Wie Merrill Lynch seinen Großkunden pflegte
Um seinen Kunden entgegenzukommen, hat das Investmenthaus Merrill Lynch offenbar unbequeme Mitarbeiter abgezogen. Kaufempfehlungen bekam der Energieriese praktisch auf Bestellung.
Seine Expertise beförderte John Olson geradewegs in die Arbeitslosigkeit. Nach eingehender Prüfung war der Merrill-Lynch-Analyst zu dem Schluss gekommen, dass die Aktie des Energie-Händlers Enron nicht mehr zum Kauf empfohlen werden konnte. Er telefonierte mit seinen besten Kunden und riet ihnen von einem Einstieg ab. "Halten", empfahl Olson in seiner Aktien-Analyse - "Verkaufen" wäre wohl ehrlicher gewesen, aber schließlich war Enron ein guter Kunde.
Doch der gute Kunde aus Texas verlangte offenbar mehr. Das jedenfalls geht aus den Unterlagen hervor, die der Senatsausschuss zur Durchleuchtung der Enron-Banken-Connection bislang gesichtet hat. Bisher hatten die Verantwortlichen des renommierten Investmenthauses immer energisch bestritten, dass eine Verbindung zwischen Analysteneinstufungen für Enron und dem Versuch, mit Enron anderweitig ins Geschäft zu kommen, bestand. Trotzdem hatten die Mitglieder des Gremiums wohl mit einigen Absprachen hinter verschlossenen Türen gerechnet, als sie ihre Arbeit aufnahmen. Doch was sie zu Tage förderten, verschlug ihnen die Sprache.
Die Expertise, die Olson seinen Job kostete, datiert vom Sommer 1998, als noch niemand mit einer Schieflage des Energie-Händlers rechnete. Offenbar waren sich die Enron-Verantwortlichen nicht zu schade, nach der Herabstufung direkt bei Merrill Lynch zu intervenieren. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, machten sie sogar die künftigen Geschäftsbeziehungen beider Unternehmen von einer gefälligeren Einstufung abhängig.
Die Merrill-Lynch-Manger Rick Gordon und Schuyler Tilney reagierten ganz im Sinne ihrer Geschäftspartner. Sie schrieben einen Brandbrief an den damaligen Merrill Lynch-Präsidenten Herbert Allison, in dem sie Olson direkt für ein geplatztes Geschäft mit Enron verantwortlich machten. Nur Olsons Verhalten sei es zuzuschreiben, dass das Verhältnis zu Enron bereits über einen längeren Zeitraum hinweg sehr angespannt gewesen sei. "Herr Olson hat sich nicht gerade als Unterstützer von Enron hervorgetan, obwohl das Unternehmen zu den größten und erfolgreichsten in den Vereinigten Staaten gehört", schrieben die Merrill-Lynch-Manager.
Gordon und Tilney monierten außerdem, dass Olson sich des öfteren durch kritische Bemerkungen auf Analystenkonferenzen hervorgetan habe. Und das sogar in Anwesenheit von Enrons Top-Managern Jeffrey Skilling und Kenneth Lay.
Das Memo verfehlte seine Wirkung nicht. Im August 1998 verließ Olson das Investmenthaus und suchte sich einen neuen Job. An seine Stelle kam ein anderer Analyst, der Enron wenige Monate später wieder mit den besten Kauf-Empfehlungen versah.
In einer E-Mails berichtete Tilney seinem Chef Allison im Januar 1999 über die neue Sachlage: "Was unser Verhältnis zu Enron betrifft, will ich über die neueste Entwicklung berichten, seitdem Sie mit Kenneth Lay gesprochen haben. Es ist klar, dass Ihre verantwortungsvolle Initiative von den Verantwortlichen bei Enron mit großer Zufriedenheit aufgenommen worden ist. Die Animositäten konnten im Laufe der vergangenen Monaten vollständig überwunden werden".
Tatsächlich zeigten sich die Enron-Verantwortlichen sehr zufrieden mit dem Kurswechsel des Investmenthauses. Experten schätzen, dass Merrill Lynch in den folgenden Jahren durch die Geschäfte mit dem Energie-Händler mindestens 45 Millionen Dollar allein an Gebühren kassiert hat.
von Michael Kröger
Um seinen Kunden entgegenzukommen, hat das Investmenthaus Merrill Lynch offenbar unbequeme Mitarbeiter abgezogen. Kaufempfehlungen bekam der Energieriese praktisch auf Bestellung.
Seine Expertise beförderte John Olson geradewegs in die Arbeitslosigkeit. Nach eingehender Prüfung war der Merrill-Lynch-Analyst zu dem Schluss gekommen, dass die Aktie des Energie-Händlers Enron nicht mehr zum Kauf empfohlen werden konnte. Er telefonierte mit seinen besten Kunden und riet ihnen von einem Einstieg ab. "Halten", empfahl Olson in seiner Aktien-Analyse - "Verkaufen" wäre wohl ehrlicher gewesen, aber schließlich war Enron ein guter Kunde.
Doch der gute Kunde aus Texas verlangte offenbar mehr. Das jedenfalls geht aus den Unterlagen hervor, die der Senatsausschuss zur Durchleuchtung der Enron-Banken-Connection bislang gesichtet hat. Bisher hatten die Verantwortlichen des renommierten Investmenthauses immer energisch bestritten, dass eine Verbindung zwischen Analysteneinstufungen für Enron und dem Versuch, mit Enron anderweitig ins Geschäft zu kommen, bestand. Trotzdem hatten die Mitglieder des Gremiums wohl mit einigen Absprachen hinter verschlossenen Türen gerechnet, als sie ihre Arbeit aufnahmen. Doch was sie zu Tage förderten, verschlug ihnen die Sprache.
Die Expertise, die Olson seinen Job kostete, datiert vom Sommer 1998, als noch niemand mit einer Schieflage des Energie-Händlers rechnete. Offenbar waren sich die Enron-Verantwortlichen nicht zu schade, nach der Herabstufung direkt bei Merrill Lynch zu intervenieren. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, machten sie sogar die künftigen Geschäftsbeziehungen beider Unternehmen von einer gefälligeren Einstufung abhängig.
Die Merrill-Lynch-Manger Rick Gordon und Schuyler Tilney reagierten ganz im Sinne ihrer Geschäftspartner. Sie schrieben einen Brandbrief an den damaligen Merrill Lynch-Präsidenten Herbert Allison, in dem sie Olson direkt für ein geplatztes Geschäft mit Enron verantwortlich machten. Nur Olsons Verhalten sei es zuzuschreiben, dass das Verhältnis zu Enron bereits über einen längeren Zeitraum hinweg sehr angespannt gewesen sei. "Herr Olson hat sich nicht gerade als Unterstützer von Enron hervorgetan, obwohl das Unternehmen zu den größten und erfolgreichsten in den Vereinigten Staaten gehört", schrieben die Merrill-Lynch-Manager.
Gordon und Tilney monierten außerdem, dass Olson sich des öfteren durch kritische Bemerkungen auf Analystenkonferenzen hervorgetan habe. Und das sogar in Anwesenheit von Enrons Top-Managern Jeffrey Skilling und Kenneth Lay.
Das Memo verfehlte seine Wirkung nicht. Im August 1998 verließ Olson das Investmenthaus und suchte sich einen neuen Job. An seine Stelle kam ein anderer Analyst, der Enron wenige Monate später wieder mit den besten Kauf-Empfehlungen versah.
In einer E-Mails berichtete Tilney seinem Chef Allison im Januar 1999 über die neue Sachlage: "Was unser Verhältnis zu Enron betrifft, will ich über die neueste Entwicklung berichten, seitdem Sie mit Kenneth Lay gesprochen haben. Es ist klar, dass Ihre verantwortungsvolle Initiative von den Verantwortlichen bei Enron mit großer Zufriedenheit aufgenommen worden ist. Die Animositäten konnten im Laufe der vergangenen Monaten vollständig überwunden werden".
Tatsächlich zeigten sich die Enron-Verantwortlichen sehr zufrieden mit dem Kurswechsel des Investmenthauses. Experten schätzen, dass Merrill Lynch in den folgenden Jahren durch die Geschäfte mit dem Energie-Händler mindestens 45 Millionen Dollar allein an Gebühren kassiert hat.
von Michael Kröger