Witzigkeit kennt keine Fremden 

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9745400lopi:

Witzigkeit kennt keine Fremden 

 
20.10.01 17:51


Das Unaussprechliche wird zum Ereignis: Über Bin-Laden-Kalauer, gefälschte Internet-Späße und den neuen Ernst

Wir riskieren jetzt mal ein paar Terror-Witze. Was haben General Custer und Bin Laden gemeinsam? Sie fragen sich, wo die vielen Tomahawks herkommen. Was sagt Osama Bin Laden, wenn er in ein Flugzeug steigt? Einmal 46. Stock, bitte. Und wie lautet der neue Spitzname von Rudolf Scharping? Bin Baden.
Es gibt zahlreiche Varianten der Bin-Laden-Witze, die meisten kursieren seit ungefähr drei Wochen wie die falschen Werbesprüche für American Airlines ("Wir fliegen sie direkt ins Büro") sowie die Frage Bin Ladens an seine Sekretärin, wie viele Anschläge sie pro Minute könne.
Daneben hat sich mit Hilfe von Internet und E-Mail eine neue Witzform verbreitet. Dutzende von verfremdeten Digitalbildern machen elektronisch die Runde zur Erheiterung von Bürogemeinschaften, Schulklassen, Sportfreunden. Unter der Zeile "Wenn die Taliban gewinnen", sind George Bush mit Turban und Bart zu sehen, die Freiheitsstatue mit Schleier, eine Windows-Oberfläche in arabischer Schrift. In Deutschland kursiert die "TaliBahncard" für Osama Bin Laden ("Muslime auf die Schiene"). Eine Karikatur zeigt zwei ineinander verschlungene Hochhäuser und darüber steht der Liebes-Slogan "Hast du auch Flugzeuge im Bauch?"

Ist das unangemessen, widerwärtig? Die Bilder-Späße über das Attentat betreiben Lach-Seelsorge, sie sind das Ventil für das Unaussprechliche zu sein. Das Internet ist das Medium der niedrigschwelligen Kommunikation, niemand muss sich in die Agora begeben, um einen Witz zu erzählen, der vielleicht als geschmacklos geahndet wird, die Dateien wahren eine verschämte Rest-Distanz. Und es zeigt sich: Auch das Internet ist nur ein großer Stammtisch der Angestellten- und Dienstleistungsgesellschaft.
Die Mehrzahl der Späße ist nicht subversiv, auch wenn George Bush ein Ziel ist. Der Feind ist klar, er trägt Bart, was als Komik-Zeichen ein ohnehin gern genutztes Motiv ist. Gleichzeitig wird mit der Humor-Welle auch die tiefe Verunsicherung der westlichen Gesellschaft und das Ausmaß der Bedrohung anerkannt. Witz ist das Gegengift des Unterlegenen. Die Kalauer machen die gespenstische Bedrohung durch Bin Laden groß, um sie klein zu machen. Um nur ein Äquivalent zu nennen: nach Späßen über Milosevic, diesem Buchhalter des Todes, sucht man vergebens.
Die Flut der gefälschten Witz-Bilder reagiert deutlich auf die ungeheure Bildlichkeit des 11. September. Die Terroristen haben die bilderfixierte westliche Zivilisation mit der eigenen Waffe geschlagen; sie eroberten buchstäblich fremdes Gebiet. Einen Teletubby mit Bart und Maschinengewehr als Tali-Tubby zu zeigen bedeutet, neue Bilder zu erfinden, die den Betrachter auf vertrautes Feld zurückführen, das Terrain zurückerobern. Das Medium Internet und die Methode der Fälschung versprechen eine Überlegenheit des Westens und deuten unterschwellig das Bilderverbot des Islams an: Seht her, was wir mit euch machen können.
Sagt das etwas über unser Unterhaltungsbedürfnis? Über die Veränderungen unserer Kultur? Zeigt die lachhafte Wehr das Grummeln der so genannten Spaßgesellschaft über die herrschende Moral? Das Bild ist uneinheitlich. Denn es gibt gleichzeitig Anzeichen für neue Ernsthaftigkeit. Die repräsentative Öffentlichkeit enthält sich weiterhin aller Späße; jeder Versuch in Talkshows, Konzerten, Veranstaltungen wird als geschmacklos empfunden, weil der Konsens der Wehrhaftigkeit verletzt wird. Hollywood sorgt sich, seit die Besucher-Zahlen stetig bergab gehen; es kommt kein neuer Hit in Sicht, der einen Weg wiese, was ungefähr die Leute sehen wollen. Graydon Carter, Chefredakteur des Glamourmagazins "Vanity Fair", konstatiert gar eine "seismische Verlagerung" des Interesses. Luxus und Oberfläche, Stars und Flitter gerieten in den Hintergrund, ernsthafte Themen seien mehr gefragt. Wenn "Vanity Fair" das Ende der Promi-Kultur beschwört, ist das, als beschließe der FC Bayern München, man müsse jetzt mit dem Fußballspielen aufhören und es mit Hockey oder Synchronschwimmen probieren.
Aus dem Spagat zwischen Ernst und Kalauer spricht Trotz und geschlossene Widerständigkeit, aber auch hilfloses Entsetzen. Man wird die Digi-Fakes und Bin-Laden-Witze einmal als popkulturelle Reaktion betrachten können. Doch die Zeit der Taliban-Witze ist begrenzt, was kommt danach? Die Straße nach Katharsis muss ziemlich breit sein. Gut möglich, dass die Zeit der Vulgär-Komödien des Action-Dramas und des planen Kriegsfilms einfach wieder anbricht. Neuer Ernst ist das nicht.Witzigkeit kennt keine Fremden 

Das Unaussprechliche wird zum Ereignis: Über Bin-Laden-Kalauer, gefälschte Internet-Späße und den neuen Ernst
Von Holger Kreitling
Wir riskieren jetzt mal ein paar Terror-Witze. Was haben General Custer und Bin Laden gemeinsam? Sie fragen sich, wo die vielen Tomahawks herkommen. Was sagt Osama Bin Laden, wenn er in ein Flugzeug steigt? Einmal 46. Stock, bitte. Und wie lautet der neue Spitzname von Rudolf Scharping? Bin Baden.
Es gibt zahlreiche Varianten der Bin-Laden-Witze, die meisten kursieren seit ungefähr drei Wochen wie die falschen Werbesprüche für American Airlines ("Wir fliegen sie direkt ins Büro") sowie die Frage Bin Ladens an seine Sekretärin, wie viele Anschläge sie pro Minute könne.
Daneben hat sich mit Hilfe von Internet und E-Mail eine neue Witzform verbreitet. Dutzende von verfremdeten Digitalbildern machen elektronisch die Runde zur Erheiterung von Bürogemeinschaften, Schulklassen, Sportfreunden. Unter der Zeile "Wenn die Taliban gewinnen", sind George Bush mit Turban und Bart zu sehen, die Freiheitsstatue mit Schleier, eine Windows-Oberfläche in arabischer Schrift. In Deutschland kursiert die "TaliBahncard" für Osama Bin Laden ("Muslime auf die Schiene"). Eine Karikatur zeigt zwei ineinander verschlungene Hochhäuser und darüber steht der Liebes-Slogan "Hast du auch Flugzeuge im Bauch?"
Ist das unangemessen, widerwärtig? Die Bilder-Späße über das Attentat betreiben Lach-Seelsorge, sie sind das Ventil für das Unaussprechliche zu sein. Das Internet ist das Medium der niedrigschwelligen Kommunikation, niemand muss sich in die Agora begeben, um einen Witz zu erzählen, der vielleicht als geschmacklos geahndet wird, die Dateien wahren eine verschämte Rest-Distanz. Und es zeigt sich: Auch das Internet ist nur ein großer Stammtisch der Angestellten- und Dienstleistungsgesellschaft.
Die Mehrzahl der Späße ist nicht subversiv, auch wenn George Bush ein Ziel ist. Der Feind ist klar, er trägt Bart, was als Komik-Zeichen ein ohnehin gern genutztes Motiv ist. Gleichzeitig wird mit der Humor-Welle auch die tiefe Verunsicherung der westlichen Gesellschaft und das Ausmaß der Bedrohung anerkannt. Witz ist das Gegengift des Unterlegenen. Die Kalauer machen die gespenstische Bedrohung durch Bin Laden groß, um sie klein zu machen. Um nur ein Äquivalent zu nennen: nach Späßen über Milosevic, diesem Buchhalter des Todes, sucht man vergebens.
Die Flut der gefälschten Witz-Bilder reagiert deutlich auf die ungeheure Bildlichkeit des 11. September. Die Terroristen haben die bilderfixierte westliche Zivilisation mit der eigenen Waffe geschlagen; sie eroberten buchstäblich fremdes Gebiet. Einen Teletubby mit Bart und Maschinengewehr als Tali-Tubby zu zeigen bedeutet, neue Bilder zu erfinden, die den Betrachter auf vertrautes Feld zurückführen, das Terrain zurückerobern. Das Medium Internet und die Methode der Fälschung versprechen eine Überlegenheit des Westens und deuten unterschwellig das Bilderverbot des Islams an: Seht her, was wir mit euch machen können.
Sagt das etwas über unser Unterhaltungsbedürfnis? Über die Veränderungen unserer Kultur? Zeigt die lachhafte Wehr das Grummeln der so genannten Spaßgesellschaft über die herrschende Moral? Das Bild ist uneinheitlich. Denn es gibt gleichzeitig Anzeichen für neue Ernsthaftigkeit. Die repräsentative Öffentlichkeit enthält sich weiterhin aller Späße; jeder Versuch in Talkshows, Konzerten, Veranstaltungen wird als geschmacklos empfunden, weil der Konsens der Wehrhaftigkeit verletzt wird. Hollywood sorgt sich, seit die Besucher-Zahlen stetig bergab gehen; es kommt kein neuer Hit in Sicht, der einen Weg wiese, was ungefähr die Leute sehen wollen. Graydon Carter, Chefredakteur des Glamourmagazins "Vanity Fair", konstatiert gar eine "seismische Verlagerung" des Interesses. Luxus und Oberfläche, Stars und Flitter gerieten in den Hintergrund, ernsthafte Themen seien mehr gefragt. Wenn "Vanity Fair" das Ende der Promi-Kultur beschwört, ist das, als beschließe der FC Bayern München, man müsse jetzt mit dem Fußballspielen aufhören und es mit Hockey oder Synchronschwimmen probieren.
Aus dem Spagat zwischen Ernst und Kalauer spricht Trotz und geschlossene Widerständigkeit, aber auch hilfloses Entsetzen. Man wird die Digi-Fakes und Bin-Laden-Witze einmal als popkulturelle Reaktion betrachten können. Doch die Zeit der Taliban-Witze ist begrenzt, was kommt danach? Die Straße nach Katharsis muss ziemlich breit sein. Gut möglich, dass die Zeit der Vulgär-Komödien des Action-Dramas und des planen Kriegsfilms einfach wieder anbricht. Neuer Ernst ist das nicht.
schmuggler:

Witz sticht Betroffenheit o.T.

 
20.10.01 17:54
Egozentriker:

ok, dann will....

 
20.10.01 18:37
ich auch mal einen beisteuern. vielleicht kennen ihn ein paar ja noch nicht. hoffe das wird jetzt nicht als geschmacklos empfunden.... (achtung 376 kb)



Witzigkeit kennt keine Fremden 445847members.tripod.de/egozentriker_nr1/photoalbum/images/wtc.gif" style="max-width:560px" >
ReWolf:

fehlt nur noch dass

 
20.10.01 18:51
aus den türmen ne grosse fliegenklatsche rausspringt und die flugzeuge erschlägt
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