Amory B.Lovins: Winning the Oil Endgame
Amerika und die Droge Erdöl
Von Hans-Jochen Luhmann, Handelsblatt
Ein Kabarettist habe einmal, so berichtet Amory Lovins, diese Bemerkung gemacht: „Angesichts unserer ,Sucht’ nach Öl, was sagen da unsere Politiker? ,Mehr davon!’ Das ist schon verrückt, wenn man bedenkt, dass ihr Standardrezept bei Drogenabhängigkeit lautet: ,Entzug!’“ Lovins und seine Co-Autoren vom Rocky Mountains Institute haben die Frage gestellt, die ein Drogenabhängiger sich niemals trauen würde nur zu denken: Wie schlimm ist es wirklich, von der Droge Öl loszukommen?
HB WUPPERTAL.Die These des Buches „Winning the Oil Endgame“, in einem Satz zusammengefasst: Es rechnet sich, vollständig von ausländischem Öl unabhängig zu werden – für die USA, wohlgemerkt. Der Schluss: „Dann rechnet sich das für andere Staaten auch“ ist jedoch nicht gestattet.
Die Untersuchung fragt nach den Kosten eines „Weiter so“-Szenarios und stellt denen die Kosten für den Fall gegenüber, dass die USA den Schritt zur völligen Unabhängigkeit vom ausländischen Öl wagen. Die Differenz ist positiv. Die USA könnten vollständig vom Öl loskommen, und dies profitabel. Hergeleitet wird das Ergebnis in einer begrenzten Vollkostenrechnung. Dafür reichen allein die Zahlungen, die das US-Budget direkt betreffen. Massiv ins Gewicht fallen dabei die Bezugskosten für Ölimporte sowie die induzierten volkswirtschaftlichen Kosten auf Grund der Volatilität des Ölpreises.
Amerika-spezifisch ist die Studie wegen der geringen Energieeffizienz des dortigen Verkehrssektors. Und wegen des kostenträchtigen militärischen Engagements der USA zur Sicherung ihres Nachschubs an Rohöl. Dieser beiden Aufwandsposten wegen spielen die USA eine Sonderrolle auf der Erde.
Es ist in dieser Logik, dass die Autoren ein bildhaft zu verstehendes Riesenölfeld entdecken, angesiedelt in Detroit, der Metropole des Auto-Baus. Zu fördern ist dieses „Öl“ nicht mit Bohrern und Pumpen, sondern mit Effizienztechniken des Automobil- und Flugzeugbaus. Mit einem erschlossenen „Detroit-Ölfeld“ könnte die militärische Sicherung des „Suchtmittelhandels“ überflüssig werden, meinen die Autoren. Damit wird verständlich, dass das Lovinsche Nachdenken vom Pentagon gesponsert wurde. Dass das US-Verteidigungsministerium sich überhaupt an der Erschließung alternativer strategischer Optionen beteiligt, zeigt zugleich, wie weit diese Option schon vorgedrungen ist im militärisch-industriellen Komplex.
Angesichts dessen sollte es niemanden überraschen, wenn die USA sich urplötzlich zu einem Vorreiter internationaler Klimapolitik wandeln. Es liegt in ihrem ökonomischen Interesse wie dem keines anderen Landes dieser Erde.
Der Autor ist Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen beim Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.
HANDELSBLATT, Sonntag, 14. August 2005, 10:00 Uhr
Amerika und die Droge Erdöl
Von Hans-Jochen Luhmann, Handelsblatt
Ein Kabarettist habe einmal, so berichtet Amory Lovins, diese Bemerkung gemacht: „Angesichts unserer ,Sucht’ nach Öl, was sagen da unsere Politiker? ,Mehr davon!’ Das ist schon verrückt, wenn man bedenkt, dass ihr Standardrezept bei Drogenabhängigkeit lautet: ,Entzug!’“ Lovins und seine Co-Autoren vom Rocky Mountains Institute haben die Frage gestellt, die ein Drogenabhängiger sich niemals trauen würde nur zu denken: Wie schlimm ist es wirklich, von der Droge Öl loszukommen?
HB WUPPERTAL.Die These des Buches „Winning the Oil Endgame“, in einem Satz zusammengefasst: Es rechnet sich, vollständig von ausländischem Öl unabhängig zu werden – für die USA, wohlgemerkt. Der Schluss: „Dann rechnet sich das für andere Staaten auch“ ist jedoch nicht gestattet.
Die Untersuchung fragt nach den Kosten eines „Weiter so“-Szenarios und stellt denen die Kosten für den Fall gegenüber, dass die USA den Schritt zur völligen Unabhängigkeit vom ausländischen Öl wagen. Die Differenz ist positiv. Die USA könnten vollständig vom Öl loskommen, und dies profitabel. Hergeleitet wird das Ergebnis in einer begrenzten Vollkostenrechnung. Dafür reichen allein die Zahlungen, die das US-Budget direkt betreffen. Massiv ins Gewicht fallen dabei die Bezugskosten für Ölimporte sowie die induzierten volkswirtschaftlichen Kosten auf Grund der Volatilität des Ölpreises.
Amerika-spezifisch ist die Studie wegen der geringen Energieeffizienz des dortigen Verkehrssektors. Und wegen des kostenträchtigen militärischen Engagements der USA zur Sicherung ihres Nachschubs an Rohöl. Dieser beiden Aufwandsposten wegen spielen die USA eine Sonderrolle auf der Erde.
Es ist in dieser Logik, dass die Autoren ein bildhaft zu verstehendes Riesenölfeld entdecken, angesiedelt in Detroit, der Metropole des Auto-Baus. Zu fördern ist dieses „Öl“ nicht mit Bohrern und Pumpen, sondern mit Effizienztechniken des Automobil- und Flugzeugbaus. Mit einem erschlossenen „Detroit-Ölfeld“ könnte die militärische Sicherung des „Suchtmittelhandels“ überflüssig werden, meinen die Autoren. Damit wird verständlich, dass das Lovinsche Nachdenken vom Pentagon gesponsert wurde. Dass das US-Verteidigungsministerium sich überhaupt an der Erschließung alternativer strategischer Optionen beteiligt, zeigt zugleich, wie weit diese Option schon vorgedrungen ist im militärisch-industriellen Komplex.
Angesichts dessen sollte es niemanden überraschen, wenn die USA sich urplötzlich zu einem Vorreiter internationaler Klimapolitik wandeln. Es liegt in ihrem ökonomischen Interesse wie dem keines anderen Landes dieser Erde.
Der Autor ist Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen beim Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.
HANDELSBLATT, Sonntag, 14. August 2005, 10:00 Uhr