An Liquidität fehlt es nicht. Das lockere Geld nährt den Aufschwung am Aktienmarkt. Die Zinsen sind niedrig, und der Anlagenotstand der Fonds ist so hoch, dass auch Risikopapiere bestens laufen.
Die Börse profitiert davon, dass Staatsanleihen nur noch Minimalverzinsung bieten. Sehr viel weiter aber kann dieser liquiditätsgetriebene Kursaufschwung nicht tragen. Irgendwann muss sich auch das Umfeld entscheidend bessern, doch wirkliche Anzeichen für ein Anziehen der Konjunktur gibt es bislang weder in Amerika noch in Europa. So wird die am Mittwoch anstehende Leitzinssenkung in den USA dem Aktienmarkt nur noch mehr Liquidität bescheren, in der er ohnehin schon schwimmt.
Noch nie war der Finanzmarkt so liquide wie heute. Für die Anbieter von Wertpapieren ist das sehr angenehm - zum Beispiel für General Motors. Das Autounternehmen in Detroit hat ein paar Probleme mit seinen Pensionsverpflichtungen. Im Laufe der Aktienbaisse hat sich dort eine Unterdeckung aufgetan, die Ende vergangenen Jahres auf 19,3 Mrd. $ beziffert wurde. In dieser Phase niedriger Zinsen aber stellt sich dieses Problem als nichtig heraus. Der Markt gibt alles her.
Kaum frische Börsenwerte
Als bekannt wurde, dass General Motors noch in dieser Woche mal so eben 13 Mrd. $ von diesem boomenden Markt hereinholen will, muckte die Börse nur einmal kurz auf. GM kann damit rechnen, den gewünschten Betrag zu erhalten. Die Lücke im Fonds wird zum großen Teil geschlossen, und die Verpflichtungen gegenüber den Pensionären werden zu Schulden gegenüber den Gläubigern des Marktes.
Das Beispiel zeigt, dass der Finanzmarkt ein Verkäufermarkt ist. Wer etwas finanzieren will, kann das tun - zu niedrigen Kosten. Es funktioniert sogar bei den Aktien. Zwar gibt es wenig frische Werte an der Börse, doch die werden den Banken geradezu aus den Händen gerissen. Epson ist in Japan 15-mal überzeichnet, und sogar die Bank Austria, die erklärtermaßen nur an die Börse kommt, um der Muttergesellschaft frisches Geld zuzuführen, bringt die erhoffte 1 Mrd. Euro ein. Selbst beim M&A-Geschäft gibt es Lebenszeichen. Da wird nicht nur mit Aktien getauscht, da fließt auch wieder richtig Geld.
Die Stimmung an den Finanzmärkten könnte kaum besser sein. Der Dow Jones ist seit März um ein Viertel gestiegen, der Dax hat gar einen Kursanstieg von 50 Prozent hingelegt. Wenn man die Währungsgewinne der in Euro denominierten deutschen Aktien berücksichtigt, steht der deutsche Markt relativ gesehen sogar noch besser da.
Von einer Unterbewertung deutscher Papiere dürfte nach der kräftigen Rally keine Rede mehr sein. Auch eine besondere Risikoprämie wird der Markt hier nicht mehr enthalten. Selbst wenn die notorisch optimistischen Analysten Recht hätten, die mit Gewinnsprüngen der Dax-Unternehmen von 60 Prozent in diesem Jahr und von weiteren 45 Prozent im nächsten ausgehen, ergäbe das eine recht anspruchsvolle Bewertung von 18 bis 19 auf Basis 2003 und von immerhin noch 13 auf Basis 2004. Um ein bei niedrigem Zinsniveau keineswegs außergewöhnlich hohes KGV von 16 zu erreichen, hätte der Dax dann noch einen Spielraum bis 4000 Punkte.
Fragwürdige Prämissen
Kalkulatorisch sieht das prächtig untermauert aus. Fragwürdig sind aber die Prämissen über die Gewinnsprünge der Unternehmen. Bleiben sie aus, oder fallen sie 2004 mit plus 20 Prozent nicht mehr ganz so großartig aus, erhöht sich das KGV auf Basis 2004 auf satte 20. Und das würde eher an das Ende eines Bullenmarktes erinnern - statt an einen Anfang.
Der US-Markt wird schon seit Anfang des Jahres anspruchsvoll bewertet. Zuletzt hat die freundliche Stimmung dort sogar zu Hoffnungen auf einen baldigen Konjunkturaufschwung geführt. Der Aktienmarkt könnte sich endlich wieder als guter Prognostiker erweisen, kalkulieren die Volkswirte. Für die USA sagen sie eine Wachstumsbeschleunigung im zweiten Halbjahr voraus.
Wie aber kommt es, dass die Börse konjunkturelle Aufschwünge oft bereits um ein halbes Jahr vorausahnt? Im üblichen Konjunkturzyklus sind es die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität, die dem sensiblen Aktienmarkt schnell auf die Sprünge helfen, jedenfalls schneller als den Realinvestitionen. Erst in einer zweiten Phase des idealtypischen Zyklus löst der Investitions- und Konsumaufschwung den vorgelaufenen Aktienmarkt ab. Der macht dann Pause oder erlebt sogar eine leichte Konsolidierungsphase. Die volkswirtschaftliche Ersparnis wird in dieser Zeit für Realinvestitionen gebraucht. Erst in einer dritten Phase treiben die Aussichten auf dadurch schneller steigende Gewinne und erste höhere Rückflüsse ihrerseits die Kurse weiter nach oben.
Genau so könnte es wieder kommen. Am Aktienmarkt wäre also ein Rückschlag fällig, der aber harmlos ausfallen wird. Wenn dann das Wachstum von Konsum und Investitionen nicht deutlich kräftiger wird, sind Enttäuschungen unausweichlich. Dieser Kursaufschwung hat Tücken.
© 2003 Financial Times Deutschland
Die Börse profitiert davon, dass Staatsanleihen nur noch Minimalverzinsung bieten. Sehr viel weiter aber kann dieser liquiditätsgetriebene Kursaufschwung nicht tragen. Irgendwann muss sich auch das Umfeld entscheidend bessern, doch wirkliche Anzeichen für ein Anziehen der Konjunktur gibt es bislang weder in Amerika noch in Europa. So wird die am Mittwoch anstehende Leitzinssenkung in den USA dem Aktienmarkt nur noch mehr Liquidität bescheren, in der er ohnehin schon schwimmt.
Noch nie war der Finanzmarkt so liquide wie heute. Für die Anbieter von Wertpapieren ist das sehr angenehm - zum Beispiel für General Motors. Das Autounternehmen in Detroit hat ein paar Probleme mit seinen Pensionsverpflichtungen. Im Laufe der Aktienbaisse hat sich dort eine Unterdeckung aufgetan, die Ende vergangenen Jahres auf 19,3 Mrd. $ beziffert wurde. In dieser Phase niedriger Zinsen aber stellt sich dieses Problem als nichtig heraus. Der Markt gibt alles her.
Kaum frische Börsenwerte
Als bekannt wurde, dass General Motors noch in dieser Woche mal so eben 13 Mrd. $ von diesem boomenden Markt hereinholen will, muckte die Börse nur einmal kurz auf. GM kann damit rechnen, den gewünschten Betrag zu erhalten. Die Lücke im Fonds wird zum großen Teil geschlossen, und die Verpflichtungen gegenüber den Pensionären werden zu Schulden gegenüber den Gläubigern des Marktes.
Das Beispiel zeigt, dass der Finanzmarkt ein Verkäufermarkt ist. Wer etwas finanzieren will, kann das tun - zu niedrigen Kosten. Es funktioniert sogar bei den Aktien. Zwar gibt es wenig frische Werte an der Börse, doch die werden den Banken geradezu aus den Händen gerissen. Epson ist in Japan 15-mal überzeichnet, und sogar die Bank Austria, die erklärtermaßen nur an die Börse kommt, um der Muttergesellschaft frisches Geld zuzuführen, bringt die erhoffte 1 Mrd. Euro ein. Selbst beim M&A-Geschäft gibt es Lebenszeichen. Da wird nicht nur mit Aktien getauscht, da fließt auch wieder richtig Geld.
Die Stimmung an den Finanzmärkten könnte kaum besser sein. Der Dow Jones ist seit März um ein Viertel gestiegen, der Dax hat gar einen Kursanstieg von 50 Prozent hingelegt. Wenn man die Währungsgewinne der in Euro denominierten deutschen Aktien berücksichtigt, steht der deutsche Markt relativ gesehen sogar noch besser da.
Von einer Unterbewertung deutscher Papiere dürfte nach der kräftigen Rally keine Rede mehr sein. Auch eine besondere Risikoprämie wird der Markt hier nicht mehr enthalten. Selbst wenn die notorisch optimistischen Analysten Recht hätten, die mit Gewinnsprüngen der Dax-Unternehmen von 60 Prozent in diesem Jahr und von weiteren 45 Prozent im nächsten ausgehen, ergäbe das eine recht anspruchsvolle Bewertung von 18 bis 19 auf Basis 2003 und von immerhin noch 13 auf Basis 2004. Um ein bei niedrigem Zinsniveau keineswegs außergewöhnlich hohes KGV von 16 zu erreichen, hätte der Dax dann noch einen Spielraum bis 4000 Punkte.
Fragwürdige Prämissen
Kalkulatorisch sieht das prächtig untermauert aus. Fragwürdig sind aber die Prämissen über die Gewinnsprünge der Unternehmen. Bleiben sie aus, oder fallen sie 2004 mit plus 20 Prozent nicht mehr ganz so großartig aus, erhöht sich das KGV auf Basis 2004 auf satte 20. Und das würde eher an das Ende eines Bullenmarktes erinnern - statt an einen Anfang.
Der US-Markt wird schon seit Anfang des Jahres anspruchsvoll bewertet. Zuletzt hat die freundliche Stimmung dort sogar zu Hoffnungen auf einen baldigen Konjunkturaufschwung geführt. Der Aktienmarkt könnte sich endlich wieder als guter Prognostiker erweisen, kalkulieren die Volkswirte. Für die USA sagen sie eine Wachstumsbeschleunigung im zweiten Halbjahr voraus.
Wie aber kommt es, dass die Börse konjunkturelle Aufschwünge oft bereits um ein halbes Jahr vorausahnt? Im üblichen Konjunkturzyklus sind es die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität, die dem sensiblen Aktienmarkt schnell auf die Sprünge helfen, jedenfalls schneller als den Realinvestitionen. Erst in einer zweiten Phase des idealtypischen Zyklus löst der Investitions- und Konsumaufschwung den vorgelaufenen Aktienmarkt ab. Der macht dann Pause oder erlebt sogar eine leichte Konsolidierungsphase. Die volkswirtschaftliche Ersparnis wird in dieser Zeit für Realinvestitionen gebraucht. Erst in einer dritten Phase treiben die Aussichten auf dadurch schneller steigende Gewinne und erste höhere Rückflüsse ihrerseits die Kurse weiter nach oben.
Genau so könnte es wieder kommen. Am Aktienmarkt wäre also ein Rückschlag fällig, der aber harmlos ausfallen wird. Wenn dann das Wachstum von Konsum und Investitionen nicht deutlich kräftiger wird, sind Enttäuschungen unausweichlich. Dieser Kursaufschwung hat Tücken.
© 2003 Financial Times Deutschland