Wochenausblick: Strategen erwarten Fortsetzung der Aktienrally
Die internationalen Finanzmärkte stehen vor einer spannenden Woche. Während die Berichtssaison nun auch in Europa Fahrt aufnimmt, steht in den kommenden Tagen zusätzlich eine Fülle wichtiger Konjunkturdaten zur Veröffentlichung an.
Zudem entscheiden die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) über ihre Leitzinsen. Aktienstrategen rechnen mit weiter steigenden Kursen. Am Anleihemarkt bleiben Experten eher pessimistisch.
Im Blickpunkt der kommenden Woche dürfte der Zinsentscheid der Fed am Dienstag stehen. Da die Marktexperten diesmal geschlossen eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent erwarten, wird der Ausblick der Notenbank über ihre weitere Geldpolitik umso wichtiger. Falls die US-Notenbank das Ende der Zinssteigerungen in Aussicht stellt, könnte das dem Markt nach Einschätzung der Landesbank Rheinland-Pfalz hingegen - ähnlich wie 1995 - einen positiven Impuls verleihen. Obwohl damals das Gewinnwachstum der S&P-Unternehmen fiel, trieb die Zinsphantasie die Wall Street kräftig an, heißt es im aktuellen Marktkommentar der Bank. Der S&P 500 kletterte 1995 um 34 Prozent und 1996 um 20 Prozent. Ein so starker Anstieg dürfte die europäischen Börsen mitreißen.
"Die Bullen sind davon überzeugt, dass die Notenbank kurz vor einem Ende der Zinserhöhungen steht", sagte Phil Roth, Analyst der institutionellen US-Handelsfirma Miller Tabak. Alexander Krüger, Volkswirt der WestLB, geht allerdings fest davon aus, dass "die Fed ihrem neuen Chef Ben Bernanke keine Fesseln anlegen" wird. "Daher wird sie die Entscheidung über ihre weitere Zinspolitik diesmal offen lassen und den endgültigen Beschluss von der Datenlage abhängig machen."
Dax hat technischen Widerstand geknackt
Aktienstrategen rechnen dennoch in dieser Woche mit weiter steigenden Kursen, obwohl die schwachen Daten zum US-Wirtschaftswachstum die Kurse am Freitag zeitweise belasteten. "Die Quartalsberichte von SAP und Siemens und die überwiegend positiven Konjunkturdaten haben zu einem Stimmungswechsel geführt", sagte Günter Senftleben, Marktstratege der Bankgesellschaft Berlin. "Nachdem der Dax am Freitag bei 5550 Punkten einen wichtigen technischen Widerstand geknackt hat, kann ich mir gut vorstellen, dass es noch weiter aufwärts geht."
In der abgelaufenen Woche stieg der Dax um 5,6 Prozent auf 5647,42 Punkte, der europäische Stoxx 50 legte um drei Prozent zu. An der Wall Street gewann der breit gefasste S&P 500 1,8 Prozent. Der technologielastige Nasdaq Composite verbesserte sich um 2,5 Prozent. In Tokio machte der Nikkei-225-Index den Livedoor-Schock vergessen und zog um 4,7 Prozent an. Europas Märkte erreichten damit das höchste Niveau seit viereinhalb Jahren. Der Nikkei kletterte auf ein Fünf-Jahres-Hoch. Wie erwartet nutzten Anleger den Kursrutsch der Vorwoche für Aktienkäufe. Zudem wurden die Anleger, die auf weiter fallende Kurse spekuliert hatten, zum Nachkaufen gezwungen, um offene Positionen zu schließen.
ABM Amro sagt Überraschungen bei Öl- und Chemiekonzernen voraus
Zu den Optimisten am Aktienmarkt zählt auch ABN Amro. "Anders als in den USA dürften in Europa die Quartalszahlen die Erwartungen des Marktes erfüllen oder sogar schlagen, weil die Unternehmen durch Umstrukturierungen die Kosten besser kontrollieren", sagte der Europa-Stratege der niederländischen Bank, Rolf Elgeti, in London. Positive Überraschungen erwartet ABN Amro vor allem von Öl-, Industrie- und Chemiekonzernen.
In den USA richten Börsianer den Blick hingegen verstärkt auf die Wirtschaft. "Die Index-Schwergewichte haben ihre Bilanzzahlen zum großen Teil schon geliefert, so dass die ökonomischen Daten in dieser Woche eine größere Rolle spielen", sagte Rick Pendergraft, Aktienhändler bei SchaefferŽs Investment.
Am Montag werden in den USA die Daten zu den Konsumentenausgaben veröffentlicht. Am Dienstag folgen Zahlen zum Verbrauchervetrauen. Im weiteren Wochenverlauf folgen unter anderem Daten zum ISM-Einkaufsmanagerindex (Mittwoch) und der Arbeitsmarktbericht für Januar (Freitag).
In Europa warten Investoren insbesondere auf die Zinsentscheidung der EZB am Donnerstag. Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Bank die Märkte auf einen Zinsschritt im März vorbereiten wird. In einem Kommentar der Deutschen Bank heißt es dazu, dass die Bereitschaft der EZB für einen derartigen Schritt nach der Serie recht günstiger Wirtschaftsdaten gestiegen sei.
Als größten Risikofaktor stufen Börsianer nach wie vor die Entwicklung am Ölmarkt ein. "Sicher ist der Anstieg des Ölpreises Ausdruck einer robusten Konjunktur", sagte ein Aktienstratege. "Wenn sich aber beispielsweise die Lage im Iran zuspitzt und der Ölpreis auf Rekordniveau klettert, steigt die Gefahr für die Konjunktur und die Börse." Auch die Commerzbank macht ihren auf Grund der attraktiven Bewertung der Börsen von Zuversicht geprägten Ausblick davon abhängig, dass eine zusätzliche Verteuerung des Ölpreises durch geopolitische Risiken ausbleibt.
Stimmung am Anleihemarkt eingetrübt
Am europäischen Anleihemarkt gehen die Kurse seit Tagen in den Keller. Zwar sorgten die enttäuschende US-Konjunkturdaten am Freitag für leichte Gewinne; dennoch schloss der Bund-Future an sieben der vergangenen neun Tage im Minus. "Die Stimmung hat sich eingetrübt: Positive Daten wie die zuletzt guten deutschen Inflationsdaten werden zurzeit ignoriert", sagte WestLB-Volkswirt Alexander Krüger.
"Nach dem Kursanstieg zu Jahresanfang war eine Korrektur fällig, aber dass sie so stark ausfällt, war nicht vorher zusehen", sagt Ulrich Wortberg, Bondstratege von Helaba Trust. Für die kommende Woche sei daher sogar ein Test der 120-Punkte-Marke beim Bund-Future möglich - falls die Notenbanken eine weitere Verschärfung ihrer Geldpolitik andeuteten. Die einzige Hoffnung der Experten bleibt die nach wie vor hohe Liquidität: "Wir könnten langsam wieder auf ein Kursniveau kommen, bei dem institutionelle Investoren wieder einsteigen", vermutet Krüger.
Starke Kursausschläge bei Währungen zu erwarten
Bei den Währungen dürfte es in dieser Woche erneut starke Kursausschläge geben. "Neben den Zinsentscheidungen in den USA und im Euroraum erwartet uns eine Fülle wichtiger Zahlen wie die Arbeitsmarktdaten und die großen Einkaufsmanagerindizes", sagt Christian Pohl, Stratege der FXdirekt Bank. Nach Einschätzung des Devisenexperten Marcus Hettinger steht der Euro-Dollar-Kurs daher sogar "vor einer richtungsweisenden Woche".
Gelinge es der Einheitswährung, ihre jüngsten Höchststände knapp oberhalb von 1,23 $ signifikant zu übertreffen, sei der Weg für weitere Zugewinne frei. Unterschreite sie dagegen die Marke von 1,2130 $, drohe ihr ein Abrutschen in den Bereich um 1,20 $. Hettinger hält letzteres für wahrscheinlicher: "Bei sechs der sieben US-Zinsentscheide im Jahr 2005 ist der Dollar anschließend gestiegen - im Durchschnitt um rund zwei Prozent." Auch Pohl rechnet kurzfristig eher mit einem stärkeren Greenback: "Die meisten Indikatoren der nächsten Tage dürften den Dollar stützen."
Quelle: Financial Times Deutschland