Zinssenkung in Sicht
vom 24.03.2001 , 10:00 Uhr
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in dieser Woche nach Einschätzung von Analysten begonnen, die Finanzmärkte auf eine Zinssenkung in der Euro-Zone vorzubereiten.
Die klaren Hinweise von EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing auf schlechtere Wachstumsaussichten und geringere Inflationsrisiken in der Euro-Zone seien ein deutlich anderer Ton als noch vor kurzer Zeit, sagten Analysten am Freitag. "Das kam sehr plötzlich. Im einen Moment ist Europa noch eine Insel und dann sprechen sie über Risiken für das Wachstum", sagte Peter Saacke von Merrill Lynch. Neben Issing hatte sich auch EZB-Ratsmitglied Jean-Claude Trichet milder als sonst über Inflationsgefahren geäußert. Die Analysten waren sich jedoch nicht einig, ob die EZB schon in der kommenden Woche oder erst im April handeln werde, wie auch eine Reuters-Umfrage zeigte.
Wegen der spürbaren Konjunkturabkühlung in der Euro-Zone, die mittlerweile von dem starken Abschwung der US-Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, waren an den Finanzmärkten in dieser Woche Forderungen nach einer baldigen Zinssenkung laut geworden. Die Furcht vor einem weltweitem Abschwung hatte zum Einbruch der Aktienkurse beigetragen. Anders als die Notenbanken in den USA und Japan hat die EZB ihre Geldpolitik seit Herbst 2000 nicht gelockert.
Auch in der Realwirtschaft verstärken sich die Anzeichen für ein Erlahmen der Konjunktur. So revidierte die Regierung Frankreichs ihre Wachstumsprognose für das Land um 0,4 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent herunter. Zugleich sank im Februar der private Verbrauch. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der die Erwartungen der deutschen Industrie widerspiegelt, fiel im Februar auf den niedrigsten Stand seit Juli 1999. Auch die Industrieproduktion in der Euro-Zone verringerte sich im Januar unerwartet stark um 1,9 Prozent zum Vormonat.
Entscheidendes Hindernis für eine Zinssenkung waren bisher jedoch die Verbraucherpreise in der Euro-Zone, die im Februar nach wie vor deutlich über der Obergrenze von zwei Prozent gelegen hatten, die nach EZB-Definition noch als stabiles Preisniveau gilt. Die EZB-Spitze hat inzwischen jedoch mehrfach in Aussicht gestellt, dass die Jahresteuerungsraten noch in diesem Jahr unter zwei Prozent sinkt. Bestätigt wurde dies durch den Preisauftrieb in Deutschland, der sich im März spürbar verlangsamte.
Bei ihrer Geldpolitik achtet die Notenbank ohnehin stärker auf die zukünftige Inflation, da ihre Zinsentscheidungen mit deutlicher Zeitverzögerung auf die Wirtschaft wirken. "Während wir noch vor einem oder anderthalb Monaten sehr, sehr besorgt waren über die Inflation, sind wir es heute nicht mehr", sagte der französische Notenbank-Präsident Trichet am Freitag. Ebenso wie Issing wies er auf dämpfende Auswirkungen des US-Abschwungs hin. Die EZB hatte bisher - so wie zuletzt ihr Präsident Wim Duisenberg noch am Mittwoch - die Wachstumsaussichten als gut beschrieben, weil die Euro-Zone nicht mehr so exportabhängig sei. Duisenberg hatte zuletzt am 5. März wiederholt, dass die Euro-Zone 2001 mit knapp drei Prozent wachsen dürfte.
Issing äußerte sich am Donnerstagabend in Frankfurt nun deutlich besorgter. "Es ist keine Frage, dass sich das internationale Umfeld seit Ende 2000 deutlich eingetrübt hat", sagte er. Auch für den Euroraum müssten die Projektionen nach unten revidiert werden. Erreiche die Euro-Zone 2001 das Potenzialwachstum - nach EZB-Definition von 2,0 bis 2,5 Prozent -, sei dies robust. Analysten sehen darin einen Beleg, dass die EZB nicht mehr mit knapp drei Prozent Wachstum rechnet. Zugleich äußerte sich Issing zuversichtlich, dass die Inflationsrate mittelfristig wieder unter 2,0 Prozent sinken werde.
Nach mehrheitlicher Einschätzung von Volkswirten ist trotz der deutlichen Worte Issings und der schwächeren Wirtschaftsdaten in der kommenden Woche noch nicht mit einer Zinssenkung zu rechnen. Nur zehn der 50 befragten Volkswirte rechneten mit einem Zinsschritt am 29. März, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Acht sahen die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt bei 50 Prozent. 32 Volkswirte erwarteten dagegen eine Zinssenkung erst im April oder später. "Die Chance für eine Zinssenkung ist sicher gestiegen, doch mit einem Schritt am kommenden Donnerstag wäre ich vorsichtig", sagte Adolf Rosenstock von Nomura International in Frankfurt. Nach Ansicht von Rainer Sartorius von HSBC Trinkaus & Burkhardt wäre ein Wechsel in der Geldpolitik schon nächste Woche zu abrupt, denn bis vor Kurzem habe die EZB noch die Preisrisiken in den Vordergrund gestellt. "Nach Issing und Trichet haben wir unsere Meinung geändert und glauben jetzt an eine Senkung nächste Woche", sagte Saacke dagegen. Den Ausschlag dafür habe der schwache Ifo-Index gegeben. Aber auch schon im März-Monatsbericht der EZB habe diese auffällig deutlich auf die Geldmengenentwicklung hingewiesen, die derzeit schwächer wächst.hg
Quelle:Euro am Sonntag
vom 24.03.2001 , 10:00 Uhr
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in dieser Woche nach Einschätzung von Analysten begonnen, die Finanzmärkte auf eine Zinssenkung in der Euro-Zone vorzubereiten.
Die klaren Hinweise von EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing auf schlechtere Wachstumsaussichten und geringere Inflationsrisiken in der Euro-Zone seien ein deutlich anderer Ton als noch vor kurzer Zeit, sagten Analysten am Freitag. "Das kam sehr plötzlich. Im einen Moment ist Europa noch eine Insel und dann sprechen sie über Risiken für das Wachstum", sagte Peter Saacke von Merrill Lynch. Neben Issing hatte sich auch EZB-Ratsmitglied Jean-Claude Trichet milder als sonst über Inflationsgefahren geäußert. Die Analysten waren sich jedoch nicht einig, ob die EZB schon in der kommenden Woche oder erst im April handeln werde, wie auch eine Reuters-Umfrage zeigte.
Wegen der spürbaren Konjunkturabkühlung in der Euro-Zone, die mittlerweile von dem starken Abschwung der US-Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, waren an den Finanzmärkten in dieser Woche Forderungen nach einer baldigen Zinssenkung laut geworden. Die Furcht vor einem weltweitem Abschwung hatte zum Einbruch der Aktienkurse beigetragen. Anders als die Notenbanken in den USA und Japan hat die EZB ihre Geldpolitik seit Herbst 2000 nicht gelockert.
Auch in der Realwirtschaft verstärken sich die Anzeichen für ein Erlahmen der Konjunktur. So revidierte die Regierung Frankreichs ihre Wachstumsprognose für das Land um 0,4 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent herunter. Zugleich sank im Februar der private Verbrauch. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der die Erwartungen der deutschen Industrie widerspiegelt, fiel im Februar auf den niedrigsten Stand seit Juli 1999. Auch die Industrieproduktion in der Euro-Zone verringerte sich im Januar unerwartet stark um 1,9 Prozent zum Vormonat.
Entscheidendes Hindernis für eine Zinssenkung waren bisher jedoch die Verbraucherpreise in der Euro-Zone, die im Februar nach wie vor deutlich über der Obergrenze von zwei Prozent gelegen hatten, die nach EZB-Definition noch als stabiles Preisniveau gilt. Die EZB-Spitze hat inzwischen jedoch mehrfach in Aussicht gestellt, dass die Jahresteuerungsraten noch in diesem Jahr unter zwei Prozent sinkt. Bestätigt wurde dies durch den Preisauftrieb in Deutschland, der sich im März spürbar verlangsamte.
Bei ihrer Geldpolitik achtet die Notenbank ohnehin stärker auf die zukünftige Inflation, da ihre Zinsentscheidungen mit deutlicher Zeitverzögerung auf die Wirtschaft wirken. "Während wir noch vor einem oder anderthalb Monaten sehr, sehr besorgt waren über die Inflation, sind wir es heute nicht mehr", sagte der französische Notenbank-Präsident Trichet am Freitag. Ebenso wie Issing wies er auf dämpfende Auswirkungen des US-Abschwungs hin. Die EZB hatte bisher - so wie zuletzt ihr Präsident Wim Duisenberg noch am Mittwoch - die Wachstumsaussichten als gut beschrieben, weil die Euro-Zone nicht mehr so exportabhängig sei. Duisenberg hatte zuletzt am 5. März wiederholt, dass die Euro-Zone 2001 mit knapp drei Prozent wachsen dürfte.
Issing äußerte sich am Donnerstagabend in Frankfurt nun deutlich besorgter. "Es ist keine Frage, dass sich das internationale Umfeld seit Ende 2000 deutlich eingetrübt hat", sagte er. Auch für den Euroraum müssten die Projektionen nach unten revidiert werden. Erreiche die Euro-Zone 2001 das Potenzialwachstum - nach EZB-Definition von 2,0 bis 2,5 Prozent -, sei dies robust. Analysten sehen darin einen Beleg, dass die EZB nicht mehr mit knapp drei Prozent Wachstum rechnet. Zugleich äußerte sich Issing zuversichtlich, dass die Inflationsrate mittelfristig wieder unter 2,0 Prozent sinken werde.
Nach mehrheitlicher Einschätzung von Volkswirten ist trotz der deutlichen Worte Issings und der schwächeren Wirtschaftsdaten in der kommenden Woche noch nicht mit einer Zinssenkung zu rechnen. Nur zehn der 50 befragten Volkswirte rechneten mit einem Zinsschritt am 29. März, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Acht sahen die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt bei 50 Prozent. 32 Volkswirte erwarteten dagegen eine Zinssenkung erst im April oder später. "Die Chance für eine Zinssenkung ist sicher gestiegen, doch mit einem Schritt am kommenden Donnerstag wäre ich vorsichtig", sagte Adolf Rosenstock von Nomura International in Frankfurt. Nach Ansicht von Rainer Sartorius von HSBC Trinkaus & Burkhardt wäre ein Wechsel in der Geldpolitik schon nächste Woche zu abrupt, denn bis vor Kurzem habe die EZB noch die Preisrisiken in den Vordergrund gestellt. "Nach Issing und Trichet haben wir unsere Meinung geändert und glauben jetzt an eine Senkung nächste Woche", sagte Saacke dagegen. Den Ausschlag dafür habe der schwache Ifo-Index gegeben. Aber auch schon im März-Monatsbericht der EZB habe diese auffällig deutlich auf die Geldmengenentwicklung hingewiesen, die derzeit schwächer wächst.hg
Quelle:Euro am Sonntag