Von Philipp II. weiß die Geschichte zu vermelden, dass kein Fehlschlag seiner Politik seinen Glauben an ihre prinzipielle Vortrefflichkeit zu erschüttern vermochte. Das ist lange her, bleibt aber selbst in demokratisch zustande gekommenen Machtgehäusen ein verlässliches Erbstück. So ist die Bundesregierung von der Vorzüglichkeit ihres Wirkens so inbrünstig überzeugt, dass man ihr auch dort widersprechen möchte, wo ihre Standfestigkeit zu rühmen wäre. Noch bewahrt sie kühlen Verstand in einer Situation, in der sie zu umtriebigem Aktionismus gedrängt wird, obwohl für einen Feuerwehreinsatz derzeit sogar ein Probealarm unangebracht wäre. Man könnte diesen irrtümlicherweise nämlich für den Ernstfall halten.
Schwieriges Handwerk
Seit Wochen wird ein Krisenszenario aufgebaut, bei dem man sich durchaus fragen kann, ob das melodramatische Element nicht allmählich über das rationale Urteilsvermögen obsiegt. Fast täglich werden die Marktteilnehmer (und das sind wir in einer Marktwirtschaft ja alle) von fortwährenden Schlechtwettervoraussagen aufgescheucht. Zu jedem Frühstück eine neue Wachstumsprognose. Aber es ist ein Wetter, in dem die Intensität der Sonneneinstrahlung nicht eigentlich sinkt, sondern ihre ursprünglich erwartete Zunahme abnimmt. Immer noch wächst die Wirtschaft, auch wenn es bitte schön mehr sein könnte und wohl auch mehr sein müsste, damit das Land mit seinen chronischen Defiziten besser fertig würde. Die Momentaufnahme zeigt die Bundesbank bei einer Wachstumsschätzung für 2001 von 1,7 %, die nach ihrer Meinung "noch erreichbar" sind. Dies ist aber vergleichsweise optimistisch. Die Mehrzahl der Prognostiker nähert sich mehr oder weniger deutlich der Einprozentmarke, und schon ist, horribile dictu, die Horrorvokabel "Rezession" gefallen. Dies also ist aus der Anfangsprojektion eines für dieses Jahr gut zweiprozentigen Wachstums geworden und trägt nicht gerade dazu bei, das Prognosehandwerk mit weiteren Vertrauensvorschüssen zu versehen.
Nicht, dass die Konjunkturforscher die gebotene Sorgfalt vermissen ließen! Aber die Eindringlichkeit ihrer gewiss schwierigen und von mannigfachen Imponderabilien (wie etwa dem Ölpreis) belasteten Tätigkeit leidet unter der inzwischen hektischen Korrekturbedürftigkeit der Wachstumserwartungen. Nicht minder mehrdeutig sind die Erklärungsversuche für die Wachstumsschwäche und insbesondere die Rezepturen für ihre Behebung. Es ist schon richtig, dass dem rot-grünen Reformeifer fürs Erste die Luft ausgegangen ist, obwohl das Tempo des Anlaufs so heftig nun auch wieder nicht gewesen ist, dass es in Erschöpfung und Atemlosigkeit hätte umschlagen müssen. Das zeigt nur den Grad der Verfettung, dem das Gemeinwesen und seine Strukturen ausgesetzt sind. Doch vergessen wir nicht: Noch vor sechs Monaten bewegte sich die Leistung des Berliner Kabinetts aus Sicht der Wirtschaft auf Höchstkursen. Jetzt, zur Jahresmitte, ist die Regierung baisseanfällig und teilt insofern das Schicksal mit dem der Börse. Und wie diese könnte sie einen nachhaltigen Aufschwung gebrauchen, zeichnet sich doch am Horizont die nächste Bundestagswahl ab. Wie bringt man den Kurs nach oben?
Der in ihren Visionen und Konzeptionen selber noch ungaren Opposition erscheint die gegenwärtige Wachstumsproblematik wie ein Geschenk des Himmels. Auch Teile der Wirtschaft wittern die Versuchung, die Politik aus Angst vor dem Wählerzorn so sehr in Schrecken zu versetzen, dass sie sich zu klimafördernden Maßnahmen bemüßigt fühlt. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Soweit es um die Anprangerung offenkundiger Torheiten geht, zu denen etwa die weitere Bürokratisierung der deutschen Betriebsverfassung zählt, oder die entgegen allen guten Ratschlägen unterbliebene Liberalisierung des Arbeitsrechts, kann die Kritik nicht scharf genug sein. Das alles gehört zu den hausgemachten Wachstumshemmnissen, die es ja unstrittig gibt und mit deren Bekämpfung sich die Wohlfahrtsparteien (die Union eingeschlossen) so schwer tun. Die "marktwirtschaftliche Lenkungsfähigkeit" ist angeschlagen, wie Otmar Issing von der Europäischen Zentralbank moniert. Am 28. Juni wäre Alfred Müller-Armack 100 Jahre alt geworden: Grund für eine Rückbesinnung auf seine These, wonach sich Sozialpolitik allein auf der Grundlage der von der Marktwirtschaft freigesetzten produktiven Kräfte erfolgreich betreiben lässt. Was heute der Sozialen Marktwirtschaft zugemutet wird, ist demgegenüber die Quadratur des Kreises und folglich unsozial - man denke nur an das Stichwort Gesundheitswesen.
Wörterbuch der Krisen
So kann es nicht verwundern, dass das deutsche Wirtschaftswachstum moderat ist; aber es handelt sich trotz der sich verdüsternden Perspektiven der Weltwirtschaft immerhin um Wachstum und nicht um Schrumpfung, solange die Akteure dem unablässigen Bombardement mit oft schiefen und bedenklich zugespitzten Schlagzeilen widerstehen: Stagnation, Nullwachstum, Stagflation, Stillstand, Talfahrt, Rezession, Krise. Zuweilen besteht der Eindruck, man habe die Konjunktur sozusagen als Unternehmen an die Börse gebracht. Denn die Volatilität der Prognosen des Konjunkturwachstums steht kaum zurück hinter der Hektik der Aktienbewertung, bei der neuerdings in vielen Fällen die Quartalsberichte durch die noch schnelleren Gewinn- und Verlustwarnungen abgelöst werden. Aber man muss genau hinsehen, gilt es doch, die realen Gegebenheiten abzugrenzen gegen den leider viel zu ausdauernd gepflegten Mythos von den sich auf einer Einbahnstraße nach oben befindlichen Profiten. Spätestens aber dann, wenn Staat und Privatwirtschaft bei der Entfaltung ihrer finanziellen Möglichkeiten auf objektive Hindernisse stoßen, deren Überwindung ihnen als zu strapaziös oder gar als unmöglich dünkt, rufen sie - wenn alle Stricke reißen - nach der Notenbank. So hat der Bundesfinanzminister, dem maastrichtbedingt zu Recht die Hände gebunden sind und der aus Brüssel wegen seiner schleppenden Konsolidierungsstrategie getadelt wird, für irgendwelche Konjunkturprogramme schlichtum kein Geld. Von daher ist übrigens auch die oppositionelle Forderung nach einer kreativen Vorwegnahme der Eichelschen Steuerreform reichlich illusionär. Wer sollte für die vorzeitigen Ausfälle geradestehen? Und wie sollte sich Berlin in einem wirklichen Krisenfall verhalten, wenn schon bei der erstbesten Unbehaglichkeit nach dem Notschalter gegriffen würde? Keynes hat derzeit keine Chance in Europa, wo doch ohnehin die (vor kurzem noch totgesagte!) Inflation, wenn auch noch schüchtern, wieder ihr Haupt erhebt und nicht zuletzt im Gedenken an die Arbeitslosen alle Anstrengungen nötig sind, dass die physische Einführung des Euro in stabilitätsgerechten Bahnen verläuft.
Mit welcher Entschlossenheit die Europäische Zentralbank (EZB) das ihr vorgegebene Ziel der Preisstabilität verfolgt, ist deswegen von entscheidender Tragweite. Das ist ein anderer Ausgangspunkt als bei Alan Greenspan, der in eiligen Schritten seit Jahresanfang zum sechsten Mal die Zinsen auf nunmehr den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gesenkt und damit trotzdem kein Wachstumsfeuerwerk entzündet hat. Zinssenkungen sind keine rasch wirkenden Aufputschmittel aus der Apotheke. Zu häufig eingesetzt, haben sie die Eigenschaft von Drogen, die bald verpuffen und auf eine stets höhere Dosis süchtig machen.
Schwieriges Handwerk
Seit Wochen wird ein Krisenszenario aufgebaut, bei dem man sich durchaus fragen kann, ob das melodramatische Element nicht allmählich über das rationale Urteilsvermögen obsiegt. Fast täglich werden die Marktteilnehmer (und das sind wir in einer Marktwirtschaft ja alle) von fortwährenden Schlechtwettervoraussagen aufgescheucht. Zu jedem Frühstück eine neue Wachstumsprognose. Aber es ist ein Wetter, in dem die Intensität der Sonneneinstrahlung nicht eigentlich sinkt, sondern ihre ursprünglich erwartete Zunahme abnimmt. Immer noch wächst die Wirtschaft, auch wenn es bitte schön mehr sein könnte und wohl auch mehr sein müsste, damit das Land mit seinen chronischen Defiziten besser fertig würde. Die Momentaufnahme zeigt die Bundesbank bei einer Wachstumsschätzung für 2001 von 1,7 %, die nach ihrer Meinung "noch erreichbar" sind. Dies ist aber vergleichsweise optimistisch. Die Mehrzahl der Prognostiker nähert sich mehr oder weniger deutlich der Einprozentmarke, und schon ist, horribile dictu, die Horrorvokabel "Rezession" gefallen. Dies also ist aus der Anfangsprojektion eines für dieses Jahr gut zweiprozentigen Wachstums geworden und trägt nicht gerade dazu bei, das Prognosehandwerk mit weiteren Vertrauensvorschüssen zu versehen.
Nicht, dass die Konjunkturforscher die gebotene Sorgfalt vermissen ließen! Aber die Eindringlichkeit ihrer gewiss schwierigen und von mannigfachen Imponderabilien (wie etwa dem Ölpreis) belasteten Tätigkeit leidet unter der inzwischen hektischen Korrekturbedürftigkeit der Wachstumserwartungen. Nicht minder mehrdeutig sind die Erklärungsversuche für die Wachstumsschwäche und insbesondere die Rezepturen für ihre Behebung. Es ist schon richtig, dass dem rot-grünen Reformeifer fürs Erste die Luft ausgegangen ist, obwohl das Tempo des Anlaufs so heftig nun auch wieder nicht gewesen ist, dass es in Erschöpfung und Atemlosigkeit hätte umschlagen müssen. Das zeigt nur den Grad der Verfettung, dem das Gemeinwesen und seine Strukturen ausgesetzt sind. Doch vergessen wir nicht: Noch vor sechs Monaten bewegte sich die Leistung des Berliner Kabinetts aus Sicht der Wirtschaft auf Höchstkursen. Jetzt, zur Jahresmitte, ist die Regierung baisseanfällig und teilt insofern das Schicksal mit dem der Börse. Und wie diese könnte sie einen nachhaltigen Aufschwung gebrauchen, zeichnet sich doch am Horizont die nächste Bundestagswahl ab. Wie bringt man den Kurs nach oben?
Der in ihren Visionen und Konzeptionen selber noch ungaren Opposition erscheint die gegenwärtige Wachstumsproblematik wie ein Geschenk des Himmels. Auch Teile der Wirtschaft wittern die Versuchung, die Politik aus Angst vor dem Wählerzorn so sehr in Schrecken zu versetzen, dass sie sich zu klimafördernden Maßnahmen bemüßigt fühlt. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Soweit es um die Anprangerung offenkundiger Torheiten geht, zu denen etwa die weitere Bürokratisierung der deutschen Betriebsverfassung zählt, oder die entgegen allen guten Ratschlägen unterbliebene Liberalisierung des Arbeitsrechts, kann die Kritik nicht scharf genug sein. Das alles gehört zu den hausgemachten Wachstumshemmnissen, die es ja unstrittig gibt und mit deren Bekämpfung sich die Wohlfahrtsparteien (die Union eingeschlossen) so schwer tun. Die "marktwirtschaftliche Lenkungsfähigkeit" ist angeschlagen, wie Otmar Issing von der Europäischen Zentralbank moniert. Am 28. Juni wäre Alfred Müller-Armack 100 Jahre alt geworden: Grund für eine Rückbesinnung auf seine These, wonach sich Sozialpolitik allein auf der Grundlage der von der Marktwirtschaft freigesetzten produktiven Kräfte erfolgreich betreiben lässt. Was heute der Sozialen Marktwirtschaft zugemutet wird, ist demgegenüber die Quadratur des Kreises und folglich unsozial - man denke nur an das Stichwort Gesundheitswesen.
Wörterbuch der Krisen
So kann es nicht verwundern, dass das deutsche Wirtschaftswachstum moderat ist; aber es handelt sich trotz der sich verdüsternden Perspektiven der Weltwirtschaft immerhin um Wachstum und nicht um Schrumpfung, solange die Akteure dem unablässigen Bombardement mit oft schiefen und bedenklich zugespitzten Schlagzeilen widerstehen: Stagnation, Nullwachstum, Stagflation, Stillstand, Talfahrt, Rezession, Krise. Zuweilen besteht der Eindruck, man habe die Konjunktur sozusagen als Unternehmen an die Börse gebracht. Denn die Volatilität der Prognosen des Konjunkturwachstums steht kaum zurück hinter der Hektik der Aktienbewertung, bei der neuerdings in vielen Fällen die Quartalsberichte durch die noch schnelleren Gewinn- und Verlustwarnungen abgelöst werden. Aber man muss genau hinsehen, gilt es doch, die realen Gegebenheiten abzugrenzen gegen den leider viel zu ausdauernd gepflegten Mythos von den sich auf einer Einbahnstraße nach oben befindlichen Profiten. Spätestens aber dann, wenn Staat und Privatwirtschaft bei der Entfaltung ihrer finanziellen Möglichkeiten auf objektive Hindernisse stoßen, deren Überwindung ihnen als zu strapaziös oder gar als unmöglich dünkt, rufen sie - wenn alle Stricke reißen - nach der Notenbank. So hat der Bundesfinanzminister, dem maastrichtbedingt zu Recht die Hände gebunden sind und der aus Brüssel wegen seiner schleppenden Konsolidierungsstrategie getadelt wird, für irgendwelche Konjunkturprogramme schlichtum kein Geld. Von daher ist übrigens auch die oppositionelle Forderung nach einer kreativen Vorwegnahme der Eichelschen Steuerreform reichlich illusionär. Wer sollte für die vorzeitigen Ausfälle geradestehen? Und wie sollte sich Berlin in einem wirklichen Krisenfall verhalten, wenn schon bei der erstbesten Unbehaglichkeit nach dem Notschalter gegriffen würde? Keynes hat derzeit keine Chance in Europa, wo doch ohnehin die (vor kurzem noch totgesagte!) Inflation, wenn auch noch schüchtern, wieder ihr Haupt erhebt und nicht zuletzt im Gedenken an die Arbeitslosen alle Anstrengungen nötig sind, dass die physische Einführung des Euro in stabilitätsgerechten Bahnen verläuft.
Mit welcher Entschlossenheit die Europäische Zentralbank (EZB) das ihr vorgegebene Ziel der Preisstabilität verfolgt, ist deswegen von entscheidender Tragweite. Das ist ein anderer Ausgangspunkt als bei Alan Greenspan, der in eiligen Schritten seit Jahresanfang zum sechsten Mal die Zinsen auf nunmehr den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gesenkt und damit trotzdem kein Wachstumsfeuerwerk entzündet hat. Zinssenkungen sind keine rasch wirkenden Aufputschmittel aus der Apotheke. Zu häufig eingesetzt, haben sie die Eigenschaft von Drogen, die bald verpuffen und auf eine stets höhere Dosis süchtig machen.