine Identifizierung erleichtern. Die Folge wäre aber, so die PDS, dass jeder Bürger zum potenziellen Verdächtigen werde. Weiter kritisierte die PDS, dass die Geheimdienste mehr Befugnisse erhalten sollen, obwohl immer noch ungeklärt sei, wieso sie keine oder zu wenig Informationen über die Terroranschläge vom 11. September gehabt hätten.

Neben der Debatte über innere Sicherheit spielten die Oppositionsparteien auch in der parlamentarischen Auseinandersetzung über Auslandseinsätze der Bundeswehr eine zentrale Rolle.

Zuwanderungs-Debatte mit Nachspiel im Bundesrat

CDU und CSU haben den Gesetzesvorschlag der Regierung zur Zuwanderung im Bundestag abgelehnt. Die unionsgeführten Länder haben das Gesetz auch am 22. März im Bundesrat abgelehnt. Bundesratspräsident Wowereit hat aber für das Gesetz eine Mehrheit festgestellt, obwohl Brandenburg kein einheitliches Votum abgegeben hatte.

Nachdem der Bundespräsident am 20.Juni das Gesetz unterzeichnet hat, kündigten fünf unionsgeführte Länder an, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz zu klagen.

Für die CDU darf das Gesetz Zuwanderung nicht nur regeln, es soll sie auch begrenzen. Große Teile der Union sind dagegen, dass Zuwanderung wegen geschlechtsspezifischer oder nichtstaatlicher Verfolgung zugelassen wird. CDU und CSU sehen hier eine Ausweitung von Asylgründen, die über die Genfer Flüchtlingskonvention hinausgehe. Die Union forderte zudem, das Nachzugsalter für Kinder auf sechs, höchstens aber auf 10 Jahre zu senken.

Ein strikteres gesetzliches Vorgehen verlangt die Union auch bei der Verpflichtung zur Integration. Sie hält Sanktionen für notwendig, wenn sich Einwanderer den Integrationskursen verweigern; ein Verlust des Aufenthaltsrechts sollte die Folge sein, so die Position von CDU und CSU, die auch von den Liberalen geteilt wird.

Liberale gegen Totalrevision des Zuwanderungsgesetzes

Für den Fall, dass die Union und FDP nach der kommenden Bundestagswahl die Bundesregierung stellen, haben die Liberalen eine Totalkorrektur des Zuwanderungsgesetzes ausgeschlossen. "Bei einer Koalition der Union mit der FDP wird es keine wesentlichen Änderungen geben“, so der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Gerhardt anlässlich des Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten.

Die FDP kann das von der rot-grünen Koalition verabschiedete Gesetz „zu 90 Prozent akzeptieren“ es liege „im Großen und Ganzen im nationalen Interesse“. Viele der Vorstellungen der FDP seien in den Entwurf der Bundesregierung miteingeflossen, wenngleich das Gesetz im humanitären Teil hinter den Vorstellungen der FDP zurückbleibe. Die FDP hatte über das von ihre mitregierte Rheinland-Pfalz dem Zuwanderungsgesetz im Bundesrat zu einer Mehrheit verholfen.

Die PDS hat im April 2001 der „Unabhängigen Kommission für Einwanderung“, kurz „Süssmuth-Kommission“ ihre Eckpunkte für ein „individuelles Einwanderungsrecht vorgelegt. Deutschland ist nach Einschätzung der PDS ein Einwanderungsland, demnach müsse es ein individuelles Recht auf Einwanderung geben; eine Greencard sei kein Ersatz dafür. Die PDS ist für eine Stärkung des Asyl- und Flüchtlingsrechts für „Menschen in Not“. Es dürfe keine Aufrechnung gegen Einwanderung stattfinden.
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