Brüssel/Washington/Essen (dpa) - Der Stahlstreit zwischen Europa und den USA hat sich am
Donnerstag zugespitzt, nachdem das WTO- Schiedsgericht die US-Schutzzölle für illegal erklärt
hatte. Die US- Regierung will gegen diese Entscheidung Berufung einlegen, sagte ein Handelsbeamter in
Washington. Zuvor war der WTO- Schiedspruch aus EU-Kreisen in Brüssel an die Öffentlichkeit gelangt. Offiziell
wurde er noch nicht mitgeteilt.
Die vor einem Jahr von Washington verhängten Stahlzölle blieben bis auf weiteres in Kraft, betonte der
US-Beamte, der namentlich nicht genannt werden wollte. «Wir sind der Auffassung, dass Schutzmaßnahmen
unter den WTO-Regeln erlaubt sind.» Der Beamte bedauerte, dass die vertrauliche Entscheidung des
Schiedsgerichts an die Presse durchgesickert sei.
Die EU-Kommission, die für die Europäische Union in Handelsfragen auftritt, gab keine offizielle Stellungnahme
ab. Sie habe zwar einen WTO-Entscheidungsentwurf vertraulich erhalten, wolle diesen jedoch nicht
kommentieren, sagte ein Sprecher. Nach Expertenauskunft haben die USA nach einer offiziellen
WTO-Entscheidung die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Eine Verhängung von EU-Sanktionen stehe derzeit
nicht an.
Der endgültige Beschluss des WTO-Schiedsgerichts dürfte erst im Mai öffentlich gemacht werden, hieß in den
EU-Kreisen. Die EU hält die US-Stahlzölle zum Schutz der dortigen Branche für illegal und hatte deswegen bei
der WTO geklagt. Die Urteile werden immer zunächst den betroffenen Parteien zugestellt und nicht
veröffentlicht.
In dem Konflikt hatte die Union im vergangenen Jahr den USA mit Strafzöllen von 378 Millionen Euro gegen
US-Textilien oder Stahlerzeugnisse gedroht. Wegen zahlreicher Ausnahmegenehmigungen von den Zöllen zu
Gunsten europäischer Exporteure waren diese Sanktionen aber bisher nicht verhängt worden.
Die deutsche Stahlindustrie sah ihre bisherige Auffassung durch die WTO bestätigt. «Die amerikanische
Stahlkrise ist hausgemacht und nicht durch Importe verursacht», betonte der Präsident der
Wirtschaftsvereinigung Stahl, Dieter Ameling, in Düsseldorf. Die amerikanische Regierung solle nun auf ein
Berufungsverfahren verzichten und umgehend die Schutzzölle außer Kraft setzen.
Der Chef des amerikanischen Stahlkonzerns US Steel, Thomas Usher, übte heftige Kritik an dem
WTO-Schiedspruch. «Die Integrität des US- Stahlprogramms und die Möglichkeit für die amerikanischen
Stahlkonzerne, die nötige Restrukturierung zu vollziehen (...), stehen auf dem Spiel.» Das Büro des
Handelsbeauftragten in Washington wollte die WTO-Entscheidung zunächst nicht kommentieren.