Wir gehen nicht weg, Interwiew mit..

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Wir gehen nicht weg, Interwiew mit..

 
19.12.05 08:59
HANDELSBLATT, Montag, 19. Dezember 2005, 07:51 Uhr


Interview mit Nikolaus von Bomhard


„Wir gehen nicht weg“


Der Vorstandschef der Münchener Rück lobt die Mitarbeiter in Deutschland und den Standort. Nikolaus von Bomhard hadert aber mit den politischen Rahmenbedingungen, gleichwohl der zweitgrößte Rückversicherer der Welt so erfolgreich ist, dass sich die Aktionäre auf einen höhere Dividende freuen dürfen.

 
Nikolaus von Bomhard führt den zweitgrößten Rückversicherer der Welt. Foto: dpa  

Herr von Bomhard, kürzlich hatten Sie Gelegenheit, länger mit der Bundeskanzlerin zu sprechen. Wie ist Ihr Eindruck?

Wer heute regiert, muss das Umfeld in dem er arbeitet, verstehen. Ich bin davon überzeugt, dass Frau Merkel die schwierige Situation und die Dringlichkeit von Veränderungen erkannt hat.

Hat sie in der großen Koalition auch die Kraft, Reformen durchzusetzen?

Der Wille ist zweifelsohne vorhanden, die Probleme anzugehen, mit denen Deutschland konfrontiert ist. Diese Regierung hat keine Alternative, sie muss etwas tun. Man braucht allerdings politische Führungspersönlichkeiten, um den Wechsel zu managen.

Ist Frau Merkel diese Person?

Ja.

Welcher Wechsel genau muss gemanagt werden?

Wir haben ein System, das nach 1945 bis in die späten 60er Jahre enormes Wirtschaftswachstum erzeugt hat, das dann nach 1970 verstärkt umverteilt worden ist. Das Wachstum, aus dem umverteilt werden könnte, ist jetzt aber nicht mehr da. Und deshalb muss der Staat gegensteuern.

Also geht es Deutschland schlecht?

Es gibt wenig Länder, in denen der Einzelne – das ist jetzt, ich weiß, eine sehr grobe Durchschnittsbetrachtung - so wohlhabend ist und dies so erfolgreich versteckt. Man kann sagen, in Deutschland kokettieren wir mit der Armut des Individuums, obwohl es in Wahrheit der Staat ist, der nicht mehr reich ist.


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Der Macher: Der 49-jährige Franke ist ein Mann von Welt: polyglott, intellektuell, ein perfekter Gastgeber. Nikolaus von Bomhard braucht keine Starallüren – er setzt nicht sich, sondern allenfalls sein Unternehmen in Szene. Und das kennt er von der Pike auf. Als promovierter Jurist hat er 1985 als Trainee in der Königinstraße angefangen. Er ist ein Gewächs des Hauses. Doch er scheut weder Veränderungen, noch mangelt es ihm an Durchsetzungskraft. Der drahtige Marathonläufer ist erst der achte Chef des 125-jährigen Weltkonzerns. Unweit der Zentrale am Englischen Garten wohnt er mit seiner amerikanischen Frau und den beiden Töchtern.

Die Firma: Die Münchener Rück gehört weltweit zu den führenden Rückversicherern und ist in Deutschland über die Tochter Ergo auch der zweitgrößte Erstversicherer. Der Gesamtumsatz liegt bei gut 38 Mrd. Euro. Zu den Kunden zählen 5000 Versicherungsgesellschaften aus mehr als 160 Ländern. Der Sitz ist und bleibt München.


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Wie kann der Staat sein Einkommensproblem lösen? Die Vermögensbesteuerung ist noch immer ein Thema.

Ich halte Substanzsteuern für sehr gefährlich. Denn gerade große Vermögen sind außerordentlich beweglich, außerdem ist es schwierig und teuer, solche Steuern überhaupt einzutreiben. Eine Vermögenssteuer würde die zu versteuernden Vermögen außer Landes treiben. Diese Steuerdiskussion ist nur politisch motiviert.

Was bitte soll den Staat handlungsfähig machen?

Ohne nennenswerte Erfolge in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird es nicht gehen. Ich bevorzuge ein Kombilohn-Modell, damit auch weniger Qualifizierte wieder den Weg in den Arbeitsmarkt finden. Nur mit geringerer Arbeitslosigkeit kann die Belastung der sozialen Haushalte gemindert werden und der Konsum gefördert werden. Diese Spirale ist bisher noch nicht nachhaltig in Gang gesetzt worden.



Sie selbst entlassen ja ebenfalls Mitarbeiter bei Ihrer Erstversicherungstochter Ergo. Wie passt das zusammen?

Langsam! Wenn Sie ein Unternehmen führen, dann müssen Sie sicherstellen, dass es konkurrenzfähig bleibt. Das erfordert immer wieder, die Strategie dem Umfeld anzupassen. Und aus der Strategie folgen Strukturen. Bei Ergo geht es darum, den selbstständigen Außendienst zu stärken und den fest angestellten Außendienst zurückzunehmen. Wenn Mitarbeiter diesen Weg nicht gehen wollen und man keine Alternative findet, dann kann es zu Freisetzungen kommen.

Ihr Haus legt 2005 ein Rekordergebnis vor, wie erklären Sie das den möglicherweise Betroffenen?

Ein Unternehmen kann und darf seine langfristige Geschäftspolitik nicht von einem besonders guten Jahr abhängig machen.. Nur geschäftlicher Erfolg sichert langfristig Arbeitsplätze.

Zurück zum Reformstau, welche Probleme sind für Sie die vordringlichsten?

Ich nenne drei große Blöcke: Die Arbeitsmarktpolitik, die Steuerpolitik und die Renten- und Gesundheitspolitik. Erste Schritte sind teilweise bereits eingeleitet worden. Allerdings ist die Gesundheit bisher ausgeklammert. Der wird man sich jetzt im ersten Halbjahr 2006 mit aller Kraft widmen. Das wird für die Assekuranz das wichtigste Thema werden.

Welchen Weg schlagen Sie vor?

Wenn ich etwas ändern will, gibt es nur zwei Richtungen: Einerseits Eigenverantwortung und damit Eigenvorsorge stärken, andererseits auf Kapitaldeckung umstellen.

Heißt das eine komplette Aufgabe des bisherigen Nebeneinanders von privater und gesetzlicher Krankenversicherung?

Ich halte das deutsche System für ein sehr gutes System mit seiner Mischung aus beiden Blöcken, auch im Sinne eines Wettbewerbs der beiden. Ich halte es auch für sozial angemessen. Ich würde nie sagen, dass eine rein private Versicherung der richtige Weg ist. Das deutsche Modell ist sogar exportfähig, es muss nur reformiert werden.

Wo in der Welt ist das deutsche System begehrt?

Wir helfen schon beim Ausbau der privaten Krankenversicherung in China. Dabei haben wir keine Berührungsängste mit dem staatlichen Gesundheitssystem. Wir haben uns dort über die DKV an der Neugründung des privaten Krankenversicherers PICC HEALTH beteiligt. Aktiv sind wir jetzt auch in Abu Dhabi. Dort geht es ebenfalls um einen privatwirtschaftlichen Ansatz, nämlich die Organisation und den Betrieb einer obligatorischen Basis- und Krankenversicherung und das Angebot von Zusatzversicherungen für ausländische Arbeitnehmer im Land. Bisher ist die arabische Welt ja weitgehend frei von beitragsfinanzierten Gesundheitssystemen.

Woher rührt hier das Engagement der Münchener Rück?

Wir betreiben Rück- und Erstversicherung, wozu auch die private Krankenversicherung gehört. Dies schafft weltweit einzigartige Wissenssynergien, die in vielen Ländern gefragt sind. Schließlich ist unser Geschäft international.



International ist ein gutes Stichwort: Wie lange bleiben Sie als global Player dem Standort Deutschland noch treu?

Wir haben keine Pläne hier wegzugehen. Sicher können Sie Rückversicherung fast überall betreiben. Aber die Herkunft des Geschäfts ist nicht maßgeblich für den Standort. Wichtig sind die Ressourcen. In München haben wir fantastische Mitarbeiter. Ich kann mir allerdings bessere Rahmenbedingungen in Deutschland vorstellen.

Woran hapert es?

Ein Wettbewerbsnachteil ist etwa die Mindestbesteuerung für Unternehmen. In unserem volatilen Geschäft können wir deshalb Verluste aus Großschäden nur über Jahre steuerlich geltend machen.

Ganz anders sind hier die Bermudas. Sie locken Rückversicherer mit Steuerfreiheit. Wäre dies attraktiv für die Münchener Rück?

Dagegen spricht einiges. Sie finden nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter auf den Bermudas, und Sie können eine Unternehmenskultur nicht so einfach verpflanzen. Im übrigen wollen unsere Kunden einen Rückversicherer in Deutschland.

Also hat die Branche in Deutschland Zukunft ?

Wenn die Assekuranz ihre Hausaufgaben macht, wird sie einer der ganz großen Arbeitgeber in Deutschland bleiben. Schon heute beschäftigt die Finanzindustrie hier mehr Menschen als die Automobilindustrie.

Welche Hausaufgaben sind das?

Wichtig ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wann gearbeitet wird, ist eine sehr wichtige Frage, weil wir beispielsweise Arbeitsspitzen abfangen müssen. Der Betrieb muss auch mal durchlaufen können, da geht es uns ganz ähnlich wie der Industrie.

Die Schweizer Rück hat mit dem Kauf der Versicherungssparte von General Electric die Münchener Rück an der Weltmarktspitze abgelöst. Ärgert es Sie, nur noch der Zweitgrößte zu sein?

Wir beide sind nach wie vor Weltmarktführer. Das Kriterium ist ja nicht allein der Umsatz. Es kommt vielmehr auf die Profitabilität an. Und dieses Jahr werden wir voraussichtlich das beste Ergebnis aller Konkurrenten erwirtschaften.

Wie wirkt sich das für die Aktionäre aus?

Wir haben dieses Jahr damit begonnen, die Dividende flexibler zu gestalten. Demnach erhält der Aktionär grundsätzlich ein Viertel des Gewinns oder mehr. Insofern hat er für 2005 eine deutlich höhere Dividende zu erwarten.

Um diese Ergebnisverbesserung zu erreichen, haben Sie in diesem Jahr große Aktienpakete an der HVB und der Allianz verkauft. Ist die Ära der besonderen Beziehungen zur Allianz, die Münchener Ausprägung der Deutschland AG, damit am Ende?

Mit dem, was Deutschland AG genannt wurde, weiß ich nichts anzufangen. Wir haben uns von Anteilen an Allianz und HVB getrennt, um unsere Konzentration in Finanzwerten zu verringern. Natürlich ist die Allianz einer unserer Großkunden. Aber eine Sonderbeziehung über diese besondere Kundenverbindung hinaus wollen wir nicht und will auch die Allianz nicht. Die Allianz, die einmal unsere Schwester war, ist heute auch unser Konkurrent. Da hat sich sehr vieles verändert.



Seit vorigen Freitag sind Sie Mitglied im Board der Unicredito, die die HVB übernommen hat. Sie haben diese Übernahme als Großaktionär immer unterstützt, obwohl die HVB jüngst den Eindruck hinterließ, das Ärgste hinter sich zu haben. Können Sie das erklären?

Die Frage ist doch, ob es reicht, als europäische Großbank die Kapitalkosten zu verdienen. Wir waren wie der Vorstand der HVB immer der Meinung, dass die Bank mit einem starken Partner für die Zukunft besser gerüstet ist.

Sind Sie als Weltkonzern besorgt über die Zuspitzung im Nahen Osten, auch was das Terrorrisiko angeht?

Die Situation dort und im Mittleren Osten ist bedauerlicherweise alles andere als stabil. Wir leben in sehr unruhigen Zeiten.

Hat Amerikas Krieg gegen den Terror die Gefahren gebannt?

Das Phänomen Terrorismus ist viel unberechenbarer geworden. Der Angriff auf das World Trade Center war auch für die Assekuranz ein Wendepunkt, an dem wir unseren Versicherungsschutz für Terrorrisiken dramatisch verändert und eingeschränkt haben.

Als Versicherer sind Sie ja verstärkt von Naturkatastrophen betroffen. Unterstützen Sie die Klimaschutz-Aktivitäten von Montreal?

Ja, das machen wir. Wir bringen überall, wo wir es das können, unser Wissen ein. Ich bin davon überzeugt, dass die Idee der Selbstbeschränkung richtig ist.

Hinter uns liegen zwei Jahre mit extremen Wirbelsturmaktivitäten in den USA und Japan. Ist dies eine Folge des Klimawandels?

Es gibt unzweifelhaft den Trend des Klimawandels. Hinzu kommen natürliche Temperaturzyklen. Wir befinden uns derzeit in einer Warmphase des Nordatlantiks, was wiederum zu mehr Sturmaktivitäten führt. Noch bewegen wir uns im ersten Drittel eines dieses Zyklus, der gewöhnlich 20 bis 30 Jahre dauert. Darauf müssen wir uns mit unserer Geschäftspolitik einstellen.

Herr von Bomhard, landläufig gilt das Versicherungsgeschäft als eher spröde Angelegenheit. Bei Ihnen hingegen klingt das Wort Assekuranz, als stecke es voller Spannung. Was fasziniert Sie so daran?

Wer sich mit Versicherung beschäftigt, der merkt sehr bald, dass er ein unglaublich breit angelegtes Themenspektrum abdecken muss. Denn egal was geschieht, ob in der Mikro- oder Makroökonomie, ob in der Politik, beim Klima, ja selbst in der Kultur, irgendwie betrifft es immer auch die Assekuranz. In dieser Fülle von Stoff und Information Orientierung zu behalten und Entscheidungen zu treffen, das macht die Herausforderung aus.


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