Zeit für "Substanzwerte"

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Bronco:

Zeit für "Substanzwerte"

3
05.01.01 10:22
- Nur was ist das, ein "Substanzwert" ?
Mir ist in der letzten Zeit aufgefallen, daß dieser Begriff gerne verwendet wird, um ein Papier als "gut" darzustellen und andere als Müll. Nun, jeder, der eine Aktie kauft, tut dies aus Überzeugung - damit wird der Begriff "Substanzwert" als Unterscheidungsmerkmal substanzlos.

Wollen wir also ein Unterscheidungsmerkmal definieren zwischen Aktien, bei denen wir davon ausgehen, daß die "Substanz" erhalten bleibt und nur die Geschwindigkeit des Wachstums variiert, und solchen, bei denen das Risiko besteht, daß Substanz verzehrt wird, diesem Risiko aber ein gewaltiges Wachstumspotenzial gegenübersteht, so sollten wir uns über Kennzahlen Gedanken machen, an denen wir das ablesen können.

Ich versuchs mal:

Wenn ich eine "sichere" Geldanlage suche, dann halte ich mich am besten an Anleihen. Diese liefern eine bestimmte Rendite ab. Damit ist der vorsichtige Anleger zufrieden - dafür will er ruhig schlafen. Investiert er stattdessen in ein Unternehmen (da meine ich nicht nur Aktien, sondern z.B. auch die Entscheidung selbst unternehmerisch aktiv zu werden), so tut er dies offensichtlich in der Erwartung, mehr rauszuholen als bei der Anleihe. Die Rendite der eingesetzten eigenen Kohle sollte also MINDESTENS in der gleichen Größenordnung liegen wie bei der Anleihe. Hat unser Unternehmer nun noch mehr Zuversicht, so nimmt er auch noch Fremdkapital auf, in der Hoffnung, damit mehr zu verdienen als er dafür an Zinsen berappen muß. Um wieviel mehr ? - Orientieren wir uns an den Banken: Die verkaufen uns Sparbriefe (nehmen Fremdkapital auf) und leihen die Kohle aus. Zwischen Sollzins und Habenzins gibt es eine satte Differenz (ca. 2%), an denen die Bank verdient und ihr Kreditausfallsrisiko bewältigt. Unser Unternehmer tut also gut daran, sich an den Banken zu orientieren (die haben da Erfahrung), und von seinem Fremdkapitaleinsatz eine mindestens gleiche Rendite zu erwarten, ansonsten die Finger davon zu lassen.
Betrachten wir nun eine virtuelle Sparschwein AG mit 40% Eigenkapital, so erwarten wir auf das Eigenkapital derzeit eine Rendite von mindestens 5%, vom Fremdkapital mindestens 2%, also gesamte Rendite bezogen auf das Eigenkapital = Eigenkapitalrendite von mindestens 8%. Dann stimmt auch der Fremdkapitalhebel.
Weiter sollte es ein Eigenkapitalminimum geben. Da halten wir uns wieder an die Banken: Sollzins ist teuerer als Habenzins. Vorsichtigerweise gehen wir davon aus, daß die Gesamtkapitalrendite des zu kreditierenden Unternehmns in der Höhe des Habenzins liegen wird. Es braucht also zusätzlich zum Kredit eine gewisse Eigenkapitaldecke um von dessen Habenzins die Differenz des teuereren Sollzinses auf den Kredit bezahlen zu können, sonst gerät es, wenn die Planungen nicht ganz aufgehen, leicht in die Verschuldungskette.
Derzeit sollten wir von einer Eigenkapitaldecke von min. 30% unseres Unternehmens ausgehen.
Unser Unternehmen besitzt auch Finanzanlagen. Diese sollten nach Möglichkeit durch Eigenkapital gedeckt sein, da wir kein Unternehmen kaufen wollen, das unser Geld als Sicherheit nimmt, um damit auf Pump zu zocken. Halten wir uns wieder an unsere Bank: Diese erteilt Wertpapierkredit nur für 60% der Geldanlagen. Also: wir ziehen vom Ek. unseres Unternehmens 40% des Finanzanlagenvolumens ab, ebenso vom Gesamtkapital, und berechnen den verbleibenden Ek.-Anteil am verbleibenden Gesamtvermögen - dieser sollte über 30% liegen. (Für Banken geht das so nicht, weil hier weitere Absicherungsinstrumente existieren, die diesen zusätzlichen Sicherheitsschritt m.E. unnötig machen)

Mit obigen Merkmalen denke ich, liegt man bezüglich des Risikos eines Substanzverlustes schon mal auf der richtigen Seite.

Unternehmen, die obige Merkmale erfüllen, gehören normalerweise zur eher "langweiligen" Sparte, d.h. sie sitzen schon mit festem Anteil im Markt und erwirtschaften dort laufende Gewinne. Davon will ich als Aktionär dann aber auch was sehen. Ich erwarte also, daß es sowas altmodisches gibt wie Dividende. Wenn die Ek.-Renditen genau da liegen, wo ich oben die Minima definiert habe, so sollte das Unternahmen davon nur soviel einbehalten, wie für das Mitwachsen im Markt (konstanter Marktanteil) erforderlich ist. Nur wenn die Ek.-Rendite über den oben genannten Größen liegt, macht es Sinn, einen größeren Anteil einzubehalten, um den Marktanteil zu vergrößern. Wichtig ist in jedem Fall, daß die Ertragsdynamik des Unternehmens mit dem einbehaltenen Anteil der Gewinne mithalten kann (sonst wird nur Kohle verschürt. Wachstum um jeden Preis ist Blödsinn).

Obige Kriterien taugen NICHT als Bewertungsmaßstab, ob ein Investment nun lukrativ ist oder nicht. Es geht hier lediglich um die Risiko-Frage. Obiger Zustand läßt sich offensichtlich über Jahrzehnte aufrechterhalten, ein davon abweichender nicht. Der abweichende Zustand muß zu Gewinnzuwächsen führen, die deutlich oberhalb der Ek.-Rendite liegen, um über einen begrenzten Zeitraum zum Erreichen obiger Kriterien zu führen. Sowohl bei Neulingen, als auch bei Wachstumswerten als auch bei gefallenen Engeln ist also sehr streng auf den Zeitplan zu achten, innerhalb dessen bestimmte Zielgrößen erreicht werden sollen - und es ist gnadenlos abzustrafen, wenn diese nicht erreicht werden, weil das Unternehmen sich sonst als Cashburner entpuppen könnte.
DarkKnight:

Was ist an folgendem Dreisatz falsch?

 
05.01.01 11:54

Eine Katze hat einen Schwanz.

Eine Katze hat genau einen Schwanz mehr als keine Katze.

Ergo hat jede Katze genau zwei Schwänze.


Ganz einfach, hier werden Arithmetik und Linguistik verwoben, obwohl beides nichts miteinander zu tun hat.

Genauso verhält es sich mit der Relation Eigenkapital/Risikostruktur: Infomatec war z. B. bis Mitte des Jahres ein "Substanzwert" mit ahnsehnlicher EK-Quote. Hätten sie weniger EK gehabt, wären die Notwendigkeiten/Rechtsfolgen aus dem Verzehr des EK durch Verluste früher eingetreten, Schadensbegrenzung wäre möglich gewesen.

Es ist m. E. ein Illusion zu glauben, daß EK die urspr. Anteilseigner- und Gläubigerschutzfunktion noch haben kann, die Möglichkeiten der Aushöhlung sind zahllos. Wenn die Krise bemerkt wird, ist eh schon alles weg (siehe Holzmann). Ich bevorzuge die Null EK Quote. Gerade die Fehleinschätzungen von Banken und Analysten beruhen ja gerade auf überholten Vorstellungen von angemessenen EK Quoten.
patznjeschniki:

Sowas logisches hab ich auch!

 
05.01.01 12:21
Alle Deutschen haben einen Kopf.

Eskimos sind keine Deutschen.

Folglich haben Eskimos keinen Kopf.


Oder noch einen "Beweis":

Im Käse sind Löcher.
Um so mehr Käse, um so mehr Löcher.
Um so mehr Löcher, um so weniger Käse.

Also wäre bewiesen:
Um so mehr Käse, um so weniger Käse.  d;-7


Patznjeschniki
Bronco:

@Darky: EK alleine ist es nicht, da stimme ich Dir

 
05.01.01 12:57
zu. Daher habe ich oben nebst der Existenz von EK noch weitere Kriterien formuliert. - Die hat Infomatec zu keinem Zeitpunkt erfüllt (wo war die EK-Rendite ?). Sie waren ein typisches Beispiel für einen "Wachstumswert", bei dem man mit Argusaugen beobachten mußte, ob sie ihre Zielvorgaben in den vorgesehenen Zeitplänen einhalten würden. Sie haben sich als Cashburner herausgestellt.

Nochmals zur Verdeutlichung: Die obigen Kriterien sind NICHT geeignet, um die Frage lukrativ oder nicht lukrativ zu beantworten. Es geht darum, wie hoch das Risiko ist, die Substanz zu verlieren.

Auch heute noch spricht die Statistik eine klare Sprache. Natürlich kann man Zahlen manipulieren und jeder ist gehalten, hinter die Bilanzen zu gucken, ob das was da präsentiert wird auch stimmt oder glaubhaft ist. Allerdings ist es selbst unter Einbeziehung solcher schwarzer Schafe immer noch so, daß Unternehmen mit zu geringer EK-Decke deutlich häufiger in der Überschuldungsfalle landen als die anderen - was wie gesagt einfach auch logische Gründe hat: Es gibt noch Reserven, wenn die Rechnung nicht so doll aufgeht.
DarkKnight:

Grds. geb ich Dir Recht, Bronco, aber letzteres

 
05.01.01 13:01
war genau mein Ansatzpunkt: die Realität zeigt, daß man aus EK Quoten eben nicht auf Reserven schließen kann. Stille Reserven sind wie Charme: sobald man sich darauf verläßt, sind sie nicht mehr da.
Bronco:

Nochmal reingestellt für Rocky:

 
09.02.01 08:21
Bei den "Substanzwerten" beginnt mein "Value-Ansatz". Eine allgemein und alleingültige Definition gibt es für den Begriff leider nicht, aber sinngemäß gehen die konservativen "Value-Strategen" in eine ähnliche Richtung.

Bei der Bewertung der Aktien (Kurs) wende ich folgende Kriterien an:
1.) Die Kennzahl KBV^0.5/KGV sollte möglichst hoch sein (geom. Mittelwert aus Buchwertrendite und Kursrendite, entspricht einer Performance-Erwartung).
2.) Das KBV sollte nicht über 2 liegen. Um sonst bei obiger Kennzahl zu vernünftigen Größenordnungen zu kommen bräuchte das Unternehmen eine verdammt hohe Ek.-Rendite, die sich so aber nicht über Jahre und Jahrzehnte aufrechterhalten läßt. Für ein Unternehmen mit ca. 30% Eigenkapital an der Bilanzsumme entspräche eine Ek.-Rendite von 12% ungefähr der Größenordnung, die entsteht, wenn das Kapital in einer Höhe rentiert, die dem Bankensollzins entspricht, während das Fremdkapital an den Kapital- und Finanzmärkten zum Umlaufzins beschaft werden kann. Diese Größenordnung läßt sich aufgrund der Unvollkommenheit des Kapitalmarktes (nicht jeder kann sich dort Kapital beschaffen) über einen sehr langen Zeitraum aufrechterhalten und ist etwas mehr als doppelt so hoch wie der Umlaufzins (alles Daumenwerte), daher KBV 2. Ist die Ek.-Rendite eines Unternehmens deutlich höher, so ruft das naturgemäß Konkurrenz auf den Plan, so daß die Freude i.d.R. nur wenige Jahre anhält. Von daher wird es schwierig deutlich höhere KBVs im Lauf der Zeit durch Ek.-Wachstum und ohne Kursrutsch zu kompensieren (hohes Rückschlagpotenzial).
3.) Zu den obigen Punkten kommen nun die Betrachtung des Marktumfeldes, der Branchenvergleich etc. (nicht kennzeichnend für den "Value-Ansatz", weil das auch für die meisten anderen Strategien mit Ausnahme rein technischer Ansätze typisch ist).

P.S.: In meinem pers. Depot befinden sich nicht nur "Substanzwerte" gemäß obiger Definition, aber den Anteil anderer Werte halte ich klein, um das Risiko in einem für mich erträglichen Rahmen zu halten.
tetsuo:

Logik und Implikation

 
09.02.01 10:23
Gilt A implies B und B implies C, so gilt a implies C (Transitivität)

Gilt A implies B, so ist dies äquivalent zu (not A or B).
d.h. gilt A nicht, so ist die Implikation schlechthin erfüllt,
und zwar völlig unabhängig vom Wert von B, d.h. B ist komplett egal!
Dies ist einer der Fehler, die in den obigen Beispielen benutzt werden!

Ausserdem: gilt B nicht, so kann notwendigerweise A nicht gelten,
damit not A or B erfüllt bleibt!

Hingegen gilt A -> B ist äquivalent zu not B -> not A, siehe Umformung
gemäss (not(notB)) or not A.

Werden wie im Eskimobeispiel auch noch Quantoren wie 'für alle'
und 'es exitiert' benutzt, so sind die Regeln noch etwas komplexer!.

Da wir keine Logikmaschinen sind, und
umgangsprachliche Konstrukte wie 'und'  'oder' nicht dieselbe Semantik haben wie die mathematischen Konstrukte, so unterliegen in der Regel
linguistische Argumentation  nicht der mathematischen Logik.

:) Tetsuo
Bronco:

Laß mich raten:

 
09.02.01 10:29
Informatiker mit Nebenfach Mathe oder umgekehrt.
metaman:

@Bronco

 
09.02.01 10:37
dafür reicht schon ein durchschnittliches Grundstudium an einer beliebigen Hochschule in BWL oder VWL
das Zentrum d.:

mit einem Zitat wieder hoch

 
09.02.01 11:55
Wenn Sie einen Schweizer Bankier aus dem Fenster springen sehen, springen Sie hinterher. Es gibt bestimmt etwas zu verdienen.

Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet (1694 - 1778), französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller
DarkKnight:

@alle hier: wer kennt Gödel's Theorem?

 
09.02.01 11:59
Nicht, daß ich Zeit verschwende für Gemeinplätze, hehe
major:

@bronco : va 30, 31 beeindruckend .. o.T.

 
09.02.01 12:08
Bronco:

@Darky: War das nicht das mit der Frage, warum

 
09.02.01 12:09
Naturwissenschaftler und Techniker niemals so viel verdienen können wie Kaufleute u.ä. ?

@DZdM: Das kannte ich noch nicht - ist aber saugut. Tja, es hat sich nichts geändert seitdem. Da gibt es noch einen, bezieht sich auf einen noch längeren Zeitraum: "Vor 2000 Jahren gabs mal nen Typen, der konnte aus Wasser Wein machen - das Geschäft läuft immer noch !" - Paßt vielleicht ganz gut zur aktuellen Verbraucherschutz- und Lebensmitteldiskussion.
Was hältst Du von Bien-Haus und von BBS (bin doch neugierig) ? - Habe heute mal die Fundamentals hier reingestellt.
das Zentrum d.:

@ Bronco

 
09.02.01 12:16
Ich muß zuerst mal meinen PC zu Hause zum Leben erwecken, werde mich dann dazu melden. Vielleicht klappt es noch dieses Wochenende. Bin jetzt auch weg(fahre nach Hause)

Bis dann erst mal
Gruß dZdM
das Zentrum d.:

@Bronco, dann wollen wir mal

 
11.02.01 11:47
Bien Haus:
Gesamtkapitalrendite ist zu gering. Sie liegt unter den Kapitalmarktzinsen!
Der dynamische Verschuldungsgrad ist sehr hoch.
Weiterhin fehlt mir der Glaube an einem inneren Wachstum für die nächsten 5 Jahre. Einzig die sehr hohe Dividendenrendite ist interessant. Von Marktführerschaft oder erkennbaren Anstrengungen dorthin ist auch nichts zu erkennen. Für mich ist die Aktie nichts. Vielleicht wartet sie mit Kursgewinnen auf wegen der günstigen Bewertung, aber da ist mir zuviel vielleicht und wenn und aber drin.

BBS VZ:
Gesamtkapitalrendite ist sehr gut und die Eigenkapitalrendite auch, aber es sind Vorzüge. Ich mag mehr die Stämme. Der dynamische Verschuldungsgrad ist auch sehr hoch. KBV 2. Ist vielleicht durch Wachstum gerechtfertigt. So richtig Fingerjucken bekomme ich aber nicht bei der Aktie. Da warte ich lieber auf andere.

So das war meine unwichtige Meinung zu diesen Aktien, die zweifelsfrei auch viele gute Argumente für ein Investment bieten. Ich habe mich mal auf die beschränkt, die mich von einem Investment abhalten.

Gruß dZdM
mod:

up, da lesenswert o.T.

 
18.04.01 07:47
Bronco:

Angesichts der derzeitigen Entwicklung sollte man

 
05.06.02 00:27
vielleicht doch mal wieder über die Fundamentals nachdenken.
Es gibt keine neuen Beiträge.


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