Zieht Enron Andersen mit in die Tiefe

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Brummer:

Zieht Enron Andersen mit in die Tiefe

 
18.01.02 13:09
Das Enron-Debakel ist zum Andersen-Skandal geworden. Die fünftgrößte Wirtschaftsprüfungsfirma versucht alles, um den drohenden Absturz zu verhindern. Doch diesmal könnte es zu spät sein.

New York - Andersen ist das, was man sturmerprobt nennt. Der Enron-Skandal ist für die Wirtschaftsprüfer aus Chicago bereits das dritte PR-Desaster innerhalb eines Jahres. Erst im Mai gab es eine außergerichtliche Einigung mit Aktionären von Sunbeam, kurz danach eine Zahlung an die Aktionäre der Firma Waste Management. Beide Male ging es um das Absegnen gefälschter Bilanzen, von Kennern auch gerne als "kreative Buchführung" verniedlicht. Beide Male flossen hinterher mehr als 100 Millionen Dollar, um die Episode vergessen zu machen.

Doch Enron ist ein größeres Kaliber: Dieser Skandal könnte Andersen einigen Beobachtern zufolge die Existenz kosten. Die Chancen stünden Fifty-Fifty, zitiert das "Wall Street Journal" Ramon Weil, BWL-Professor an der Universität von Chicago. Die Vorwürfe sind diesmal gravierender: Zur Duldung der Bilanzfälschung kommt noch die Vernichtung von Dokumenten. Sollte sich der Verdacht kriminellen Handelns bestätigen, kämen auf Andersen erneut Millionenzahlungen zu, diesmal jedoch ungleich höhere.

Enron kappt die Andersen-Drähte

Diesmal hat der Kunde, selbst eine Skandalfirma, auch noch einmal nachgetreten: Am Donnerstag abend beschloss die Enron-Spitze, ihre Verbindungen zu Andersen mit sofortiger Wirkung zu beenden: "Wir können es uns im Lichte der zerstörten Dokumente und Disziplinarverfahren gegen Anderson-Mitarbeiter nicht leisten, länger zu warten", sagte Enron-Chef Lay zur Begründung.

Mark Cheffers von der Beraterfirma AccountingMalpractice.com schätzt, dass die Forderungen jeden Branchenrekord brechen werden. Die Summe dürfte auch Andersens Versicherungs-Reserven, von Cheffers auf 300 Millionen Dollar geschätzt, sprengen. Auch die Börsenaufsicht SEC würde dem Unternehmen wahrscheinlich eine Rekordstrafe und eventuell weitere Sanktionen aufbrummen. Es wäre das zweite Mal: Im Fall von Waste Management hatte die SEC Andersen bereits zu der damaligen Rekordzahlung von sieben Millionen Dollar verdonnert.

Um aus diesem Prozess nicht vollends marginalisiert hervorzukommen, sucht die 85.000-Mitarbeiter-Firma nach Aussage ehemaliger Partner die Fusion mit einem der großen Rivalen. Die Branche, von Medien und Mandanten gern als Hakelmacher abgewertet, ist bereits seit längerem in einer Phase der Konsolidierung - ganz ausgeschlossen ist dieses Szenario daher nicht. Das Problem: Keiner der restlichen Big Five (PricewaterhouseCoopers, Ernst and Young, KPMG, Deloitte and Touche) will sich die Probleme von Andersen aufhalsen. Stattdessen warten sie lieber mit offenen Armen auf die Andersen-Mandanten, von denen mit Sicherheit einige abspringen werden.

Wenn Andersen keinen Fusionspartner findet, steht die 1913 gegründete Firma vor einer schwierigen Zukunft. In einer Branche, in der Vertrauen alles ist, wird Andersen auf absehbare Zeit das schwarze Schaf sein, sagen Image-Experten. Die ersten Mandanten haben sich bereits distanziert, darunter die Stadtverwaltungen von Seattle und Chicago. Andersen-Mitarbeiter klagen anonym gegenüber US-Medien, dass sie große Probleme haben, neue Mandanten zu akquirieren.

Und Andersen scheint in diesen Tagen keine Schmach erspart zu bleiben. Die vorerst größte Demütigung kam am Donnerstag, als Enron seinen Wirtschaftsprüfer offiziell feuerte. Die Begründung: Vertrauensverlust. "Wir sind sehr besorgt über die Beratung, die wir bekommen haben", sagte der Anwalt der Bankrottfirma, Robert Bennett. In den Ohren von Andersen-Mitarbeitern muss das wie Hohn geklungen haben.

DarkKnight:

"Da kommt nicht einmal mehr Schadenfreude auf"

 
18.01.02 14:10
... inzwischen geflügeltes Wort in der Branche.

Das Ding war so dreist und einmalig, daß alle fassungslos sind. Selbst wenn es zu keinem gerichtlichen Schadenersatz kommt und zu einer außergerichtlichen Einigung, die in die Milliarden gehen könnte: das ist das Ende von Andersen. Kein Versicherer wird sie künftig mehr haben wollen, damit können sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Und was die Kunden angeht: es wird sich jeder überlegen, ob er die nochmal bestellt, wenn das Risiko besteht, daß sie sich mitten in einer Prüfung auflösen.

Große Skandale fordern große Opfer, altes amerikanisches Gesetz. Der größte Skandal der 80er, die Pleite der Savings and Loan Banks, hat auf den Big 6 die Big 5 gemacht. Andersen ist jetzt einfach fällig.

Erstaunlich nur, daß ein einziger Partner komplett eine renommierte Firma ruinieren kann (wo sie doch den risikoorientierten Prüfungsansatz predigen) ... erinnert irgenwie an Nick Leeson und Barings Bank.
Dr.UdoBroem.:

Durch die Enronpleite ist auch US-GAAP ins Gerede

 
18.01.02 14:19
gekommen. (aus der ftd von gestern)

Die Mär von den besten Bilanzierungsregeln der Welt

            von Daniel Bögler

            17.01.2002

            In Europawären einige Enron-Tricks nicht möglich gewesen

            Die Mär von den besten Bilanzierungsregeln der WeltWir sind die Nummer eins“ ist eine
            Parole, die sich die Europäer recht oft von ihren Freunden auf der anderen Seite des
            Atlantiks anhören müssen. Das gilt auch für das eher esoterische Thema
            derBilanzierungsregeln. Seit Jahrzehnten erklären uns die Amerikaner, dass ihr
            Bilanzierungssystem, das so genannte US-GAAP, das beste der Welt sei. Auf diesem Ruf
            basiert auch ein großer Teil des Erfolgs der US-Kapitalmärkte: Verlässliche Standards sind
            gut für Anleger, fördern die Liquidität und erhöhen die Attraktivität der US-Börsen, gerade für
            internationale Firmen.

            Das Enron-Debakel hat nun diese Illusion zerstört. Die Pleite des Energieunternehmens
            legt lange bestehende Schwächen der amerikanischen Regeln offen – und das gerade jetzt,
            da das Londoner International Accounting Standards Board (IASB) sich verstärkt darum

            bemüht, globale Bilanzierungsregeln einzuführen.

            Unter diesen, von den Amerikanern verpönten Regeln, wären einige Tricks von Enron nicht
            möglich gewesen.

            Dies gilt insbesondere für die Frage, wann Unternehmen die Ergebnisse von
            Tochtergesellschaften oder Beteiligungen in der eigenen Bilanz konsolidieren müssen.
            Unter US-GAAP ist die Konsolidierung grundsätzlich nur notwendig, wenn die
            Muttergesellschaft die Mehrheit der Anteile an einerTochter hält. Dies hat sich Enron bei der
            Gründung zahlreicherNebenfirmen zu Nutze gemacht. Der Energiekonzern hat jeweils große
            Teile seiner Töchter an Fremdeigner übertragen, um seine Schulden zu verstecken, die
            eigene Bilanz zu schönen und den Börsenwert weiter in die Höhe zu treiben.

            Nach IAS-Regeln gilt dagegen: Wenn man ein Unternehmen kontrolliert, muss man es auch
            konsolidieren. Enrons Nebenfirmen, die teilweise von Managern des Energiekonzerns
            geleitet wurden und durch „Put-Optionen“ ihre Schulden wieder an den Mutterkonzern
            abführen konnten, hätten damit von Anfang an in der Konzernbilanz auftauchen müssen.

            Ein weiterer Unterschied besteht bei der Ermittlung des Umsatzes. Enron hat sich damit
            gebrüstet, eine „100-Mrd.-$-Firma“ zu sein. Ein großer Teil davon stammteallerdings aus
            Bruttoeinnahmen aus dem Energiehandel, und nicht aus Nettoprovisionen, die Enron als
            Broker daraus erwirtschaftet hat.

            Natürlich waren sich die Enron-Chefs der Tatsache bewusst, dass sich viele Anleger von
            dieser Zahl beeindruckt zeigen und sie als Zeichen der Solidität des Unternehmens werten
            würden. Unter IAS-Regeln hätte der Konzern aus Houston dagegen nur seine Provisionen
            als Umsatz melden dürfen.

            Enrons Einbruch wird jetztvoraussichtlich eine Reformwelle in New York und Washington
            auslösen. Präsident Bush hat eine Überarbeitung der Offenlegungsregeln angekündigt.
            Sowohl die US-Börsenaufsicht SEC als auch die FASB, das amerikanische Äquivalent zur
            IASB, wollen nun Lehren aus dem Enron-Fall ziehen. Aber gerade hier liegt das Problem:
            Das amerikanische Bilanzierungssystem ist komplex und extrem detailliert, das
            europäischeGegenstück beruhtdagegen auf generellen Prinzipien.

            So wurden amerikanische Unternehmen und ihre Wirtschaftsprüfer geradezu eingeladen,
            den Wortlaut der Regeln zu beachten, deren Zweck aber zuunterlaufen. Dies hat Enron
            eindrucksvoll vorgemacht.

            Hinzu kommt, das sich SEC und FASB regelmäßig um ihre Kompetenzen streiten. Dies
            stiftet zusätzliche Verwirrung und verzögert jegliche Änderung der Regeln. So arbeitet das
            FASB schon seit fünf Jahren an einem neuen Konzept zur Konsolidierung von
            Tochtergesellschaften – bisher ohne Ergebnis.

            Natürlich heißt all das nicht, dass US-GAAP zu nichts mehr taugt. Aber die jetzt offensichtlich
            gewordenen Mängel müssten die Bereitschaft der Amerikaner wecken, von den Europäern
            zu lernen. Wenn daraus ein Kompromiss entstünde, der zu einem wirklich guten globalen
            Bilanzierungssystem führt, hätte die Enron-Pleite am Ende vielleicht doch noch ihr Gutes.

Gruß Dr. Broemme
                                                                         
DarkKnight:

Na, wer sagt's denn? Die Wahrheit kommt immer

 
19.01.02 15:18
schneller ans Licht. Auch mit dem WTC rechen ich ín den nächsten 12 Monaten mit "Breaking News" ...


Quelle: n-tv

Insiderverdacht bei Enron  


Die Enron-Affäre zieht immer größere Kreise. Nun soll Konzern-Chef Kenneth Lay Insidergeschäfte mit Aktien des bankrotten Energieriesen getätigt haben.

Wie die "New York Times" in ihrer Online-Ausgabe berichtete, hatte Lay Enron-Aktien verkauft, nachdem er von den Bilanzierungsproblemen erfahren hatte. Dies gehe aus dem Brief einer Enron-Angestellten hervor, den ein Untersuchungsausschuss des US-Parlaments am Donnerstag der Öffentlichkeit vorlegte.

Unterdessen teilte Enron mit, sich bereits am Vortag von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen getrennt zu haben. Enron könne es sich angesichts der momentanen Situation nicht leisten, auf das Ende der Untersuchungen zu warten, teilte Unternehmenschef Lay mit. Enron werde sofort mit der Suche nach einer anderen Prüfungsgesellschaft beginnen.

Andersen hätte bereits vor knapp einen Jahr Zweifel an der Bilanzierungspraxis von Enron gehabt, aber nichts unternommen, bemängelte Enron-Anwalt Robert Bennett. Am Donnerstag hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingeräumt, bereits im August 2001 Hinweise auf die Probleme des mittlerweile bankrotten US-Energiehändlers erhalten zu haben.

Andersen hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass Mitarbeiter im Enron-Fall Dokumente vernichtet hatten. Der für die Prüfung der Enron-Bücher zuständige David Duncan wurde entlassen. Zudem wurden drei weitere mit dem Fall betraute Partner beurlaubt.

Für Andersen könnten nach Einschätzung von Branchen-Experten Klagen im Zusammenhang mit Enron den Ruin bedeuten. Es sei unwahrscheinlich, dass Versicherungen mögliche Schadensersatzzahlungen übernähmen, hieß es.

Die größte Pleite der US-Unternehmensgeschichte hatte zuletzt Kreise bis in die US-Regierung von Präsident George W. Bush gezogen. Regierungsangaben zufolge waren zwei Minister und ein Staatssekretär vor dem Kollaps des Unternehmens gewarnt worden. Enron-Chairman Lay hatte den Wahlkampf Bushs großzügig unterstützt.

Enron hatte Anfang Dezember 2001 Gläubigerschutz nach dem US-Konkursgesetz beantragt. Rückwirkend musste Enron Bilanzen korrigieren, weil Verluste aus Partnerschaften nicht berücksichtigt worden waren. Vor seinem Zusammenbruch galt Enron als einer der erfolgreichsten Energie-Handelskonzerne der Welt.

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