Wir pfeifen auf die USA?!

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Wir pfeifen auf die USA?!

 
11.01.08 19:24
boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_271024

11.01.2008 16:14
Wir pfeifen auf die USA?!
von Angela Göpfert
Wird 2008 tatsächlich das Jahr, indem sich die Börsen weltweit vom Rockzipfel der USA emanzipieren? Anhänger der Abkopplungstheorie glauben jedenfalls, Asien, Russland und Co. könnten mit ihrer Wachstumsdynamik eine Rezession in den USA überkompensieren - auch für Privatinvestoren kein uninteressantes Gedankenspiel.
Bild zum Artikel Angesichts desaströser Konjunkturdaten dürfte Anlegern der Appetit auf US-Aktien vergehen

"Wenn die USA niesen, bekommt der Rest der Welt Schnupfen." Diese alte Börsenwahrheit soll plötzlich nicht mehr gelten. "Decoupling" (Abkopplung) heißt das neue Zauberwort, mit dem Analysten, aber auch Privatanleger ihre positiven Erwartungen an das neue Jahr begründen.

Rezessionsrisiko bei 40 bis 50 Prozent
Dabei hinterlässt ein Blick auf die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA bei den meisten Anlegern derzeit eher tiefe Sorgenfalten. Denn die größte Volkswirtschaft der Welt schwächelt. Während die Optimisten unter den Analysten nur eine kleine "Konjunkturdelle" erwarten, taxiert das Gros der Experten das Rezessionsrisiko für 2008 auf knapp 40 Prozent.

Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, schätzt das Risiko einer Rezession in den USA sogar "mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent" ein. Volkswirte sprechen von einer Rezession, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen nicht wächst oder schrumpft.

Nichts als "Trickserei"
Vermögensverwalter Jens Ehrhardt geht im Gespräch mit boerse.ARD.de noch einen Schritt weiter und warnt: "Die USA befinden sich schon längst in einer Rezession!" Er unterstellt den Amerikanern "wüste Berechnungen" und "Trickserei" bei Erstellung der Konjunkturdaten. So rechneten sich die USA ihre Inflationsrate klein. "In Wirklichkeit ist das reale Wirtschaftswachstum viel niedriger als offiziell angegeben."

Auch die Perspektive für 2008 sieht nicht allzu rosig aus: In der Vergangenheit wurde das US-Wirtschaftswachstum vor allem durch die kauf- und verschuldungsfreudigen Haushalte getrieben. Doch jetzt schieben die Banken dieser Form der Konjunkturstimulierung mit strikteren Kreditvergaberegeln einen Riegel vor. "Da kann Ben Bernanke, der diese ganze Subprime-Geschichte total verschlafen hat, die Zinsen jetzt noch so sehr senken; die Konjunktur wird allein dadurch nicht in Gang kommen", sagt Ehrhardt.

Kann Asien den "Riesenbrocken" USA auffangen?
Pessimisten fürchten daher einen Dominoeffekt in der schönen neuen globalisierten Welt: Demzufolge lässt die nachlassende Nachfrage aus den USA nach ausländischen Produkten die von ihr abhängigen Schwellenländerindustrien gleich reihenweise purzeln - und in ihrem Gefolge auch Länder wie Deutschland, deren Wachstum selbst wiederum von Exporten getrieben wird. Eine wirtschaftliche Talfahrt der USA ließe zudem nicht nur die globale Konjunktur, sondern auch die Kurse an den Börsen weltweit in die Tiefe rauschen.

Vermögensverwalter Ehrhardt ist dagegen überzeugt: "Asien kann den Riesenbrocken USA auffangen. In Ländern wie Hongkong, China, Thailand, Malaysia gibt es Wachstumsraten von bis zu 15 Prozent beim Konsum, die könnten einen leichten Rückgang beim US-Konsum sehr wohl ausgleichen."

Abkopplungstheoretiker Trichet
Unterstützung bekommen die Abkoppeungstheoretiker auch von prominenter Seite: So verwies EZB-Chef Jean-Claude Trichet bei der jüngsten Sitzung der G10-Notenbankchefs auf die große Wachstumsdynamik in den Schwellenländern, in denen sich die jüngsten Finanzmarktturbulenzen infolge der US-Hypothekenmarktkrise kaum niedergeschlagen hätten: "Somit ist ein großer Teil, ein sehr dynamischer Teil der Weltwirtschaft unberührt."

Auch der Internationale Währungsfonds glaubt, dass die Wachstumsschere zwischen Industrieländern und Schwellenländern künftig zugunsten letzterer auseinander gehen wird. Und Aktienstratege Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors betont im Gespräch mit boerse.ARD.de, die Wachstumskraft der restlichen Welt, also ohne die USA, sei wesentlich größer, als Analysten bislang unterstellten.

Goldige Zeiten
Wer auch im kommenden Jahr sein Geld mit Aktien machen möchte, sollte der Abkopplungstheorie zufolge sein Depot lieber in die Ferne schweifen lassen: Ehrhardt empfiehlt Anlegern, ihre Aktienstrategie "in Richtung Asien auszudifferenzieren". Doch auch Rohstoff- und Agrarinvestments bieten eine Alternative zu - gemessen an ihren Gewinnerwartungen - überbewerteten US-Aktien. Und natürlich Gold: Erst am Freitag haben Rezessionsängste den Goldpreis auf ein Rekordhoch getrieben. Eine Feinunze des Edelmetalls kostete zeitweise 898 Dollar und lag damit in Reichweite der psychologisch wichtigen Marke von 900 Dollar.

"Der Höhenflug des Metalls scheint kein Ende zu finden," sagt LBBW-Analyst Frank Schallenberger. Der Goldpreis könne noch weit über die 1000-Dollar-Grenze gehen, ist auch Vermögensverwalter Ehrhardt überzeugt und bedauert: "Bislang verfügen aber die meisten institutionellen Anleger und vor allem die vielen Privatinvestoren über keinen nennenswerten Depotanteil in Gold."

boerse.ard.de/content.jsp?go=meldung&key=dokument_270998

11.01.2008 14:39
"USA stecken längst in der Rezession"
Die USA "tricksen" sich ihre Konjunkturdaten schön, warnt Vermögensverwalter Jens Ehrhardt im Gespräch mit boerse.ARD.de. "In Wirklichkeit ist die größte Volkswirtschaft schon seit Monaten in der Rezession!"
Jens Ehrhardt (Quelle: Ehrhardt Kapital AG) Vermögensverwalter Ehrhardt von der DJE - Dr. Jens Ehrhardt Kapital AG

boerse.ARD.de: Herr Dr. Ehrhardt, alle Welt redet von der Angst vor einer möglichen US-Konjunkturdelle. Sie glauben dagegen, die USA steckten bereits tief in der Rezession. Wie kommen Sie denn darauf?

Ehrhardt: Im Endeffekt stimmen die Zahlen einfach nicht: Die USA sind Weltmeister darin, die Inflationsrate klein zu rechnen und den Wert ihres Warenkorbes lächerlich niedrig zu halten. Die Qualitätsverbesserungen bei Produkten wie Computer werden stets viel höher angesetzt als der Preisanstieg, nach dem Motto: Die neuen Computer können ja auch viel mehr als die alten. Da wird ganz wüst herumgerechnet, das geht bis hin zu Schulheften, die angeblich eine höhere Qualität aufweisen als noch die alten und daher niedrigere Preise rechtfertigen. Das reale Wirtschaftswachstum ergibt sich durch Abzug der Inflationsrate vom nominalen Wirtschaftswachstum. Rechnet man aber die Trickserei der Amerikaner bei der Inflationsrate heraus, so ist in Wirklichkeit das reale Wirtschaftswachstum viel niedriger als angegeben. Spätestens seit Anfang des vierten Quartals befinden sich die USA in einer Rezession.

boerse.ARD.de: Laut den zugegebenermaßen verheerend schlechten US-Arbeitsmarktdaten von vergangener Woche wurden aber immerhin noch 18.000 neue Stellen geschaffen ...

Ehrhardt: Aber selbst diese Zahl ist völlig irreführend: Es handelt sich ja nicht wie beim Ifo-Index um solide Umfragewerte, sondern um oberflächliche Schätzungen. Da wird einfach angenommen, dass wenn es ein Mehr an Bevölkerungswachstum gibt, auch die Zahl der neuen Stellen steigt. Da gab es im Jahr 2007 "Korrekturen" um bis zu 300.000 Stellen nach oben pro Monat allein aufgrund der Veränderungen in der Geburten- und Sterbetabelle. Auch hier sind die Zahlen also in Wirklichkeit weitaus schlechter als man beim Blick auf die offiziellen Statistiken glauben sollte.

boerse.ARD.de: Wie lange wird diese Schwächephase der US-Wirtschaft noch andauern?

Ehrhardt: Das hängt stark davon ab, ob sich die US-Haushalte von den niedrigen Zinsen tatsächlich zu mehr Konsum verleiten lassen. Auch in der Vergangenheit war das Wirtschaftswachstum ja nicht von einer gesunden Investitionskultur getragen, sondern allein vom Konsum. Motor der US-Konjunktur waren eine Vermögenspreisinflation bei Häusern und Schuldentreiberei. Das wird aber in Zukunft so nicht mehr funktionieren. Die Konsumstimulierung über niedrige Zinsen, niedrige Steuern und Beleihung der Häuser im großen Stil hat ausgedient. Denn die Leute sind mittlerweile so stark verschuldet, dass die Banken hier Grenzen ziehen. Die Kreditgewährung wird schwer zurückgehen. Zuletzt ging die Hauptkreditgewährung aufs eigene Haus. Das ist aber jetzt nicht mehr möglich, weil die Häuserpreise nicht mehr steigen, sondern sogar fallen. Übrigens das erste Mal seit 30 Jahren. Da kann Ben Bernanke, der diese ganze Subprime-Geschichte total verschlafen hat, die Zinsen jetzt noch so sehr senken, die Konjunktur wird allein dadurch nicht in Gang kommen.

boerse.ARD.de: Aber bremst das nicht auch die anderen Nationen aus, wenn die größte Volkswirtschaft der Welt schwächelt?

Ehrhardt: Die große Frage ist dabei, wen könnte es treffen. Ich war gerade erst in Asien: Hongkong, China, Thailand, Malaysia – das sind Länder, in denen es eigentlich immer noch ganz gut brummt. Zumal deren Währungen häufig eng an den US-Dollar gekoppelt sind, das heißt diese Länder bekommen jetzt ebenfalls extrem niedrige Zinsen wie die USA verpasst. Das sollte nochmals Öl in das flackernde Konjunkturfeuer dort gießen. Meiner Meinung nach unterschätzten die Pessimisten Asien stark, wenn sie behaupten, Asien könne den Riesenbrocken USA nicht auffangen. Doch in asiatischen Ländern gibt es Wachstumsraten von 15 Prozent beim Konsum, die könnten einen leichten Rückgang beim US-Konsum sehr wohl ausgleichen.

boerse.ARD.de: Trauen Sie nicht nur der Realwirtschaft, sondern auch den Börsen in den asiatischen Schwellenländern oder in Europa tatsächlich eine längerfristige Abkopplung von der Wall Street zu?

Ehrhardt: In einer ganzen Reihe von asiatischen Ländern könnte sich die konjunkturelle Abkopplung auch in einer positiven Abkopplung der Aktienmärkte widerspiegeln. Ich empfehle deshalb Anlegern, ihre Aktienstrategie in Richtung Asien auszudifferenzieren. In Europa werden wir uns dagegen nicht ganz abkoppeln können. Drei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts gehen in die USA. Doch selbst wenn sich das halbieren sollte, hätten wir natürlich nicht gleich die absolute Ultrarezession hierzulande. Allerdings dürfte es auch für Europa gerade mit Blick auf die osteuropäischen Länder, die in eine Schuldenklemme geraten könnten, eher ein holpriges Aktienjahr werden.
Ich würde eher zu Aktien in Hongkong, Singapur oder Malaysia raten als zu hochbewerteten China-Aktien. Allerdings würde ich mir immer noch lieber eine hochbewertete China-Aktie als eine überbewertete US-Aktie ins Depot legen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse amerikanischer Unternehmen sind auf historisch hohem Niveau, doch das ist vor allem auf die sinkenden Gewinne zurückzuführen. Ich sehe für 2008 aber auch nicht den großen Zusammenbruch des US-Aktienmarkts, weil die Leute noch nicht überinvestiert sind. Trotzdem bringt ein Investment in US-Aktien, selbst wenn es leicht steigen sollte, für einen in Euro denkenden Anleger gar nichts. Zumal ich denjenigen Analysten nicht folgen kann, die eine Wiedererstarkung des Dollars prognostizieren. Ich sehe den Dollar in diesem Jahr eher bei minus fünf Prozent als bei plus zehn Prozent.

boerse.ARD.de: Welche Branchen, Länder und längerfristigen Trends würden Sie darüber hinaus Anlegern ans Herz legen?

Ehrhardt: Gold ist sicherlich noch eine gute Idee: Ich rate weiterhin zu einem großzügigen Investment in Gold. Denn wenn die Zinsen so niedrig sind wie jetzt, und die Inflation ist höher, dann haben wir einen negativen Realzins. Und dann geht Gold fast immer durch die Decke. Außerdem geht auf lange Frist die Goldproduktion zurück, während die Chinesen jedes Jahr bis zu 30 Prozent mehr Gold kaufen. Gold kann noch weit über die 1000-Dollar-Grenze gehen. Bislang verfügen aber die meisten institutionellen Anleger und vor allem die vielen Privatinvestoren über keinen nennenswerten Depotanteil in Gold.
Auch agrarpreisabhängige Investments sind für mich ein langfristiger Trend: Zumal die Agrarpreise zuletzt allein wegen der starken Nachfrage so hoch waren. Werden die Ernten aber erst einmal richtig schlecht, zum Beispiel wegen der Klimaveränderung, dann sollten die ganze Agrarpreisgeschichte so richtig anspringen. Hier würde es sich unter Umständen auch empfehlen, kurzfristige Kursrücksetzer abzuwarten. Allerdings ist der Agrarzyklus gerade erst angesprungen, da sollte es langfristig noch weit nach oben gehen.

Das Interview führte Angela Göpfert.
Stöffen:

Kontra Abkopplungstheorie

2
11.01.08 19:49
Neues Jahr, neuer Trick. Mit einer sogenannten Abkopplungstheorie sind die Bankstrategen in ihren Jahresausblicken hausieren gegangen.

Ein möglicher US-Wachstumseinbruch, so ihre These, habe keine großen Auswirkungen auf Weltkonjunktur und Börsen, da die Schwellenländer unter der Führung Chinas Ökonomie und Kurse würden heilen.

Nun ist eine Handelswoche im neuen Jahr vorbei und Anleger brauchen nur in ihr Depot schauen, um die Nachhaltigkeit dieser These zu überprüfen. Da ist von Abkopplung keine Spur. Der Dow Jones Index hat ebenso 1000 Punkte verloren wie der japanische Nikkei. Der Dax liegt vier Prozent unter Wasser, deutsche Nebenwerte sind ohnehin schon mitten im Crash…..

….Einfach nur „Mist“, sagt Donald Hanna, Schwellenländer-Experte der Citigroup, sei die Theorie, die Schwellenländer hätten sich mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bereits vom einst dominierenden US-Markt abgekoppelt. Gewiss gebe es eine graduelle Entwicklung in diese Richtung. Doch vor allem der gewaltige Konsummarkt in den USA, der rund 70 Prozent der US-Wirtschaftsleistung ausmacht, habe über die Importe nach wie vor großen Einfluss auf alle Länder, die Produkte in die USA liefern. So gehen 20 Prozent aller Exporte aus China in die USA. Ähnlich skeptisch ist Edward Bonham Carter, Chef der Vermögensverwaltung Jupiter Asset Management.

Er glaubt, „dass die asiatischen Volkswirtschaften den Sturm überstehen können, wenn sich das Wachstum der US-Wirtschaft lediglich verlangsamen sollte“. Sollten die USA aber in eine Rezession trudeln, wäre er „sehr überrascht“, wenn die asiatischen Volkswirtschaften weiter wüchsen: „Ich bezweifle, dass die Kaufkraft der Mittelklasse in Asien ausreichen wird, um einen drastischen Einbruch der US-Verbrauchernachfrage zu kompensieren.“


Die Weltwirtschaft braucht die USA. Ein Blick auf die Weltkarte der Globalisierung zeigt, wie wichtig die Vereinigten Staaten allein ihrer Größe wegen sind. 20 Prozent aller Waren und Dienstleistungen weltweit werden in den USA erwirtschaftet. Kalifornien ist so wirtschaftsstark wie Frankreich, Florida erwirtschaftet ein ähnlich hohes Bruttoinlandsprodukt wie Korea. Die weltgrößten, stark global agierenden Unternehmen – unter den Top 50 sind 19 US-Unternehmen – machen mit ihren Kunden so viel Umsatz, wie ganze Länder pro Jahr an Inlandsprodukt erwirtschaften. Exxon Mobil setzt genauso viel mit Öl um wie Saudi-Arabien. Der größte Einzelhändler der Welt, Wal-Mart, ist mit 351 Milliarden Dollar Umsatz so stark wie Österreich. Allein Wal-Mart importiert pro Jahr mehr chinesische Waren als die gesamte Bundesrepublik Deutschland, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Doch die hohe Nachfrage des Handelsriesen nach chinesischen Produkten ist nicht für alle Zeiten festgeschrieben.

Quelle: Wirtschaftswoche
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