Wie man eine Rallye herbeibeschwört

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Wie man eine Rallye herbeibeschwört

 
16.08.02 06:45
Amerikaner lieben große Gesten, und das Kalkül ist zunächst aufgegangen. Seit die Frist für Bilanztrickser abgelaufen ist, klettern die Kurse. Doch die Liste der SEC birgt noch einige Risiken.

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Nach bestem Wissen: US-Manager müssen ihre Bilanzen künftig beeiden

Die verschärften Börsengesetze in den USA sind eine Verzweiflungstat, um das durch zahlreiche Bilanzskandale ramponierte Image von "Corporate America" wieder aufzupolieren und Anleger zurück in die USA zu locken. Zumindest der Anfang ist gemacht: Seit die Vorstands- und Finanzchefs der großen börsennotierten Konzerne ihre Bilanzen "nach bestem Wissen" beeiden müssen, sind die Kurse an der Wall Street deutlich nach oben geklettert.

Mit dem Mut der Verzweiflung

Die "Stunde der Wahrheit" mit Ablauf der Frist am 14. August war in New York gleichzeitig der Startschuss für eine deutliche Erholung. Anleger zeigen sich erleichtert, dass bislang keine dramatischen neuen Buchhaltungsbetrügereien offenbart worden sind. Damit ist aber nicht per Handstreich alles besser geworden - es ist lediglich nicht noch schlimmer gekommen.

Die Probleme sind damit noch nicht bereinigt. Die Rechnungslegung nach US-GAAP läßt weiterhin Raum für Bilanzakrobatik - ein großer Teil der kreativen Buchhaltung bei Enron zum Beispiel war legal. Das neue Gesetz schafft lediglich die Voraussetzungen für ein künftig härteres Vorgehen. Ob sich Bilanzsünder, die ihre Zahlen "nach bestem Wissen" beeiden, künftig tatsächlich festnageln lassen, bleibt unsicher.

Doch zunächst zählt die große Geste. Die Unternehmenslenker von etwa 700 der größten US-Aktiengesellschaften mit mehr als 1,2 Milliarden Dollar Umsatz mussten bis Mittwochabend erstmals eidesstattlich bestätigen, dass der letzte Jahres- und Quartalsbericht sowie andere relevante Dokumente ihrer Firmen wahr sind.

Dabei handelt es sich um Unternehmen, die ihre Bilanzen auf Kalenderjahr-Basis vorlegen. Die anderen Firmen, die nicht auf Kalenderjahr-Basis berichten, haben mit der Eingabe der Bilanzschwüre noch Zeit. Insgesamt müssen die Firmen- und Finanzchefs von zunächst 947 US-Großkonzernen die Bilanzen ihrer Firmen mit Schwur als wahrheitsgemäß bei der SEC bestätigen.

Bestätigungen in letzter Sekunde

Praktisch in letzter Sekunde gingen am Mittwoch Abend bei der SEC hunderte von Bilanzbestätigungen ein. Die letzte Auszählung führte in der Nacht zum Donnerstag insgesamt 510 Ergebnisbestätigungen auf. Die SEC liegt aber mit der Eingabe in ihr Computersystem im Rückstand, so dass die tatsächliche Zahl der Eingänge höher sein dürfte.

Auf ihre Bilanz geschworen haben unter anderem die Finanzchefs und Vorstände von Großkonzernen wie Bank of America , Boeing , Citigroup ,Eastman Kodak , Ford , Intel , Xerox  und Walt Disney .

Bilanztricks bei AOL lassen Börsianer vorerst kalt

Dagegen hat AOL Time Warner  Unregelmäßigkeiten in der Bilanz ihrer Internet-Tochter AOL eingeräumt. Drei Transaktionen von insgesamt 49 Millionen US-Dollar seien widerrechtlich als Einnahmen verbucht worden und hätten damit den Umsatz aufgebläht. Die Fehlbuchungen hätten sich über zwei Jahre erstreckt. Die US-Börsenaufsicht, die wegen möglichen Bilanzbetrugs bereits gegen den Konzern ermittelt, sei informiert worden. Allerdings zeigen sich Anleger zunächst sehr gelassen: Die Aktie von AOL tendierte trotz der Meldung zunächst behauptet.

Fristverlängerung für die üblichen Verdächtigen

Die Hauptakteure der jüngsten Skandale – die Kabelfernsehfirma Adelphia Communications, die Energiehändler Dynegy und Enron sowie die Telekom-Gesellschaften Qwest und Worldcom  kündigten außerdem an, den Termin auf Grund laufender Buchprüfungen nicht einhalten zu können. Für Quartalsberichte ermöglicht die SEC eine Fristverlängerung von 5 Tagen, für Jahresabschlüsse von 15 Tagen.

Der Enron-Interimschef erklärte nach einem Bericht in der Online-Ausgabe des "Wall Street Journal", er könne die Ergebnisse für 2000 und für die drei ersten Quartale 2001 nicht zertifizieren. Enron hatte im Dezember 2001 Konkurs angemeldet und die beispiellose US-Buchführungsskandalwelle eingeleitet.

Auch Tyco schaut noch einmal hin

Auch der US-Mischkonzern Tyco International  hat die interne Prüfung seiner Bilanzen ausgeweitet. Der neue Chef Edward Breen läßt die Abschlüsse seit 1999 bis in das vierte Quartal des laufenden Geschäftsjahres genauer unter die Lupe nehmen.

Der amerikanische Kongress hat unterdessen ein neues Gesetz zur Verhinderung von Bilanzbetrügereien verabschiedet. Es zwingt die Unternehmens- und Finanzchefs aller rund 15.000 in den USA öffentlich gehandelten Aktiengesellschaften zur Zertifizierung ihrer Geschäftsergebnisse. Darunter befinden sich auch etwa 1300 ausländische Großunternehmen, die ihre Wertpapiere an US-Börsen notiert haben. Wer wissentlich Bilanzfälschungen absegnet, dem drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis und fünf Millionen Dollar Geldstrafe.

mm.de
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Deutsche Konzerne wehren sich gegen US-Bilanzeid

 
16.08.02 09:05
Im Streit um die verschärften US-Gesetze gegen Bilanzbetrug gehen mehrere an der New Yorker Börse gelistete deutsche Firmen in die Offensive. In einem Brief an die US-Börsenaufsicht SEC fordern sie Ausnahmen für ausländische Firmen.

Ein Entwurf des Briefes liegt der Financial Times Deutschland vor. Unterzeichner sind die obersten Juristen von Allianz, BASF, DaimlerChrysler, Deutsche Bank, Deutsche Telekom und Infineon. Dem Vernehmen will sich Bayer noch anschließen. Der Brief kam gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu Stande. Der BDI will am Montag darüber berichten.

Nach zahlreichen Bilanzskandalen hatten die USA mit dem "Sarbanes-Oxley Act" die Gesetze gegen Bilanzbetrug verschärft. Danach können Konzernvorstände auf ihre Bilanzen vereidigt und persönlich haftbar gemacht werden. Bei Verstößen drohen bis 5 Mio. $ Geldstrafe und bis zu 20 Jahre Haft.

Gefahr von Rechtsstreitigkeiten

In dem Schreiben an die SEC argumentieren die deutschen Unternehmen, dass sie zwar einem anderen Rechtssystem unterlägen. Dieses System biete aber gleichwertige Sicherheiten. "Wir halten es deshalb nicht für notwendig, deutschen oder anderen nicht-amerikanischen Firmen in rigider Weise die selben formalen Anforderungen aufzuerlegen wie US-Unternehmen." Die New Yorker Börsen hätten die Unterschiede zwischen US- und ausländischen Firmen in ihren Regeln bereits berücksichtigt. An der New York Stock Exchange sind 17 deutsche Unternehmen notiert.

Die Konzerne verweisen auf die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten, die aus der unterschiedlichen Führungsstruktur von Unternehmen diesseits und jenseits des Atlantiks entstehen können. In den USA ist ein einheitliches Führungsgremium ("Board") üblich, in Deutschland dagegen die Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat. Der deutsche Vorstand sei kollektiv verantwortlich. In den USA haften Board-Mitglieder dagegen persönlich.

"Außerdem hat der deutsche Gesetzgeber schon 1998 eine ausdrückliche Pflicht eingeführt, wonach der Vorstand ein Frühwarn-System einzurichten hat", heißt es in dem Entwurf. Indirekt warnen die Unternehmen, dass die strenge Anwendung des "Sarbanes-Oxley-Acts" ausländische Firmen von einer Notierung in den USA abschrecken könnte.

ftd.de
Seth Gecko:

Eine Frage: Wie sollen die Sarbanes-Oxley

 
16.08.02 09:51
Gesetze eine AG von einer Notierung in den Staaten abschrecken können? Doch nur dann, wenn die AG mutwillig ihre Bilanzen fälscht. Wer korrekt bilanziert, muß sich doch einen Scheiß darum kümmern, wie/wer bestraft wird/haftbar ist. Oder liegt es am "Mehraufwand", wenn man nun alle 5 Jahre gezwungen ist, seinen Wirtschaftsprüfer zu wechseln, wie es die S-O-Gesetze vorsehen ;-)?

cu, seth
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