SPIEGEL ONLINE - 04. Juli 2002, 11:03
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"Wir waren Helden"
Seufzer unter dem Sternenbanner
Von Oliver Hüttmann
In seinem Vietnam-Drama "Wir waren Helden" versucht Regisseur Randall Wallace dem Krieg ein menschliches Antlitz zu verleihen und gleichzeitig die brutale Gewalt der Kampfeinsätze zu schildern
Mel Gibson als Colonel Moore: Dem Militär ein humanes Antlitz geben
"Scheiß Hitze", sagt der französische Offizier. "Scheiß Land." Dann ist er tot, getroffen von einer Kugel im Kopf, aus dem in Zeitlupe das Blut spritzt. Mit ihm fällt 1954 seine gesamte Einheit auf der zentralen Hochebene von Indochina im Kampf gegen die einheimischen Truppen. Das militärische Desaster der alten Kolonialmacht Frankreich studiert ein Jahrzehnt später der amerikanische Lieutenant Colonel Harold G. Moore (Mel Gibson) in einem Buch. Er soll 1965 während des Konfliktes mit dem kommunistischen Nordvietnam eine Offensive im Ia-Drang-Tal vorbereiten - und listet ahnungsvoll die Nachteile einer solchen Aktion auf. Sein Urteil fasst er in einem Wort zusammen: Massaker. Er unterstreicht es zwei Mal.
Der Einsatz gilt als erstes und erbarmungslosestes Gefecht zwischen der US-Armee und den Vietcong in der langen und verlustreichen Geschichte des Vietnamkrieges. Der echte Moore schilderte die Ereignisse später in seinem Buch "We Were Soldiers Once... And Young", das Randall Wallace als Vorlage für seinen Film verwendet hat. Wallace hat erst einmal Regie geführt bei dem Mantel-und-Degen-Abenteuer "Der Mann mit der eisernen Maske", ist aber bei Kriegs-Epen fast schon ein Veteran: Als Autor von Gibsons "Braveheart" war er für den Oscar nominiert und schrieb auch das Drehbuch zum Weltkriegs-Melodram "Pearl Harbor", von dem er sich hinterher allerdings distanzierte. Er habe ein "unverfälschtes Drama" im Sinn gehabt. Vielleicht wollte er nun beweisen, dass er amerikanische Kriegstraumata komplexer aufarbeiten kann als Produzent Jerry Bruckheimer und sein Regisseur Michael Bay.
Dabei sind "Pearl Harbor" und "Wir waren Helden" im Aufbau (und in der Länge) ziemlich identisch. Nach einem Prolog nimmt Wallace sich viel Zeit, um die Hauptfiguren einzuführen. Statt einer Freundschaft und Liebe, deren Unschuld jäh vom Kriegsanfang unterbrochen wird, zeigt er nun das familiäre Umfeld, die Sorgen und Zweifel über den bevorstehenden Auftrag. Dann folgt der Höhepunkt, beziehungsweise der eigentliche Plot, eine ungebremste, auch für Zuschauer strapaziöse Schlacht, die bei "Wir Waren Helden" immerhin rund anderthalb Stunden dauert. Und am Ende gibt es einen Seufzer unter dem Sternenbanner.
Gibson soll als Moore dem Militär ein humanes Antlitz geben. Liebevoll kümmert er sich im Ausbildungslager Fort Benning um Ehefrau Julia (Madeleine Stowe) und seine Kinder, wobei das Schweigen über seinen ersten Einsatz seit Korea nur einmal rührselig gebrochen wird, als seine jüngste Tochter fragt: "Papi, was ist Krieg?" Fürsorglich und mit väterlichem Humor geht der gläubige Christ auch auf seine Soldaten ein wie Lieutenant Jack Geoghegan (Chris Klein), dessen Frau gerade ein Baby erwartet. Gemeinsam schlagen sie in der Kirche ein paar Kreuze vor der Brust. Gebetet wird hier viel, und die Rolle als Mutter der Kompanie muss schließlich Julia übernehmen. Sie überreicht den Frauen die gelben Telegramme, in denen bürokratisch der Tod ihrer Männer erklärt wird. Der Taxifahrer, der die Schreiben eigentlich zustellen soll, hat dazu nicht die Nerven. Einen ganzen Stapel legt er vor Julias Tür ab.
Kriegsszene aus "Wir waren Helden": Chaos aus Schreien, Staub und dem ständigen Stakkato der Maschinengewehre
Auf den Tränen an der Heimatfront federt die furchterregende Härte der Schlachtsequenzen ein wenig ab, rutscht der Film aber auch in melodramatischen Betroffenheitskitsch. Zugleich sind sie der moralische Zeigefinger, die Kritik am Krieg an sich, die sich Moore und seine Männer aus Pflichtgefühl und unter Dauerbeschuss der vietnamesischen Volksarmee nicht gestatten können. Denn von dem Moment an, als Moore den Fuß auf das wehende Gras im Ia-Drang-Tal setzt, kommt der Films fast nur noch in den Szenen zu Hause zur Besinnung.
Die 400 GIs werden von Kampfhubschraubern eingeflogen und sofort von 2000 Vietcong eingekesselt. Es beginnt ein schonungsloses Chaos aus Schreien, Staub, dem steten Stakkato der Maschinengewehre und knapp gebellten Befehlen. Auf beiden Seiten fallen die Soldaten reihenweise. Und Kameramann Dean Semmler hat dafür erschütternde Bilder ohne Firlefanz gefunden, die sowohl beim Panoramablick als auch in der unmittelbaren Perspektive neben, vor und hinter den Kämpfern eine dokumentarische Nähe zu den Ereignissen beibehalten. Das nackte Entsetzen bei der Landung in der Normandie in Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" und den packenden Wahnsinn von Oliver Stones "Platoon" erreicht er indes nicht.
"Wir waren Helden" verzahnt das Schicksal der Soldaten auch in einem Fernduell zwischen Moore und dem vietnamesischen Befehlshaber, die hektische Entscheidungen treffen, auf die Taktik des anderen reagieren, die Situation auflösen könnten und letztlich die zwei einzigen denkenden Menschen in dieser Hölle sind. Einmal blicken beide sentimental zum Mond hoch, der fahl das Schlachtfeld illuminiert. In der nächsten Sekunde geht das Gemetzel weiter.
Wallace kann sich zwar auf die Authentizität und Ehrlichkeit seiner Bilder berufen, dahinter aber dräut dennoch eine konservativ-katholische Rehabilitation und Heroisierung der gefallen Opfer. Wenn ein Schwerverwundeter meint: "Ich sterbe gerne für mein Land", kann das zum einen den naiven Patriotismus der jungen Männer aufzeigen, die aus sinnloser Machtpolitik verheizt werden. Andererseits schafft das pathetische Bekenntnis in den letzten Atemzügen ein schlechtes Gewissen bei Moore, der in einem Gespräch mit dem Fotoreporter Joseph Galloway (Barry Pepper) leise Bedenken an dem Einsatz äußert. Zumal Gibson aufrecht und unerschütterlich die Lage überblickt wie früher der Haudegen John Wayne.
Und auch bei entscheidenden Fakten nimmt Wallace es nicht ganz genau. Tatsächlich wurde das stark geschwächte 1. Bataillon der 7. Luft-Kavallerie vom 2. Bataillon unterstützt und abgelöst. Hier aber erringt Moore mit einem überraschenden Vorstoß im Morgengrauen einen kompletten, triumphalen Sieg über den Feind. Daraus lässt sich das Durchhaltevermögen und die Stärke der US-Armee ableiten und der militärische Führungsanspruch der USA, den sie bis heute aufrecht halten. Am Ende weht ihre Flagge in einem Baumstumpf, eine ganz kleine zwar wie jene, die bei Paraden benutzt werden, doch die Geste ist groß genug. Und zwischen den Leichen hebt ein Amerikaner jene Trompete auf, welche die Vietnamesen ein Jahrzehnt zuvor von den Franzosen erbeutet hatten. Solch eine symbolische Revanche macht die ungeschminkte Darstellung des Krieges schließlich doch zu einem Schmierentheater.
"Wir waren Helden" ("We Were Soldiers"). USA 2002. Regie: Randall Wallace; Drehbuch: Randall Wallace; Darsteller: Mel Gibson, Madeleine Stowe, Chris Klein, Greg Kinnear, Barry Pepper, Sam Elliott; Produktion: Icon Entertainment, The Wheelhouse; Verleih: Concorde; Länge: 137 Minuten; Start: 4. Juli 2002