Mit Worldcom erleben die USA nicht nur die größte Firmenpleite ihrer Geschichte, sondern das Internet auch seine Bewährungsprobe: Rund 50 Prozent des weltweiten Web-Traffics, schätzen Experten, laufen über Worldcom-Leitungen.
Keine Panik, versicherte Worldcom-Boss John Sidgmore am Sonntag in jedem Interview, das er gab: "Ich sehe keine Gefahr, dass es zu Unterbrechungen oder Netzwerk-Ausfällen kommen könnte".
Relaxed klingt das, und das muss es auch: Worldcom ist nicht weg vom Fenster, sondern versucht durch ein Insolvenzverfahren, entweder eine Reorganisation zu schaffen, oder aber die Teile des Unternehmens möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Dazu muss das Unternehmen seine Kunden halten - und davon hat es eine Menge: Worldcom ist Amerikas zweitgrößte überregionale Telefongesellschaft, wickelt 29 Prozent des Internetverkehrs in den Vereinigten Staaten ab, 70 Prozent aller E-Mails.
Bemerkenswert ist aber, dass Worldcom über Töchter wie UUNet weltweit sogar noch mehr Gewicht besitzt: Rund 50 Prozent des weltweiten Web-Verkehrs, schätzen Experten, läuft über Worldcom-Leitungen. Etwas weniger im Übrigen, als noch vor wenigen Monaten: Auch an KPNQwest, Europas ehemals größten, inzwischen insolventen Service-Provider war Worldcom beteiligt.
Wieder also steht die Frage im Raum, ob das Internet die Abschaltung eines großen Netzwerkes verkraften könnte. Eine klare Antwort darauf gibt es auch deshalb nicht, weil eine abrupte Abschaltung nicht ansteht: Nach amerikanischem Insolvenzrecht bedeutet die Bankrotterklärung vom Wochenende eine einjährige Gnadenfrist für Worldcom, das unter Gläubigerschutz weiter operieren wird.
Und muss, denn für ein nicht mehr laufendes Netzwerk bekommt man weniger Geld. Alles, versichert Sidgmore, sei also bis auf weiteres "Business as usual".
So ganz dann wohl doch nicht. Erschütterungen der Netz-Infrastrukturen vor allem in Bezug auf die Erreichbarkeit von Websites erwarten Experten dann, wenn es zu massiven Abwanderungsbewegungen hin zu Konkurrenten kommen sollte.
Wirklich Wichtige werden sich darunter jedoch nicht mehr finden. Worldcoms drohende Insolvenz war bereits Anfang Juli Gesprächsthema unter anderem auf den Fluren des Pentagon, bis dahin treuer Netzwerkkunde des Großproviders. Bereits am Dienstag, dem 4. Juli, versicherte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einer Pressekonferenz, ihm sei nicht bange vor dem Risiko, das dem Pentagon "durch eine Veränderung der geschäftlichen Situation eines Einzelunternehmens" entstehen könnte. Schön gefasst, Mr. Rumsfeld: "Pleite" wollte da noch niemand sagen.
Seit dem WTC-Anschlag setzen US-Firmen auf doppelte Strukturen
Sidgmore beteuert öffentlich, kein einziger seiner wirklich großen Kunden habe Worldcom bisher den Rücken gekehrt. Vielleicht vergisst er dabei das Wort "völlig", denn die Abwanderung der Großkunden begann wohl schon mit den ersten Meldungen über Worldcoms milliardenschweren Bilanzbetrug. Zumindest Alternativen oder "zweite Standbeine" dürften sich viele geschaffen haben - und das wohl oft schon vor dem Skandal.
Nicht ganz ein Jahr zuvor hatten nicht zuletzt die Finanzfirmen erfahren müssen, was es bedeuten kann, wenn Kommunikationsinfrastrukturen einspurig und zentral gelenkt gefahren werden: Die Attacke auf das World Trade Center hatte zeitweilig die Kommunikationsinfrastruktur der Wall Street empfindlich gestört. Die Lehre, die Experten daraus zogen, war eine einfache: "Jeder, der sich für sein Geschäft auf das Internet verlässt - egal, ob es sich um eine Multi-Milliarden-Firma oder einen Selbstständigen handelt - sollte einen Vertrag mit einem Zweitprovider besitzen".
Sagt Anil Patel, der als IT-Experte am Not-Wiederaufbau der Wall-Street-Kommunikation beteiligt war. "Ich würde dringend vorschlagen, dass das jeder tut, der da bisher nicht vorgesorgt hat. Zweit-Accounts sind so wichtig wie regelmäßige Daten-Updates".
John Sidgmore wird so etwas nicht gern hören: Er muss Kunden halten, und sogar Worldcom-Werbung wird weiter gefahren werden. Das Unternehmen steckt mitten in einer Kampagne, mit dem es die Zahl seiner Ferngesprächskunden bis Jahresende um zehn Millionen Festkunden in den USA erhöhen wollte. 600.000 hat das Unternehmen in den ersten Wochen geschafft - ein Erfolg, der nun nicht leicht aufrecht zu halten sein wird.
Leichter könnte das in Bezug auf das Internet-Business sein. UUNet ist nicht nur eine der größten Netzinfrastrukturen, sondern gilt auch qualitativ als hochwertig. "Ich kann mir kein Szenario vorstellen", sagt Sidgemore, "bei dem am Ende UUNet abgeschaltet würde".
"Verfall" wahrscheinlicher als Kollaps
Was dann geschähe, möchte sich im Augenblick auch kein Experte vorstellen. Allgemein geht man davon aus, dass das Internet inzwischen um rund 70 Prozent überdimensioniert sei - doch das gilt in den Ländern, deren Infrastrukturen bestens ausgebaut sind. Eine abrupte Vollabschaltung des Riesennetzes Worldcom führte sicherlich zum massivsten "Wackler", den das Web bisher erlebt hätte.
Das war bisher durch nichts zu erschüttern: Web-Weltuntergangsszenarien in Verbund etwa mit dem Rückzug der Forschungsnetze aus dem amerikanischen Backbone-Netz 1997 verpufften lächerlich effektlos. Die Abschaltung des KPNQwest-Netzes in Europa war angeblich spürbar - oder auch nicht, je nachdem, wer darüber berichtete. "Reißen" sollte die Struktur des Netzes nie völlig, wurde es angeblich doch einst als "atombombensicher" konzipiert.
Trotzdem befürchtet der US-Verbraucherschützer Gene Kimmelmann, könnte ein "endlos ausgedehntes" Verhandeln über die Zukunft von Worldcom mittelfristig dazu führen, das die Qualität der Dienste leide. "Die beste Lösung", meint Kimmelmann, sei jetzt der zügige Abverkauf gewinnbringend abzustoßender Unternehmensteile, die Reorganisation des Restunternehmens und der Wiedereintritt in den Markt als "schlanker, böser Konkurrent" für die Telekommunikations-Großunternehmen.
Was im Worldcom-Portfolio als eines der Sahnestückchen gilt, ist dabei von vornherein klar: UUNet. Das hatte der heutige Worldcom-Chef Sidgmore vom Klein- zum Megagroß-Internet-Provider gemacht und 1996 an Worldcom verkauft.
Damals, noch vor dem Höhepunkt der Dotcom-Euphorie, kassierte Sidgmore dafür 14 Milliarden Dollar.
Keine Panik, versicherte Worldcom-Boss John Sidgmore am Sonntag in jedem Interview, das er gab: "Ich sehe keine Gefahr, dass es zu Unterbrechungen oder Netzwerk-Ausfällen kommen könnte".
Relaxed klingt das, und das muss es auch: Worldcom ist nicht weg vom Fenster, sondern versucht durch ein Insolvenzverfahren, entweder eine Reorganisation zu schaffen, oder aber die Teile des Unternehmens möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Dazu muss das Unternehmen seine Kunden halten - und davon hat es eine Menge: Worldcom ist Amerikas zweitgrößte überregionale Telefongesellschaft, wickelt 29 Prozent des Internetverkehrs in den Vereinigten Staaten ab, 70 Prozent aller E-Mails.
Bemerkenswert ist aber, dass Worldcom über Töchter wie UUNet weltweit sogar noch mehr Gewicht besitzt: Rund 50 Prozent des weltweiten Web-Verkehrs, schätzen Experten, läuft über Worldcom-Leitungen. Etwas weniger im Übrigen, als noch vor wenigen Monaten: Auch an KPNQwest, Europas ehemals größten, inzwischen insolventen Service-Provider war Worldcom beteiligt.
Wieder also steht die Frage im Raum, ob das Internet die Abschaltung eines großen Netzwerkes verkraften könnte. Eine klare Antwort darauf gibt es auch deshalb nicht, weil eine abrupte Abschaltung nicht ansteht: Nach amerikanischem Insolvenzrecht bedeutet die Bankrotterklärung vom Wochenende eine einjährige Gnadenfrist für Worldcom, das unter Gläubigerschutz weiter operieren wird.
Und muss, denn für ein nicht mehr laufendes Netzwerk bekommt man weniger Geld. Alles, versichert Sidgmore, sei also bis auf weiteres "Business as usual".
So ganz dann wohl doch nicht. Erschütterungen der Netz-Infrastrukturen vor allem in Bezug auf die Erreichbarkeit von Websites erwarten Experten dann, wenn es zu massiven Abwanderungsbewegungen hin zu Konkurrenten kommen sollte.
Wirklich Wichtige werden sich darunter jedoch nicht mehr finden. Worldcoms drohende Insolvenz war bereits Anfang Juli Gesprächsthema unter anderem auf den Fluren des Pentagon, bis dahin treuer Netzwerkkunde des Großproviders. Bereits am Dienstag, dem 4. Juli, versicherte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einer Pressekonferenz, ihm sei nicht bange vor dem Risiko, das dem Pentagon "durch eine Veränderung der geschäftlichen Situation eines Einzelunternehmens" entstehen könnte. Schön gefasst, Mr. Rumsfeld: "Pleite" wollte da noch niemand sagen.
Seit dem WTC-Anschlag setzen US-Firmen auf doppelte Strukturen
Sidgmore beteuert öffentlich, kein einziger seiner wirklich großen Kunden habe Worldcom bisher den Rücken gekehrt. Vielleicht vergisst er dabei das Wort "völlig", denn die Abwanderung der Großkunden begann wohl schon mit den ersten Meldungen über Worldcoms milliardenschweren Bilanzbetrug. Zumindest Alternativen oder "zweite Standbeine" dürften sich viele geschaffen haben - und das wohl oft schon vor dem Skandal.
Nicht ganz ein Jahr zuvor hatten nicht zuletzt die Finanzfirmen erfahren müssen, was es bedeuten kann, wenn Kommunikationsinfrastrukturen einspurig und zentral gelenkt gefahren werden: Die Attacke auf das World Trade Center hatte zeitweilig die Kommunikationsinfrastruktur der Wall Street empfindlich gestört. Die Lehre, die Experten daraus zogen, war eine einfache: "Jeder, der sich für sein Geschäft auf das Internet verlässt - egal, ob es sich um eine Multi-Milliarden-Firma oder einen Selbstständigen handelt - sollte einen Vertrag mit einem Zweitprovider besitzen".
Sagt Anil Patel, der als IT-Experte am Not-Wiederaufbau der Wall-Street-Kommunikation beteiligt war. "Ich würde dringend vorschlagen, dass das jeder tut, der da bisher nicht vorgesorgt hat. Zweit-Accounts sind so wichtig wie regelmäßige Daten-Updates".
John Sidgmore wird so etwas nicht gern hören: Er muss Kunden halten, und sogar Worldcom-Werbung wird weiter gefahren werden. Das Unternehmen steckt mitten in einer Kampagne, mit dem es die Zahl seiner Ferngesprächskunden bis Jahresende um zehn Millionen Festkunden in den USA erhöhen wollte. 600.000 hat das Unternehmen in den ersten Wochen geschafft - ein Erfolg, der nun nicht leicht aufrecht zu halten sein wird.
Leichter könnte das in Bezug auf das Internet-Business sein. UUNet ist nicht nur eine der größten Netzinfrastrukturen, sondern gilt auch qualitativ als hochwertig. "Ich kann mir kein Szenario vorstellen", sagt Sidgemore, "bei dem am Ende UUNet abgeschaltet würde".
"Verfall" wahrscheinlicher als Kollaps
Was dann geschähe, möchte sich im Augenblick auch kein Experte vorstellen. Allgemein geht man davon aus, dass das Internet inzwischen um rund 70 Prozent überdimensioniert sei - doch das gilt in den Ländern, deren Infrastrukturen bestens ausgebaut sind. Eine abrupte Vollabschaltung des Riesennetzes Worldcom führte sicherlich zum massivsten "Wackler", den das Web bisher erlebt hätte.
Das war bisher durch nichts zu erschüttern: Web-Weltuntergangsszenarien in Verbund etwa mit dem Rückzug der Forschungsnetze aus dem amerikanischen Backbone-Netz 1997 verpufften lächerlich effektlos. Die Abschaltung des KPNQwest-Netzes in Europa war angeblich spürbar - oder auch nicht, je nachdem, wer darüber berichtete. "Reißen" sollte die Struktur des Netzes nie völlig, wurde es angeblich doch einst als "atombombensicher" konzipiert.
Trotzdem befürchtet der US-Verbraucherschützer Gene Kimmelmann, könnte ein "endlos ausgedehntes" Verhandeln über die Zukunft von Worldcom mittelfristig dazu führen, das die Qualität der Dienste leide. "Die beste Lösung", meint Kimmelmann, sei jetzt der zügige Abverkauf gewinnbringend abzustoßender Unternehmensteile, die Reorganisation des Restunternehmens und der Wiedereintritt in den Markt als "schlanker, böser Konkurrent" für die Telekommunikations-Großunternehmen.
Was im Worldcom-Portfolio als eines der Sahnestückchen gilt, ist dabei von vornherein klar: UUNet. Das hatte der heutige Worldcom-Chef Sidgmore vom Klein- zum Megagroß-Internet-Provider gemacht und 1996 an Worldcom verkauft.
Damals, noch vor dem Höhepunkt der Dotcom-Euphorie, kassierte Sidgmore dafür 14 Milliarden Dollar.