Drei Männer waren es, die am 26. Mai 1896 den Dow Jones Industrial Average schufen. Charles Henry Dow hatte die geniale Idee, die Kurse der zwölf wichtigsten börsennotierten Unternehmen der damaligen Schlüsselindustrien zu addieren und durch zwölf zu teilen. Sein Kollege, der Statistiker Edward Davis Jones, Mitherausgeber des zweiseitigen Börsenjournals „Customers‘ Afternoon Letters“, das später übrigens zum „Wall Street Journal“ wurde, steuerte zum „Dow Jones“ lediglich seinen Nachnamen bei.
Der Dritte im Bunde, Charles Milford Bergstresser, ebenfalls am Börsenblättchen beteiligt, finanzierte das kleine Unternehmen „Dow Jones & Company“ und verzichtete auf die Nennung seines Namens. Er ist daher heute so gut wie unbekannt. „Dow-Jones-Bergstresser“ wäre wohl tatsächlich kein Verkaufsschlager geworden; den „Dow Jones“ kennen heute immerhin 74 Prozent aller Amerikaner.
40,94 Punkte
Genau 40,94 Punkte berechnete Charles Dow am 26. Mai 1896. Die zwölf Unternehmen, deren Börsenkurse er damals addierte und dividierte, waren vor allem Grundstoffkonzerne wie die U.S. Leather Company, die American Sugar Company oder die American Cotton Oil Company. Heute sind fast alle verschwunden, übernommen, fusioniert oder wegen Bedeutungslosigkeit aus dem Index aussortiert. Das einzige Unternehmen, das mit zwei kurzen Unterbrechungen bis heute im DJIA gelistet wird, ist die von Thomas Edison gegründete General Electric Company.
Die Philosophie, die hinter dem Prototypen aller Börsenindizes steht, ist simpel und effektiv. Dow, Jones und Bergstresser wollten die Kursentwicklung der größten Unternehmen aus den Schlüsselindustrien abbilden und damit die Entwicklung der Wirtschaft insgesamt.
Daher änderte sich in den Jahrzehnten nach 1896 die Zusammensetzung des DJIA nachhaltig, aber nicht rasant. Bei ihrem Bemühen, die jeweiligen aktuellen Schlüsselindustrien im Index abzubilden, ersetzten die Herausgeber des „Wall Street Journals“ zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Tabak-, Baumwoll- und Zuckerkonzerne durch Automobil-, Fugzeug- und Lokomotivhersteller.
Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wiederum verschob sich die Gewichtung in Richtung Dienstleistungsunternehmen und Computerindustrie. Allerdings reichlich spät: Erst 1999 wurden Intel und Microsoft, schon damals milliardenschwere Schwergewichte mit beneidenswerter Wertentwicklung und Marktmacht, die Ehre zuteil, im Dow Jones gelistet zu werden.
Haarsträubende Mathematik
Dass dies auch heute noch eine Ehre ist, und keine Schmach, verdankt der Index in erster Linie seiner Kontinuität. Firmen werden nicht oft aus dem Index entfernt, nur wenn neue Technologien alte verdrängen, nehmen die Herausgeber des „Wall Street Journal“ behutsame Veränderungen vor. 1916 und 1928 wurde der Index erweitert, zunächst auf 16, dann auf 30 Werte, und dabei ist es bis heute geblieben. Für Anleger, die auf Bewährtes vertrauen und nur in Spitzenwerte investieren, die Crème de la Crème der US-Wirtschaft, für sie ist der Dow Jones gerade in unsicheren Zeiten der sichere Hafen. 40 Milliarden US Dollar sind alleine in direkt mit dem Dow Jones verknüpften Investments wie Indexfonds angelegt.
Haarsträubend ist allerdings die Art und Weise, wie der Dow Jones berechnet wird. Heute wie damals werden die aktuellen Kurse der 30 Unternehmen addiert und dann durch 30 geteilt. Dieser Wert wird dann mit dem Dow Divisor multipliziert, einem Korrekturwert, um Aktiensplits und Änderungen im Index auszugleichen.
Für Statistiker und professionelle Investoren ist diese simple arithmetische Mittelberechnung altmodisch und primitiv. Weil der Dow Jones Index nicht die Marktkapitalisierung berücksichtigt, hat beispielsweise General Motors mit einem Unternehmenswert von 15,8 Milliarden Dollar die gleiche Indexgewichtung wie General Electric mit 358 Milliarden.
Gute alte Tante Dow
Dass der Dow Jones Index dennoch die weltweiten Börsenmärkte beeinflusst, d.h. ein schwacher Dow Jones in New York den DAX sofort zum Straucheln bringt, liegt daran, dass der Index die heimische Wirtschaft recht genau abbildet, und dass er alleine wegen seines Alters eine gewissermaßen großväterliche Autorität besitzt.
Es gibt tausende andere Indizes, die mit hochkomplizierten mathematischen Modellen die Gewichtung von Unternehmen im Index korrekt abbilden. Dass dem Dow Jones, diesem 110 Jahre alten Aktienindex, so viel Vertrauen geschenkt wird, ist dann doch erstaunlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass er sich dank seines Alters trefflich zum Renditeträumen eignet: Wer 1896 tausend Dollar in einem Indexfonds angelegt hätte, besäße heute mindestens 273.706. Das ist doch der Stoff, aus dem Legenden werden.