ftd.de, Fr, 3.8.2001, 10:51, aktualisiert: Fr, 3.8.2001, 14:06
Zuwanderung: Schily mit Zugeständissen an Union und Grüne
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat am Freitag seinen Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz vorgestellt. Auf dieser Grundlage will er eine praxisnahe und flexible Zuwanderungspolitik gestalten.
Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis sollen in einem Gesetz geregelt werden, sagte Schily am Freitag in Berlin. Die Arbeitserlaubnis werde in einem Akt mit der Aufenthaltserlaubnis genehmigt, sofern die Arbeitsverwaltung vorher zugestimmt habe.
Regionale Unterschiede möglich
Der Gesetzentwurf soll an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden und regionale Unterschiede ermöglichen. In Gegenden wie München sei der Bedarf an Arbeitskräften höher. Mit einem Punktesystem sollen besonders qualifizierte und benötigte Zuwanderer ausgewählt werden. Allerdings könne Schily noch nicht sagen, wann dieses System angewendet werden soll. Er wolle sich auch nicht festlegen, wieviele Zuwanderer kommen sollten: "Zahlenspiele führen zu nichts". Eine unbegrenzte Zuwanderung werde es aber nicht geben.
Damit bekräftigte Schily seinen Willen, mit der Union eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Union machte deutlich, dass sie die Begrenzung der Zuwanderung als eine Voraussetzung für einen Kompromiss mit der Regierung ansieht. Die Bundesregierung will die Zuwanderung bis zum Jahresende möglichst im Konsens mit der Opposition regeln, um das Thema aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.
Zwei neue Arten von Migration
Der Entwurf sieht zwei Wege der Zuwanderung vor: Einerseits sollen offen Stellen, für die sich keine einheimischen Arbeitnehmer finden, durch Zuwanderer besetzt werden. Hoch qualifizierte Ausländer bekommen sofort eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis. Ein Grund dafür ist offenbar die Kritik der Wirtschaft an der bisherigen Green-Card-Regelung, die eine Befristung des Aufenthaltes auf fünf Jahre vorsieht.
In einem zweiten Verfahren steht nicht der Arbeitkräftebedarf der Wirtschaft im Mittelpunkt, sondern der Zuwanderungswunsch von Ausländern. Sollen über das Regelverfahren hinaus Ausländer ins Land gelassen werden, müssen die Bundesanstalt für Arbeit und ein neues Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunächst eine Höchstgrenze für Zuwanderung im Auswahlverfahren festlegen. Die Bewerber werden in einem Punktesystem ausgewählt. Dabei werden Punkte etwa für das Alter, die Qualifikation oder Sprachkenntnisse vergeben. Die Einwanderer sollen von Anfang an eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen.
Ausländische Studenten sollen ein Jahr Zeit haben, sich in Deutschland eine Arbeit zu suchen und damit die Aufenhalterlaubnis zu erhalten. Hochqualifizierte mit einer Niederlassungserlaubnis können ihre Kinder bis zum Alter von 18 Jahren mitbringen.
Einmalige Überprüfung bei Asyl nach drei Jahren
Schily sprach sich für eine Änderung des Asylverfahrens aus, um Missbrauch zu verhindern. Dies war von der Union gefordert worden. Zudem solle auch bei anerkannten Asylbewerbern nach drei Jahren überprüft werden, ob die Asylgründe weiter bestehen. Dies sei zu rechtfertigen, da nach seinem Entwurf der Status von Flüchtlinge mit "kleinem Asyl", also nicht-staatlich Verfolgte, mit anerkannten Asylbewerbern nach dem Grundgesetz gleichgestellt werden.
Künftig solle aber genauer zwischen Personen unterschieden werden, die nicht in ihre Heimat zurückreisen können, und solchen, die nicht zurückreisen wollen, sagte Schily. Die so genannte Duldung solle abgeschafft werden, da sie bisher als "zweitklassiges Aufenthaltsrecht" aufgefasst worden sei. Eine Aufenthaltserlaubnis komme grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Ausreise in ein Drittland möglich sei oder wenn jemand bewusst die Behörden täuscht, etwa durch Vernichten der Ausweispapiere, sagte Schily. Der Aufenthalt für Personen, die ausreisen müssen, solle räumlich eingegrenzt werden, damit eine Ausreise auch durchgesetzt werden könne.
Der Innenminister bestätigte Berichte, wonach er das Kirchenasyl legalisieren wolle. Wenn Kirchen aus moralischen Gründen einen abgelehnten Asylbewerber aufnehmen wollten, sollten sie dies künftig tun können. Sie müssten dann allerdings auch die Kosten für dessen Lebensunterhalt übernehmen.
© 2001 Financial Times Deutschland
Zuwanderung: Schily mit Zugeständissen an Union und Grüne
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat am Freitag seinen Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz vorgestellt. Auf dieser Grundlage will er eine praxisnahe und flexible Zuwanderungspolitik gestalten.
Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis sollen in einem Gesetz geregelt werden, sagte Schily am Freitag in Berlin. Die Arbeitserlaubnis werde in einem Akt mit der Aufenthaltserlaubnis genehmigt, sofern die Arbeitsverwaltung vorher zugestimmt habe.
Regionale Unterschiede möglich
Der Gesetzentwurf soll an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden und regionale Unterschiede ermöglichen. In Gegenden wie München sei der Bedarf an Arbeitskräften höher. Mit einem Punktesystem sollen besonders qualifizierte und benötigte Zuwanderer ausgewählt werden. Allerdings könne Schily noch nicht sagen, wann dieses System angewendet werden soll. Er wolle sich auch nicht festlegen, wieviele Zuwanderer kommen sollten: "Zahlenspiele führen zu nichts". Eine unbegrenzte Zuwanderung werde es aber nicht geben.
Damit bekräftigte Schily seinen Willen, mit der Union eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Union machte deutlich, dass sie die Begrenzung der Zuwanderung als eine Voraussetzung für einen Kompromiss mit der Regierung ansieht. Die Bundesregierung will die Zuwanderung bis zum Jahresende möglichst im Konsens mit der Opposition regeln, um das Thema aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.
Zwei neue Arten von Migration
Der Entwurf sieht zwei Wege der Zuwanderung vor: Einerseits sollen offen Stellen, für die sich keine einheimischen Arbeitnehmer finden, durch Zuwanderer besetzt werden. Hoch qualifizierte Ausländer bekommen sofort eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis. Ein Grund dafür ist offenbar die Kritik der Wirtschaft an der bisherigen Green-Card-Regelung, die eine Befristung des Aufenthaltes auf fünf Jahre vorsieht.
In einem zweiten Verfahren steht nicht der Arbeitkräftebedarf der Wirtschaft im Mittelpunkt, sondern der Zuwanderungswunsch von Ausländern. Sollen über das Regelverfahren hinaus Ausländer ins Land gelassen werden, müssen die Bundesanstalt für Arbeit und ein neues Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunächst eine Höchstgrenze für Zuwanderung im Auswahlverfahren festlegen. Die Bewerber werden in einem Punktesystem ausgewählt. Dabei werden Punkte etwa für das Alter, die Qualifikation oder Sprachkenntnisse vergeben. Die Einwanderer sollen von Anfang an eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen.
Ausländische Studenten sollen ein Jahr Zeit haben, sich in Deutschland eine Arbeit zu suchen und damit die Aufenhalterlaubnis zu erhalten. Hochqualifizierte mit einer Niederlassungserlaubnis können ihre Kinder bis zum Alter von 18 Jahren mitbringen.
Einmalige Überprüfung bei Asyl nach drei Jahren
Schily sprach sich für eine Änderung des Asylverfahrens aus, um Missbrauch zu verhindern. Dies war von der Union gefordert worden. Zudem solle auch bei anerkannten Asylbewerbern nach drei Jahren überprüft werden, ob die Asylgründe weiter bestehen. Dies sei zu rechtfertigen, da nach seinem Entwurf der Status von Flüchtlinge mit "kleinem Asyl", also nicht-staatlich Verfolgte, mit anerkannten Asylbewerbern nach dem Grundgesetz gleichgestellt werden.
Künftig solle aber genauer zwischen Personen unterschieden werden, die nicht in ihre Heimat zurückreisen können, und solchen, die nicht zurückreisen wollen, sagte Schily. Die so genannte Duldung solle abgeschafft werden, da sie bisher als "zweitklassiges Aufenthaltsrecht" aufgefasst worden sei. Eine Aufenthaltserlaubnis komme grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Ausreise in ein Drittland möglich sei oder wenn jemand bewusst die Behörden täuscht, etwa durch Vernichten der Ausweispapiere, sagte Schily. Der Aufenthalt für Personen, die ausreisen müssen, solle räumlich eingegrenzt werden, damit eine Ausreise auch durchgesetzt werden könne.
Der Innenminister bestätigte Berichte, wonach er das Kirchenasyl legalisieren wolle. Wenn Kirchen aus moralischen Gründen einen abgelehnten Asylbewerber aufnehmen wollten, sollten sie dies künftig tun können. Sie müssten dann allerdings auch die Kosten für dessen Lebensunterhalt übernehmen.
© 2001 Financial Times Deutschland