VDI nachrichten, 2.5.2003 Die Kfz-Zulieferer steigern bis zum Jahr 2010 kräftig ihre Umsätze. Deshalb wird die Branche zu einer führenden Jobmaschine, prognostiziert Prof. Ferdinand Dudenhöffer. Vor allem ihre Leistungsfähigkeit als Wertschöpfungspartner sieht der Automobilmarkt-Experte zunehmend gefragt, weil Hersteller immer mehr Module von spezialisierten Lieferanten entwickeln und fertigen lassen. Während anhaltende Absatzprobleme den Kraftfahrzeugherstellern derzeit die Aussichten auf ein profitables Geschäftsjahr 2003 verhageln, sprießen im Supplier-Markt die Wachstumspflanzen. „Die weltweite Automobil-Zulieferindustrie wird bis zum Jahr 2010 einen Umsatzsprung von 75 % realisieren und sich damit zu einer Jobmaschine entwickeln“, prognostiziert Prof. Ferdinand Dudenhöffer. Ein wichtiger Grund für das erwartete Wachstum ist nach Ansicht des Direktors des Center Automotive Research (CAR), Gelsenkirchen, die fortgesetzt sinkende Fertigungs- und Entwicklungstiefe bei den Kfz-Herstellern. Bereits im Jahr 2000 entfielen nach den Informationen des CAR-Direktors 72 % der Fertigungskosten eines Fahrzeugs auf die Zulieferindustrie. Dieser Trend werde sich fortsetzen. „Wir gehen davon aus, dass der Fertigungsanteil der Autohersteller sich bis 2010 auf 20 % reduziert“, so der Marktforscher. Aktuelle Beispiele dafür seien die Auslagerung von Kleinserien – etwa des Audi A4 Cabrio bei Karmann – sowie die Übernahme von Serienproduktions-Aufgaben – wie etwa beim Porsche Boxter durch Valmet im finnischen Uusikaupunki oder des BMW X3 bei Steyr-Magna im österreichischen Oberwaltersdorf. „Der deutliche Trend zu modularen Fahrzeugstrukturen verstärkt die Verringerung der Fertigungstiefen zusätzlich. Das Automobil des Jahres 2010 ist kein Plattform-Fahrzeug mehr, sondern ein Modul-Auto“, prognostiziert Dudenhöffer. Die Fahrzeugstruktur werde dann durch in sich geschlossene Bauteile – wie das Cockpit, das Achssystem, das Radmodul oder das Frontend – definiert. Die Fabriken des Autoherstellers seien dann Montagestraßen für Module, welche die Zulieferer vorproduziert „just in sequence“ ans Band liefern. Noch dynamischer als die Fertigungstiefe entwickelt sich laut Dudenhöffer der Entwicklungsanteil des Automobilherstellers zurück. Bis zum Jahr 2010, so seine Voraussage, reduzieren sich die Eigenentwicklungen der Hersteller auf 50 %. Bereits heute würden Nischenfahrzeuge bei Entwicklungsdienstleistern wie Edag, Fulda, oder Bertrand Faure, Nanterre (F), auf Basis von Volumenfahrzeugen komplett entwickelt. Und beim zukünftigen „BMW X3“ habe der Hersteller nicht nur die Fertigung außer Haus gegeben, sondern den Zulieferer Magna zu großen Umfängen in die Entwicklung des Fahrzeugs integriert. Gleichzeitig gebe es bei den Automobilherstellern innerhalb der kommenden zehn Jahre einen starken Trend zur steigenden Differenzierung des Fahrzeugangebots. „Damit existiert enormes Wachstumspotenzial für Entwicklungsdienstleister und Produktions-Spezialisten – einer neuen, schnell wachsenden Spezies in der Zulieferbranche“, so der Branchenkenner. „Die eigene technologische Kompetenz im Zuliefersektor wird immer stärker das wettbewerbsentscheidende Differenzzierungsmerkmal. Dafür müssen jedoch mehr als bisher die Voraussetzungen geschaffen werden – in der Gestaltung der Wertschöpfungskette, bei den politischen Rahmenbedingungen und bei der Finanzierung“, bestätigt Prof. Dr. Bernd Gottschalk. Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Frankfurt am Main, verweist darauf, dass der Anteil von Forschungs- und Entwicklungs-Aufwendungen am Umsatz der Zulieferer bereits heute deutlich über dem der Fahrzeughersteller liegt. Dabei spiele die Elektronik eine wichtige Rolle. Durch die damit verbundenen Innovationen werde der Anteil der Zulieferindustrie bis zum Jahr 2010 auf 40 % bis 50 % steigen. Mit Nachdruck wendet sich der Verbandsfunktionär gegen die gängige These, dass die Anzahl der Kfz-Zulieferer in den nächsten Jahren drastisch zurückgehen wird. Zwar werde sich die Zahl der direkt an die Hersteller zuliefernden Unternehmen verringern, doch werde die Gesamtmenge aller Lieferanten der Automobilindustrie „kaum oder nur wenig abnehmen“. Die Kraftfahrzeughersteller setzten nicht nur auf „Megasupplier“, sondern suchten gerade in jüngster Zeit wieder verstärkt den direkten Kontakt zu mittelständischen Unternehmen, deren Potenzial, Innovationsstärke und Flexibilität hervorragend seien. Zudem stehen laut Gottschalk viele Megasupplier vor einer Neustrukturierung und einer Konzentration auf Kernkompetenzen. Dadurch werde eigene Wertschöpfung auf deren Lieferanten verlagert. „Dies wiederum bietet große Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen“, unterstreicht der VDA-Präsident. Durch Joint Ventures entstünden zusätzliche Unternehmen für bestimmte Aufgaben. Beispiele dafür seien die Kooperationsformen von Hella/Behr, Freudenberg/Phoenix oder Michelin/Woco. Es sei gerade auch für mittelständische Unternehmen ratsam, bei Technologie-, Programm- oder regionalen Marktlücken Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Zulieferern zu bilden. Als Hilfestellung biete sein Verband ein Kooperationsportal an, das in Kürze unter der Internet-Adresse www.vda-kooperationsportal.de erreichbar sein wird. ROLF MÜLLER-WONDORF/Si
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