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24.03.00 12:34
Seit ihrem Börsengang gehört die Deutsche Telekom zu einem der Lieblinge unter den Dax-Werten. Erst vor kurzem überschritt die Aktie zum ersten Mal die 100 Euro-Marke. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt mittlerweile mehr als 100. Darf man der Börse Glauben schenken, müsste die Telekom vor Kraft nur so strotzen und blendende Zahlen vorlegen. Aber wie sieht die Realität aus?

Die Telekom verliert seit der Liberalisierung des Telefonmarktes ständig Marktanteile in ihrem Hauptgeschäft, der Festnetztelefonie, und von einem „Global Player“ kann bisher nicht die Rede sein. Außerdem muss sich das Unternehmen weiterhin mit den Wehen seiner Vergangenheit als Beamtenapparat auseinandersetzen. Not very sexy!

Festnetztelefonie

Der Verlust von Marktanteilen im Festnetz war im ersten Jahr nach der Liberalisierung in etwa doppelt so hoch wie bei vergleichbaren anderen europäischen Ex-Telekom-Monopolisten. Konzern-Chef Ron Sommer drückte diesen Sachverhalt im Geschäftsbericht des Jahres 1998 etwas schöner aus: Der deutsche Telekommunikationsmarkt zähle „weltweit zu den liberalsten überhaupt“. „Nirgendwo sonst in der Welt hat sich der Wettbewerb so rasch entwickelt“. Das ist die Verklausulierung für harten Wettbewerb.

Auch im Jahr zwei nach der Liberalisierung setzten sich die Umsatzverluste im Festnetzbereich fort. Die Telekom AG musste mit den Telefonpreisen nach unten gehen, um nicht noch weitere Marktanteile an Mannesmann, Mobilcom, Teldafax & Co zu verlieren.

Zahlen in Millionen Euro Umsatz Festnetztelefonie Gesamtumsatz Konzernüberschuss
In den ersten drei Quartalen 1998 15 453 25 992 1 554
In den ersten drei Quartalen 1999 12 522 25 576 1 252
Veränderung§- 19 Prozent - 2 Prozent - 19 Prozent

Die verringerten Umsätze wirken sich auch negativ auf das Konzernergebnis aus. Insbesondere deswegen, weil der Bereich Festnetztelefonie knapp die Hälfte des gesamten Telekom-Umsatzes erbringt. Der Konzernüberschuss brach in den ersten drei Quartalen des Jahres 1999 verglichen mit der entsprechenden Vorjahresperiode um 19  Prozent ein. Nicht gerade optimale Voraussetzungen für einen Börsenliebling.

Global Player?

Bevorzugt ziert sich Vorstandschef Sommer mit der Aura des „Global Players“. Gerne parliert er über den Weg zum „Global Market Leader“. Die Realität spricht jedoch andere Worte. Sommer scheiterte mit seinem Versuch, die Telecom Italia zu schlucken, und zerschlug mit seinem erfolglosen Unterfangen auch noch das Band mit dem verärgertem Bündnispartner France Telecom. Als Folge zerbrach das Joint Venture „Global One“, bei dem neben France Telecom das amerikanische Unternehmen Sprint mit im Boot saß. Innerhalb kürzester Zeit hatte Sommer sein internationales Bündnissystem zertrampelt. In der Folgezeit blieb ihm nur noch übrig, die Scherben aufzuklauben und das Beste daraus zu machen.

Auch die Kontakte zur Telefonica in Spanien scheinen im Sand verlaufen zu sein. Jüngst schlug Sommer mit einer – zumindest laut Presseberichten – avisierten Übernahme des amerikanischen Unternehmens Qwest fehl.

Was kann Sommer auf seiner Erfolgsseite auf dem Weg zum „Global Player“ verbuchen? Zum einen den Erwerb des britischen Mobilfunkanbieters One2One und des österreichischen max.mobil, zum anderen einige osteuropäische Beteiligungen. Insgesamt reicht das aber allenfalls zum Prädikat „European Player“ mit Aktionsschwerpunkt Deutschland.

Die Widrigkeiten des Beamtenapparats

Ron Sommer muss zudem immer noch mit den Widrigkeiten des ehemaligen Beamtenapparats kämpfen. Wer kennt es nicht, bei einer Stelle der Telekom in der Telefon-Warteschleife zu hängen und von einem Nicht-Zuständigen zum nächsten Unzuständigem verbunden zu werden. Dem Ex-Monopolisten  ist aber auf jeden Fall zugute zu halten, den Umsatz je Mitarbeiter von 271 000 (1995) auf 362 000 (1998) Mark gesteigert zu haben. Die Anzahl von etwa 79 000 Beamten (1999), aus der Zeit als die Telekom noch in öffentlich-rechtlicher Rechtsform fungierte, lässt jedoch erahnen, wie lange die verkrusteten Strukturen – zumindest zum Teil – noch vorhanden sein dürften.

Was also macht die Deutsche Telekom AG so sexy?

Wohl eher Manfred Krug und Robert T-Online als Ron Sommer. Die Telekom verfügt über einen ausgezeichneten Marketing-Apparat. Beim Börsengang gelang es dem Unternehmen, in Deutschland Samen für eine aufkeimende Aktienkultur zu pflanzen. Mit mehr als zwei Millionen Aktionären verfügt die Telekom über eine sehr breite und treue Aktionärsbasis.

Auch auf der materiellen Habenseite verbucht die Telekom einige Pluspunkte. Mit dem Glasfasernetz und einer rapide zunehmenden Anzahl von ISDN-Anschlüssen nennt das Unternehmen eine sehr gute Infrastruktur sein Eigen.
Zudem befinden sich mit T-Online und T-Mobil zwei erfolgreiche Wachstumssegmente im Portfolio der Telekom.

T-Online

Die Anzahl der T-Online-Kunden vervielfachte sich von 500 000 im Jahr 1993 auf mittlerweile mehr als vier Millionen. Die Telekom ist damit gemessen an der Kundenzahl Internet-Provider Nummer eins in Deutschland. Zudem erreicht die Homepage www.t-online.de (Stand: Anfang 2000) deutschlandweit die meisten Punkte auf der Beliebtheitsskala (gemessen an den Page-Impressions).
Mit dem Erwerb eines französischen Internet-Providers gab T-Online den Startschuss für den angepeilten Weg zum führenden gesamteuropäischen Internet-Dienstleister.

T-Mobil

Im Mobilfunk-Bereich liefert sich die Telekom mit ihrem D1-Netz ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Vodafone (D2-Netz). In den ersten drei Quartalen des Jahres 1999 stieg die Zahl der D1-Kunden um 2,2 Millionen, ein Plus von knapp 23 Prozent.

In diesem Jahr sollen beide Tochtergesellschaften an die Börse gebracht werden. Die Telekom will aus strategischen Gründen die Mehrheit behalten, sich aber gleichzeitig die hohe Bewertung dieser Sparten zunutze machen. Die dadurch in die Kassen gespülte „Internet-Währung“ und „Mobilfunkwährung“ (Sommer) sollen dem Unternehmen dabei helfen, weitere Aquisitionen im internationalen Bereich zu tätigen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Konzern bei den künftig angepeilten Übernahmeversuchen ein glücklicheres Händchen beweist.

Ein zweischneidiges Schwert

Ein Investment in die Aktien der Telekom ist ein zweischneidiges Schwert. Die Telekom AG besetzt zwar einige der künftigen Wachstumsmärkte (Telekommunikation, Internet, Mobilfunk). Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 100 richtet die Börse jedoch schon sehr hohe Erwartungen an das Unternehmen.

Modellrechnungen

Im internationalen Durchschnitt verzeichnen Telekommunikationsunternehmen derzeit ein KGV von etwa 30. Angenommen die Deutsche Telekom würde sich innerhalb von zehn Jahren auf dasselbe Niveau bewegen. Ist die Telekom dann mit ihrer momentanen Marktkapitalisierung von rund 250 Milliarden Euro überbewertet?

Im folgenden spiele ich drei Szenarien durch, bei denen der Gewinn der Telekom mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten wächst: Mit fünf, zehn und zwanzig Prozent.

Szenario 1: Wenn der Gewinn der Telekom im Jahresdurchschnitt um fünf Prozent wächst, liegt er in zehn Jahren um 63 Prozent über dem heutigen Wert. Angenommen das Kurs-Gewinn-Verhältnis würde sich im selben Zeitraum von 100 auf 30 (30 Prozent des Ursprungsniveaus) bewegen. Welche Folgen hätte das für die Kursentwicklung, die wichtigster Bestandteil der Rendite ist?

Zwischenrechnung: Das derzeitige KGV beträgt etwa 100 und ist der Quotient aus dem Kurs und Gewinn.

KGVheute= Kursheute  dividiert durch Gewinnheute = 100
Foglich: Kurs = KGVheute *  Gewinnheute = 100 * Gewinnheute

Das KGV ist zehn Jahren entspricht dem dann aktuellen Kurswert dividiert durch den Gewinn in zehn Jahren.

KGVneu= Kursneu  dividiert durch Gewinnneu
Folglich: Kursneu = KGVneu * Gewinnneu


In der ersten Modellrechnung steigt der Gewinn innerhalb von zehn Jahren um 63 Prozent und beträgt folglich 163 Prozent des Ursprungswertes.

Kursneu  =  KGVneu  * 1,63 * Gewinnheute

In Folge nehme ich das KGVheute als Basis (100%). Das neue KGV entspricht 30 Prozent des alten KGV (30 von 100). Der Gewinnheute wird ebenfalls als Basis gesetzt (100%).


Kursneu  = 30% * 1,63 * 100% =  49 %


Zur Berechnung: Das Ergebnis bedeutet, dass der Kurs im ersten Szenario nur noch 49 Prozent des Ursprungswerts betragen würde. Das entspräche einem Einbruch von 51 Prozent. Bei 51 Prozent Kursverlust in zehn Jahren würde die Aktie jährlich im Durchschnitt 6,9 Prozent an Wert verlieren.

Szenario 2: Nehmen wir an, der Telekom-Gewinn würde jährlich um zehn Prozent steigen. Das entspräche einem Wachstum von 159 Prozent innerhalb von zehn Jahren.

Nach dem obigen Rechnungs-Modell (die Zwischenschritte spare ich mir diesmal) würde der Kurs innerhalb von zehn Jahren  auf 78 Prozent des Ursprungswerts absacken. Das entspräche einer Negativrendite von 2,5 Prozent pro Jahr.

Szenario 3: Angenommen der Telekom-Gewinn schießt jedes Jahr um 20 Prozent nach oben. Er würde dann in zehn Jahren um 519 Prozent zulegen.
Der Börsenkurs würde nach unserem Modell folglich um 86 Prozent steigen. Aber auch das entspräche nur 6,4 Prozent Zuwachs im Jahr.


Gewinnwachstum pro Jahr Gewinnwachstum in zehn Jahren Prozentsatz vom jetzigen Börsenkurs Durchschnittliche Kurssteigerung
5 Prozent + 63 Prozent 49 Prozent - 6,9 Prozent
10 Prozent + 159 Prozent 78 Prozent - 2,5 Prozent
20 Prozent + 519 Prozent 186 Prozent + 6,4 Prozent


Zu den Kurssteigerungen oder -verlusten käme jeweils noch die Dividendenrendite hinzu. Die liegt bei der Telekom zur Zeit unter einem Prozent.

Zum Vergleich: Der Dax brachte es im Jahres-Durchschnitt auf eine Rendite von zehn bis zwölf Prozent, 30jährige amerikanische Bundesanleihen auf etwas mehr als sechs Prozent.

Nehmen Sie meine kleine Modellrechnung auf keinen Fall für bare Münze. Sicherlich wird das KGV der Telekom in zehn Jahren nicht gerade bei 30 stehen (das entspräche einem Sechser im Lotto). Aber langfristig wird das Unternehmen vermutlich ein KGV von 100 kaum halten können. Die Tendenz zeigt also nach unten. Dies lässt sich entweder über steigende Gewinne und/oder sinkende Kurse realisieren. Die obige Rechnung soll Ihnen ein Gefühl für eine Entwicklung dieser Art geben.

Entscheiden Sie selbst, ob Sie der Telekom große Umsatz- und Gewinnsprünge zutrauen. Nur dann wird sich ein langfristiges Investment in den Wert lohnen (unter der Annahme, dass das KGV nicht auf dem derzeitigen hohen Niveau bleibt).

Meines Erachtens sind die Erwartungen seitens der Börse in die Telekom zu hoch gesteckt. Zwar dürften t-online und t-mobil auch in Zukunft eine sehr dynamische Entwicklung vollziehen und durch Zukäufe werden Wachstumskräfte beim Mutterkonzern geweckt.

Wie zu Beginn des Artikels jedoch erläutert, steht die Telekom in ihrem größten Bereich (Festnetztelefonie) immens unter Druck und wird sich weiterhin mit den Spätfolgen ihres ehemaligen Staatsmonopolisten-Daseins auseinandersetzen müssen.

Wer deswegen derzeit Telekom-Aktien im Depot hält, dürfte keine großen Schwierigkeiten haben, ein besseres Investment zu finden. Wer langfristig auf die Telekom setzt, braucht beim derzeitigen Kursniveau eine gehörige Portion Zuversicht.
tobby:

Interessant, lesen! Ähnliche Rechnungen kann man sicherlich für viele

 
24.03.00 12:43
momentan hoch bewertete Unternehmen machen.
Irgendwann hat jeder ein Handy der x.ten Generation, jeder zig Internetprovider etc.pp.
Bei der Unterhaltungselektronik sieht man ja wo der Hase hinläuft!

tobby
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