BERLIN (dpa-AFX) - Verkehrspolitiker im Bundestag haben zurückhaltend bis ablehnend auf einen Vorschlag der "Wirtschaftsweisen" über die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland reagiert. "In der aktuellen wirtschaftlich angespannten Lage wäre die Einführung einer Pkw-Maut eine zusätzliche Belastung und Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger", sagte Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist falsch, die Menschen in unserem Land für das Versagen der vergangenen Regierung verantwortlich zu machen."
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte der dpa: "Die Anforderungen an unsere Infrastruktur sind mit Blick auf den wachsenden Verkehr und den hohen Sanierungsbedarf enorm. Deswegen müssen wir kluge Formen der Finanzierung künftig intensiv diskutieren. Das schließt neben vielen Modellen auch eine entfernungsabhängige Bemautung ein. Maßgabe für solche Ideen bleibt, dass diese sozial ausgestaltet sind und Mobilität insgesamt nicht teurer wird als bisher." Eine zweite Pkw-Maut nach CSU-Vorbild sei überhaupt keine Option und fatal gescheitert. "Denkbar und sinnvoll könnte hingegen eine EU-weit abgestimmte Lösung sein, das bleibt aber erst einmal Zukunftsmusik."
Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte der dpa, er halte nichts von einer Pkw-Maut-Diskussion. "Die Autofahrer sind ohnehin schon finanziell mehr denn je belastet und werden durch die rot-grüne Politik immer stärker geschröpft." Vor allem im ländlichen Raum seien die Menschen auf das Auto angewiesen. "Die Autofahrer jetzt noch weiter mit einer Pkw-Maut zu belasten, wäre in dieser Lage sicherlich der falsche Weg."
Greenpeace Verkehrsexpertin Marissa Reiserer dagegen sagte: "Klug ausgestaltet kann eine Pkw-Maut die Modernisierung im Straßenverkehr voranbringen. Mit einer Gewichtsstaffelung sollte sie schwere SUV stärker belasten als sparsame Kleinwagen. Gestaffelt nach Verkehrsdichte der jeweiligen Strecke kann sie Engpässe entlasten und gewichtet nach ÖPNV-Alternativen den Umstieg auf Bus und Bahn fördern." Vor allem aber bringe eine Pkw-Maut das bislang zu schwach ausgeprägte Verursacherprinzip in den Straßenverkehr: Wer Straßen mehr und häufiger belaste, obwohl es Alternativen gebe, sollte stärker an den Kosten beteiligt werden.
Die "Wirtschaftsweisen" hatten sich für die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland ausgesprochen. In dem am Mittwoch vorgelegten Frühjahrsgutachten heißt es, die Verkehrsinfrastruktur müsse modernisiert und ausgebaut werden. "Dafür sind höhere Infrastrukturausgaben erforderlich, für die eine stärkere Nutzerfinanzierung, beispielsweise eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut, herangezogen werden sollte." Da schwere Fahrzeuge die Infrastruktur stärker abnutzten als leichte Fahrzeuge, wäre eine Differenzierung nach Gewicht sinnvoll.
2019 war die geplante Pkw-Maut in Deutschland - ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung - vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gestoppt worden. Das Gericht erkannte eine Diskriminierung ausländischer Fahrzeughalter, da nur Fahrer aus dem Inland für die Maut voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten./hoe/DP/jha
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