ftd.de, Di, 4.9.2001, 2:00
Geldanlage: Zykliker oder nicht Zykliker?
Von Christopher Nachtweh
Aktienexperten streiten darüber, auf welche Werte Anleger jetzt setzen sollen.
Die Société Générale weiß, was sie will. Sie setzt auf Aktien und hält Anleihen für zu teuer. Sie weiß nur nicht genau, auf welche Werte sie setzen soll. Die Unsicherheit über die entscheidenden Einflussfaktoren für die Aktienmärkte spiegelt sich in den Aussagen der Strategen der französischen Bank wider.
Einig sind sie sich darüber, dass es einer Konjunkturerholung in den USA bedarf, damit die Aktienkurse mittelfristig erneut klettern können. Die US-Konjunktur sei mittlerweile so etwas wie ein "leading indicator" für die Aktienmärkte Europas. Einig sind sie auch darüber, dass diese Erholung nicht vor dem kommenden Jahr zu erwarten ist.
Umstritten ist in der Bank indes, ob die Zeichen tatsächlich schon darauf hindeuten, dass die Talsohle durchschritten ist. Die Europa-Strategen sehen in den Indikatoren zumindest ein erstes Zeichen für eine Konjunkturerholung - das allein aber nicht ausreiche, um die Aktienmärkte zu beflügeln.
US-Bosse verkaufen ihre Aktien
Die globalen Strategen der Bank sind pessimistischer. Sie haben einen weiteren Indikator ausgemacht: den Anteil der Zeitungsmeldungen in den Wirtschaftsteilen, die Positives berichten. Dieser falle mit momentan rund 40 Prozent im Vergleich zu fast 70 Prozent im Februar 2000 niedrig aus und sei ein Indiz für die noch immer schlechte Stimmung. Beunruhigend sei, dass doppelt so viele US-Bosse Aktien des eigenen Betriebs verkauften wie kauften. Das zeige, dass selbst diejenigen, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage ihrer Unternehmen am besten kennen, noch wenig Lichtblicke sähen.
Uneinig sind die Strategen auch darüber, was neben der konjunkturellen Entwicklung für die Märkte in den kommenden Monaten von größerer Bedeutung sein wird und welche Titel am ehesten profitieren. Die Europa-Spezialisten der Société Générale gehen davon aus, dass es vor allem Unternehmenszahlen sein werden, die über das Auf oder Ab der Aktien bestimmen. Die erwartete Entwicklung der Unternehmensgewinne werde zum entscheidenden Bewertungskriterium. Der Einfluss von Zinssenkungen für die Aktienmärkte werde hingegen weiter abnehmen. Der Zyklus in den USA neige sich dem Ende zu, und die noch erwarteten Schritte der Europäischen Zentralbank seien zu klein, um ein größeres Ereignis für die Aktienmärkte darzustellen.
Die ersten Anzeichen für eine Konjunkturerholung, die die Strategen sehen, dürften jedoch nicht dazu verleiten, automatisch auf die üblicherweise in derartigen Situationen favorisierten Zykliker zu setzen: Da die Gewinnaussichten für 2002 trotz revidierter Konjunkturerwartungen nämlich erstaunlich stabil geblieben seien, stünden auch vielen Zyklikern weitere Warnungen bevor. Noch immer seien viele Bewertungen übermäßig hoch. Es sei daher Zeit, auf günstig bewertete defensive Titel zu setzen. Zu diesen zählen in erster Linie Versicherungen und der Nahrungsmitteleinzelhandel, bei dem Société Générale vor allem positive Nachrichten des französischen Handelsriesen Carrefour begeistern.
Weitere Zinsschritte erwartet
Ganz anderer Meinung sind die globalen Strategen der zweitgrößten französischen Bank: Für sie sind kommende Zinssenkungen die entscheidende treibende Kraft für die Aktienmärkte. Sie erwarten noch einige deutliche Schritte der Zentralbanken der USA, Europas und Großbritanniens. Insbesondere mäßige Konjunkturaussichten und schlechte Arbeitsmarktdaten machten weitere Senkungen wahrscheinlich. Die Zahl der Entlassungen in den USA habe neue Spitzenstände erreicht, und in Frankreich und Deutschland stiegen die Zahlen seit Monaten. Auch in Großbritannien bestehe die Gefahr steigender Arbeitslosigkeit. Allen voran die US-Notenbank habe in den vergangenen fünfzig Jahren in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit stets die Geldpolitik gelockert, begründet die Société Générale ihre Erwartung dieses von den meisten Strategen anderer Banken für wenig wahrscheinlich gehaltenen Szenarios.
Obwohl die Wirtschaft noch darniederliege, sei dies der Zeitpunkt für Zykliker, widersprechen die globalen Strategen ihren für Europa zuständigen Kollegen schließlich vollends. Die treibende Kraft ergebe sich dabei momentan nicht aus Investitionsanreizen, die von niedrigen Zinsen ausgehen, sondern daraus, dass sich durch sie das Konsumverhalten auf dem aktuellen Niveau stabilisiere oder sogar zum Positiven entwickle. Denn die Haushalte müssten weniger für die Zinszahlungen ihrer Kredite ausgeben und hätten dadurch größeren Spielraum, die Dinge einzukaufen, auf die sie eine Zeitlang verzichtet haben. Dazu zählten vor allem Unterhaltungselektronik, Autos und Luxusgüter, also klassische zyklische Konsumgüter.
Im Focus: Société Générale
Regionen
Die Société Générale ist die nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Bank Frankreichs nach der BNP-Paribas. Unter den europäischen Großbanken rangiert sie auf Platz acht.
Asset Allocation
Gewichtung Die Société Générale macht es wie der Großteil der Banken. Sie übergewichtet Aktien und wird zunehmend skeptisch gegenüber Bonds. Anleihen seien während der vergangenen Monate wegen des schlechten Abschneidens der Aktienmärkte attraktiv gewesen. Mittlerweile seien die Renditen jedoch so weit gesunken, dass das Potenzial für weitere Kurssteigerungen an den Anleihemärkten äußerst begrenzt sei. Bei der Auswahl der Aktien sei auf Grund der unsicheren Konjunkturaussichten die Auswahl der richtigen Branchen und Unternehmen von größter Bedeutung. Allerdings herrscht innerhalb der Bank keine eindeutige Meinung darüber, nach welchen Kriterien sie vorgehen soll.
Sektoren und europäische Top-Werte
Favoriten Die Sektorstrategie der französischen Großbank ist gespalten. Die europäischen Strategen favorisieren defensive Werte, allen voran Versicherungstitel. Auffällig ist, dass das Gros der bevorzugten Aktien von britischen und französischen Unternehmen stammt. Die globalen Spezialisten der Bank geben keine prozentuale Sektorgewichtung an, empfehlen aber, Zykliker überzugewichten. Ferner halten sie den Bankensektor für attraktiv und ziehen ihn der Versicherungsbranche vor. Banken würden von weiteren Zinssenkungen profitieren, da günstigeres Geld die Angst davor nehme, dass Kredit- und Zinszahlungen der hochverschuldeten Unternehmen ausfallen könnten.
Geldanlage: Zykliker oder nicht Zykliker?
Von Christopher Nachtweh
Aktienexperten streiten darüber, auf welche Werte Anleger jetzt setzen sollen.
Die Société Générale weiß, was sie will. Sie setzt auf Aktien und hält Anleihen für zu teuer. Sie weiß nur nicht genau, auf welche Werte sie setzen soll. Die Unsicherheit über die entscheidenden Einflussfaktoren für die Aktienmärkte spiegelt sich in den Aussagen der Strategen der französischen Bank wider.
Einig sind sie sich darüber, dass es einer Konjunkturerholung in den USA bedarf, damit die Aktienkurse mittelfristig erneut klettern können. Die US-Konjunktur sei mittlerweile so etwas wie ein "leading indicator" für die Aktienmärkte Europas. Einig sind sie auch darüber, dass diese Erholung nicht vor dem kommenden Jahr zu erwarten ist.
Umstritten ist in der Bank indes, ob die Zeichen tatsächlich schon darauf hindeuten, dass die Talsohle durchschritten ist. Die Europa-Strategen sehen in den Indikatoren zumindest ein erstes Zeichen für eine Konjunkturerholung - das allein aber nicht ausreiche, um die Aktienmärkte zu beflügeln.
US-Bosse verkaufen ihre Aktien
Die globalen Strategen der Bank sind pessimistischer. Sie haben einen weiteren Indikator ausgemacht: den Anteil der Zeitungsmeldungen in den Wirtschaftsteilen, die Positives berichten. Dieser falle mit momentan rund 40 Prozent im Vergleich zu fast 70 Prozent im Februar 2000 niedrig aus und sei ein Indiz für die noch immer schlechte Stimmung. Beunruhigend sei, dass doppelt so viele US-Bosse Aktien des eigenen Betriebs verkauften wie kauften. Das zeige, dass selbst diejenigen, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage ihrer Unternehmen am besten kennen, noch wenig Lichtblicke sähen.
Uneinig sind die Strategen auch darüber, was neben der konjunkturellen Entwicklung für die Märkte in den kommenden Monaten von größerer Bedeutung sein wird und welche Titel am ehesten profitieren. Die Europa-Spezialisten der Société Générale gehen davon aus, dass es vor allem Unternehmenszahlen sein werden, die über das Auf oder Ab der Aktien bestimmen. Die erwartete Entwicklung der Unternehmensgewinne werde zum entscheidenden Bewertungskriterium. Der Einfluss von Zinssenkungen für die Aktienmärkte werde hingegen weiter abnehmen. Der Zyklus in den USA neige sich dem Ende zu, und die noch erwarteten Schritte der Europäischen Zentralbank seien zu klein, um ein größeres Ereignis für die Aktienmärkte darzustellen.
Die ersten Anzeichen für eine Konjunkturerholung, die die Strategen sehen, dürften jedoch nicht dazu verleiten, automatisch auf die üblicherweise in derartigen Situationen favorisierten Zykliker zu setzen: Da die Gewinnaussichten für 2002 trotz revidierter Konjunkturerwartungen nämlich erstaunlich stabil geblieben seien, stünden auch vielen Zyklikern weitere Warnungen bevor. Noch immer seien viele Bewertungen übermäßig hoch. Es sei daher Zeit, auf günstig bewertete defensive Titel zu setzen. Zu diesen zählen in erster Linie Versicherungen und der Nahrungsmitteleinzelhandel, bei dem Société Générale vor allem positive Nachrichten des französischen Handelsriesen Carrefour begeistern.
Weitere Zinsschritte erwartet
Ganz anderer Meinung sind die globalen Strategen der zweitgrößten französischen Bank: Für sie sind kommende Zinssenkungen die entscheidende treibende Kraft für die Aktienmärkte. Sie erwarten noch einige deutliche Schritte der Zentralbanken der USA, Europas und Großbritanniens. Insbesondere mäßige Konjunkturaussichten und schlechte Arbeitsmarktdaten machten weitere Senkungen wahrscheinlich. Die Zahl der Entlassungen in den USA habe neue Spitzenstände erreicht, und in Frankreich und Deutschland stiegen die Zahlen seit Monaten. Auch in Großbritannien bestehe die Gefahr steigender Arbeitslosigkeit. Allen voran die US-Notenbank habe in den vergangenen fünfzig Jahren in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit stets die Geldpolitik gelockert, begründet die Société Générale ihre Erwartung dieses von den meisten Strategen anderer Banken für wenig wahrscheinlich gehaltenen Szenarios.
Obwohl die Wirtschaft noch darniederliege, sei dies der Zeitpunkt für Zykliker, widersprechen die globalen Strategen ihren für Europa zuständigen Kollegen schließlich vollends. Die treibende Kraft ergebe sich dabei momentan nicht aus Investitionsanreizen, die von niedrigen Zinsen ausgehen, sondern daraus, dass sich durch sie das Konsumverhalten auf dem aktuellen Niveau stabilisiere oder sogar zum Positiven entwickle. Denn die Haushalte müssten weniger für die Zinszahlungen ihrer Kredite ausgeben und hätten dadurch größeren Spielraum, die Dinge einzukaufen, auf die sie eine Zeitlang verzichtet haben. Dazu zählten vor allem Unterhaltungselektronik, Autos und Luxusgüter, also klassische zyklische Konsumgüter.
Im Focus: Société Générale
Regionen
Die Société Générale ist die nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Bank Frankreichs nach der BNP-Paribas. Unter den europäischen Großbanken rangiert sie auf Platz acht.
Asset Allocation
Gewichtung Die Société Générale macht es wie der Großteil der Banken. Sie übergewichtet Aktien und wird zunehmend skeptisch gegenüber Bonds. Anleihen seien während der vergangenen Monate wegen des schlechten Abschneidens der Aktienmärkte attraktiv gewesen. Mittlerweile seien die Renditen jedoch so weit gesunken, dass das Potenzial für weitere Kurssteigerungen an den Anleihemärkten äußerst begrenzt sei. Bei der Auswahl der Aktien sei auf Grund der unsicheren Konjunkturaussichten die Auswahl der richtigen Branchen und Unternehmen von größter Bedeutung. Allerdings herrscht innerhalb der Bank keine eindeutige Meinung darüber, nach welchen Kriterien sie vorgehen soll.
Sektoren und europäische Top-Werte
Favoriten Die Sektorstrategie der französischen Großbank ist gespalten. Die europäischen Strategen favorisieren defensive Werte, allen voran Versicherungstitel. Auffällig ist, dass das Gros der bevorzugten Aktien von britischen und französischen Unternehmen stammt. Die globalen Spezialisten der Bank geben keine prozentuale Sektorgewichtung an, empfehlen aber, Zykliker überzugewichten. Ferner halten sie den Bankensektor für attraktiv und ziehen ihn der Versicherungsbranche vor. Banken würden von weiteren Zinssenkungen profitieren, da günstigeres Geld die Angst davor nehme, dass Kredit- und Zinszahlungen der hochverschuldeten Unternehmen ausfallen könnten.