Wie nützlich sind Perma-Bullen und Perma-Bären?

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Anti Lemming:

Wie nützlich sind Perma-Bullen und Perma-Bären?

 
08.07.05 17:45
In der Aktien-Tippgeber-Szene tummeln sich viele Leute, die ständig bullisch sind, im Hoch wie im Tief. Dazu zählt etwa unser aller Freund "Bernie" Bernecker. Andere wie Stephen Roach sind notorische Perma-Bären.

Was nützen uns, den gemeinen Kleinanlegern, die Tipps von diesen "Gurus"?

Ich fand dazu heute ein schönes Statement bei thestreet.com:

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"I find the advice of always-bullish market commentators, like Joe Battipaglia, particularly unhelpful. The economic equivalent of that seems to be Larry Kudlow. All economic data is always positive no matter what it may be. There is no mystery at all about how he is going to view things. It is positive no matter what -- and that sure doesn't help us navigate the market."

James De Porré
(vorwiegend charttechnisch orientierter Kommentator, der bei thestreet.com laufend die aktuelle Marktlage analysiert)
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Perma-BULLEN bringen uns als Ratgeber mithin nichts, weil sie immer dasselbe sagen: Kaufen, kaufen, kaufen. Im Hoch soll man kaufen, weil alles so schön gestiegen ist und die Charts so toll aussehen, im Tief soll man kaufen, weil alles so schön gefallen und mithin billig und unterbewertet ist. Dabei bleibt dann freilich offen, mit welchen Geld man im Tief kaufen soll, wenn man doch "oben" schon alles verschossen hat.

Perma-BÄREN sind aus den gleichen Gründen (aber umgekehrt) ebenso nutzlos.

IDEALE Marktkommentatoren - zu denen ich obigen James De Porré zähle - haben IMHO eine gesunde Mischung aus bärischen und bullischen Elementen. Es schadet gar nicht, wenn sie in hochgelaufenen Märkten raten, einiges "vom Tisch zu nehmen", um so Kapital anzusammeln, das man später, wenn alles mal wieder unten ist, besser wieder anlegen kann. Wenn die Börsen stark in den Keller gehen, werden diese "ausgewogenen" Kommentatoren immer bullisher. Das Gute daran: Man kann mit diesem Rat nun tatsächlich etwas anfangen, nämlich im (vermuteten) Tief kaufen, da man ja im (vermuteten) Hoch die Aktienquote runtergefahren hat. Das steigert die Gesamtperformance enorm, auch wenn man praktisch nie genau das Hoch oder das Tief erwischt.

Doch ein solcher Rat verkauft sich schlecht. Das Problem: Die Masse der Kleinanleger will Leute, die ihnen Honig um den Bart schmiert und sie in ihrem (statistisch erwiesenen) Fehlverhalten unterstützt. Die meisten "kleinen Leute" kaufen euphorisch im Hoch (z. B. Deutsche Telekom bei 100 Euro oder Yahoo bei 500 Dollar). Dazu lesen sie dann mit Entzücken die "Hurra"-Schreie der Perma-Bullen (die sie in ihrer fatalen Fehleinschätzung unterstützen), da deren Kommentare ihrer irrigen vorgefassten Meinung entsprechen. Im Tief hingegen schmeißen die meisten Kleinen ihr Zeugs mit Verlusten hin und kehren sich teils für immer von der Börse ab. Doch nun finden sich andere "Fans" für die Perma-Bullen, die sie nun schätzen, weil sie den Mut und "den Riecher" haben, im Tief noch positiv zu sein. Eine neuer Käufergruppe also. Mithin können Perma-Bullen in ALLEN MÄRKTEN IMMER ihre Klientel finden.

Faktisch jedoch nützen sie uns IMHO aus den obigen Gründen ziemlich genau nichts. Sie verdienen nur selber gut.
Anti Lemming:

keine Meinungen?

 
12.07.05 09:41
Hat hier wirklich niemand eine Meinung zu bezahlten Perma-Bullen-Börsenbriefen bzw. "Guru"-Tipps à la Bernecker? Würde mich wundern, wo doch so viele hier ihre Anlageentscheidungen aufgrund solcher Börsenbriefe treffen. Oder darf ich das Schweigen im Walde dahingehend werten, dass Ihr meine Kritik daran substanzlos findet? Ich halte das Thema jedenfalls für interessant genug, um es in einem Börsen-Forum zu diskutieren.
Anti Lemming:

Von wegen billige Aktien

 
10.08.05 11:38
Hier mal jemand, der nicht gesundbetet:

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FTD - Das Kapital

Von wegen billige Aktien


Kaum jemand würde bestreiten, dass die Millenniumsblase eine der größten in der Geschichte war. Und fast alle würden der Behauptung zustimmen, dass die Blase zwar in den Sektoren Technologie, Medien und Telekom (TMT) am ausgeprägtesten war, aber im Grunde alle Branchen erfasst hatte.


Heute gelten vor allem europäische Aktien als billig, besonders wenn man sie - unreflektiert - mit Anleihen vergleicht. Wie die Zeit die Wahrnehmung doch verklären kann.

Von den 501 Aktien, die schon Anfang 2000 im Stoxx 600 waren, sind seither 327 gestiegen. Drei davon um mehr als 1000 Prozent, 135 Titel um 100 bis 1000 Prozent. Von den 18 Sektoren im Stoxx sind seit Anfang 2000 acht im Plus, vier weitere mit bloß 4 bis 18 Prozent im Minus. Ähnlich verhält es sich in den USA. Von den 474 Aktien, die schon Anfang 2000 im S&P 500 waren, haben seither 302 zugelegt - 109 um mehr als 100 Prozent.

Im MSCI Europa kosten von den 21 Sektoren außerhalb der Finanzbranche nur fünf weniger als den 15fachen laufenden Konsensgewinn: Autos (12,2), Energie (11,5), Grundstoffe (12,4), Telekom (14,9) und Versorger (14,6). Ansonsten reicht das KGV bis 28 für Software und 33 für Halbleiter. Was Europa so billig erscheinen lässt, ist vor allem die Finanzbranche, die den knapp 12fachen Gewinn kostet. Gemessen an ihrer Wertschöpfung ist ihr Indexgewicht von knapp 30 Prozent indes ungeheuerlich hoch.

Eine andere Indikation ist, dass der MSCI Europa im Verhältnis zum nominalen BIP des Euroraums derzeit um rund zwei Fünftel über dem Schnitt seit 1977 liegt (bis dahin reichen die Eurostat-Daten zurück). Berechnet man den Mittelwert nur bis 1996, als auch in Europa die Blase ihren Anfang nahm, liegt das derzeitige Verhältnis von MSCI Europa zum BIP um vier Fünftel über dem Schnitt.

Wie passt das alles zusammen? Na ja, in den Gewinnschätzungen ist eine mittlere Eigenkapitalrendite von 16,5 Prozent unterstellt. Das ist das Doppelte der Eigenkapitalkosten. Die Margen in Europa mögen sich strukturell verbessert haben, und die Lohnmacht der Arbeitnehmer bleibt noch lange begrenzt. Aber wenn die ökonomische Theorie zu irgendetwas taugt, kann eine derartige Rentabilität nicht nachhaltig sein.

Die Annahme, dass die europäischen Firmengewinne weiter schneller steigen als das BIP, steht zumindest insofern auf wackeligen Beinen. Da verfängt auch der Einwand kaum, dass die Firmen immer mehr Geschäft in Übersee machen. Denn die Ausländer naschen auch am europäischen Kuchen. Nicht umsonst liegt auch die US-Marktkapitalisierung um vier Fünftel über dem bis 1996 gerechneten Nachkriegsschnitt.

Ein bisschen fühlt es sich an wie Ende der 90er Jahre, wobei die Übertreibung heute weniger in den KGV ersichtlich wird als in den zu Grunde liegenden Margenunterstellungen. Das kann noch eine gute Weile so gehen. Das dicke Ende aber kommt so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche.

FTD, 5.8.05
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