Systeme sind auch nur schlechte Analysten
von Jochen Steffens
Gestern legten die amerikanischen Indizes, nach einem kleinen Zwischeneinbruch, noch einen beachtlichen Kursanstieg hin. Und das obwohl Öl wieder anzog. Hier wirken sich Gerüchte um eine Förderungsverknappung durch die Opec massiv preistreibend aus. Das ist es, was ich gemeint hatte, als ich vor zwei Wochen schrieb, ich meide Öl.
Am Montag letzter Woche kam es zu dem von mir erwarteten Bodenversuch. Dann hat Bush mit seiner Rede den Ölpreis noch eine Ebene tiefer rutschen lassen, der Boden war zerstört. Nun war alles nach unten offen. Gestern dann ließ ein Gerücht über eine Förderkürzung den Ölpreis ebenso unmotiviert wieder nach oben schnellen.
Der Ölpreis ist einfach zu sehr abhängig von externen Nachrichten, wobei einfache Kommentare einer Vielzahl von Menschen (Ölminister, Staatspräsidenten, Ölfirmen, Fed-Gouverneure, berufene oder weniger berufene Analysten etc..) schon einen gravierenden Einfluss nehmen können. Derart nachrichten- und gerüchteanfällige Indizes sollten Sie zumindest im kurzfristigen Bereich meiden.
Aber auch der Anstieg der US-Indizes wurde mit einer Aussage von Dallas Fed-Präsident Richard Fisher begründet, der in einer Rede die US-Wirtschaft als weiterhin in einer guten Verfassung einstufte und schon stieg der Dow Jones wieder auf 11575 Punkte.
Gefährliche Kerzen im letzten Moment verhindert
Im Dax hatten sich durch den Zwischeneinbruch bei den amerikanischen Indizes kurz vor Toresschluss „gefährliche“ Tageskerzen ausgebildet, die sich dann aber zum Glück wieder neutralisierten. Ich hatte in diesem Moment zu einem Kollegen gesagt, wenn es jetzt noch ein wenig weiter abwärts geht, wird es heikel (kurzfristig). Doch genau in dem Moment, wo ich das sagte, fand der Markt einen Boden.
Die Bären nutzen ihre Chancen nicht
Wie sagte letztens ein Kollege: „Wenn die Bären die Chance auf Umkehrsignale oder den nachhaltigen Bruch wichtiger Marken nicht nutzen, dann ist das einfach bullish zu werten.“ Der Satz geht mir in den letzten Wochen nicht aus dem Kopf. Öfters in den letzten Wochen konnte man gerade bei einzelnen Aktien erkennen, dass es zunächst zu massiven Verkäufen kam, denen aber dann keine Anschlusskäufe folgten.
Die ehemals schwachen Titel laufen – Trendfolgesystem in Gefahr
Interessant ist auch, dass nun so solche Aktien wie Deutsche Telekom starten. Immerhin ist die Telekom vom Augusttief bei ca. 10,60 € auf 12,60 € angestiegen – knapp 20 % in eineinhalb Monaten – nicht schlecht für einen Daxwert – erste Anzeichen der Mauerblümchen-Rallye. Auch das die Versorger E.ON und RWE, die alten High Flyer im Dax, in dem gleichen Zeitraum eher abwärts notierten, spricht dafür, dass wir einen Favoriten-Wechsel erleben.
Das kann heikel für die Trendfolger werden. Wenn nun tatsächlich die Werte laufen, welche die ganze Zeit über eher ein Mauerblümchendasein geführt haben, die gut gelaufenen Werte jedoch relative Schwäche zeigen, gehen die Trendfolgesysteme in die Knie. Mittlerweile sind mir auch wieder viel zu viele Trendfolger unterwegs. Ich erhalte mittlerweile Mails von Lesern, die mir die Börse erklären wollen – immer hübsch den Aktien folgen, die schon lange gut gelaufen sind. Das ist zwar kein schlechtes System, keine Frage, aber es gibt auch Phasen, da versagen die Trendfolgesysteme.
Wie immer, wenn die Masse etwas entdeckt...
Es ist leider immer so. Wenn irgendein System an der Börse als Allheilmittel gegen Verluste Einzug in die Köpfe der meisten Anleger gefunden hat, naht das Ende dieses System. Ich erinnere mich noch an die vielen Hedgefonds, die zwischen 2000-2003 auf fallende Märkte ebenfalls trendfolgend gesetzt hatten, und damit eine gewisse Zeit große Gewinne erzielten. Short war hipp – Hedgefonds die einzige Alternative, die auch von fallenden Märkten überproportional profitieren konnten. Die Mittelzuflüsse in diese Fonds waren erheblich!
Dann kam die Gegenbewegung von September 2002/März 2003. Hier gingen die ersten Fonds in die Knie. Anleger, die nun nach den guten Jahren für diese Hedgefonds endlich überzeugt waren, hierin ihr Seelenheil gefunden zu haben, investierten genau zum falschen Zeitpunkt. Aber einige dieser Fonds schafften es sogar noch auf steigende Märkte umzuschalten.
Kurs nachdem diese Fonds die größten Mittelzuflüsse hatten, kam die Seitwärtsbewegung ab Dezember 2003 bis August/Oktober 2004. Eine Seitwärtsbewegung, die folgen musste, weil einfach zu viele das gleiche System spielten. Fast alle dieser Hedgefonds gingen in dieser Zeit mit ihrer Performance dick ins Minus.
Jedes Phase hat ihr System
Es ist leider so, es gibt für jede Phase an den Börsen ein System, das funktioniert. Keine Frage. Wenn man Glück hat spielt man gerade das System, das zur aktuellen Situation passt. Wenn aber die aktuelle Situation sich ändert, dann wird man schmerzhafte Verluste machen, wenn man dann nicht in der Lage ist, das System schnell anzupassen.
Das kreide ich auch den Computersystemen an. Da testet man dieses System zurück in die Vergangenheit und feilt und justiert und es läuft auch zwei/drei Monate ganz gut, dann geht jedoch die Performance in die Knie und ruck zuck sitzt man im Minus. Eigentlich müsste man, um mit solchen Systemen wirklich nachhaltig Geld zu verdienen, wissen, in welche Phase der Markt nun eintritt: Seitwärts, steigend, fallend – und das sind nur drei Grobunterteilungen. Nur, ich frage mich, wenn man weiß, in welche Phase der Markt übergeht, wozu braucht man dann noch ein Computersystem?
Ich verlasse mich da lieber auf meinen Instinkt, auf die Nähe zum Markt, auf den gesunden Menschenverstand. Dann bin ich wesentlich flexibler. Vielleicht erinnern Sie sich, ich hatte damals diese Seitwärtsbewegung vorher gesagt – ohne System. Ich glaube fest daran, dass wir Menschen dem Computer zumindest was Börse anbetrifft überlegen sind. Aber ich weiß, dass ich mit dieser Ansicht in unserer technikgläubigen Welt nicht viele Freunde finden werde.
Noch einmal kurz zum Markt:
So lange der Dow Jones an diesem Allzeithoch festhängt, wird es schwierig etwas zum Markt zu sagen, ohne sich ständig zu wiederholen. Also schauen wir, was die Märkte heute so machen. 200 Punkte sind es vom Schlusskurs gestern aus gesehen. Nicht einmal 2 % fehlen also. Wie lange wird der Dow Jones noch brauchen, um diese Marke aus dem Markt zu nehmen? Es kann auch sehr schnell gehen. Gerade steht er auf 11630, noch 120 Punkte – vielleicht bricht er gleich sein letztes Hoch, das ungefähr bei dieser Marke lag – dann wäre die 11750 sozusagen eingeloggt. Spannendes Finish! 11632, das Hoch ist durch! 11634, 38 - 40 – hey, go go go! Aber heute schon? Nein, so einfach wird es uns die Börse nicht machen. Erst wird noch mal in diese und jene Richtung angetäuscht!
Viele Grüße
Jochen Steffens
P.S. Da ich in den letzten Wochen wieder sehr, sehr viele Mails erhalten habe: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich nicht auf alle Ihre Mails antworten kann. Es ist vom Zeitaufwand einfach nicht realisierbar. Aber, und das kann ich Ihnen versprechen, ich lese jede einzelne! Diese Zeit muss einfach sein. Hin und wieder, wenn Zeit bleibt, antworte ich auch. Denken Sie auch immer daran, der Investor´s Daily ist ein kostenloser Dienst!
von Jochen Steffens
Gestern legten die amerikanischen Indizes, nach einem kleinen Zwischeneinbruch, noch einen beachtlichen Kursanstieg hin. Und das obwohl Öl wieder anzog. Hier wirken sich Gerüchte um eine Förderungsverknappung durch die Opec massiv preistreibend aus. Das ist es, was ich gemeint hatte, als ich vor zwei Wochen schrieb, ich meide Öl.
Am Montag letzter Woche kam es zu dem von mir erwarteten Bodenversuch. Dann hat Bush mit seiner Rede den Ölpreis noch eine Ebene tiefer rutschen lassen, der Boden war zerstört. Nun war alles nach unten offen. Gestern dann ließ ein Gerücht über eine Förderkürzung den Ölpreis ebenso unmotiviert wieder nach oben schnellen.
Der Ölpreis ist einfach zu sehr abhängig von externen Nachrichten, wobei einfache Kommentare einer Vielzahl von Menschen (Ölminister, Staatspräsidenten, Ölfirmen, Fed-Gouverneure, berufene oder weniger berufene Analysten etc..) schon einen gravierenden Einfluss nehmen können. Derart nachrichten- und gerüchteanfällige Indizes sollten Sie zumindest im kurzfristigen Bereich meiden.
Aber auch der Anstieg der US-Indizes wurde mit einer Aussage von Dallas Fed-Präsident Richard Fisher begründet, der in einer Rede die US-Wirtschaft als weiterhin in einer guten Verfassung einstufte und schon stieg der Dow Jones wieder auf 11575 Punkte.
Gefährliche Kerzen im letzten Moment verhindert
Im Dax hatten sich durch den Zwischeneinbruch bei den amerikanischen Indizes kurz vor Toresschluss „gefährliche“ Tageskerzen ausgebildet, die sich dann aber zum Glück wieder neutralisierten. Ich hatte in diesem Moment zu einem Kollegen gesagt, wenn es jetzt noch ein wenig weiter abwärts geht, wird es heikel (kurzfristig). Doch genau in dem Moment, wo ich das sagte, fand der Markt einen Boden.
Die Bären nutzen ihre Chancen nicht
Wie sagte letztens ein Kollege: „Wenn die Bären die Chance auf Umkehrsignale oder den nachhaltigen Bruch wichtiger Marken nicht nutzen, dann ist das einfach bullish zu werten.“ Der Satz geht mir in den letzten Wochen nicht aus dem Kopf. Öfters in den letzten Wochen konnte man gerade bei einzelnen Aktien erkennen, dass es zunächst zu massiven Verkäufen kam, denen aber dann keine Anschlusskäufe folgten.
Die ehemals schwachen Titel laufen – Trendfolgesystem in Gefahr
Interessant ist auch, dass nun so solche Aktien wie Deutsche Telekom starten. Immerhin ist die Telekom vom Augusttief bei ca. 10,60 € auf 12,60 € angestiegen – knapp 20 % in eineinhalb Monaten – nicht schlecht für einen Daxwert – erste Anzeichen der Mauerblümchen-Rallye. Auch das die Versorger E.ON und RWE, die alten High Flyer im Dax, in dem gleichen Zeitraum eher abwärts notierten, spricht dafür, dass wir einen Favoriten-Wechsel erleben.
Das kann heikel für die Trendfolger werden. Wenn nun tatsächlich die Werte laufen, welche die ganze Zeit über eher ein Mauerblümchendasein geführt haben, die gut gelaufenen Werte jedoch relative Schwäche zeigen, gehen die Trendfolgesysteme in die Knie. Mittlerweile sind mir auch wieder viel zu viele Trendfolger unterwegs. Ich erhalte mittlerweile Mails von Lesern, die mir die Börse erklären wollen – immer hübsch den Aktien folgen, die schon lange gut gelaufen sind. Das ist zwar kein schlechtes System, keine Frage, aber es gibt auch Phasen, da versagen die Trendfolgesysteme.
Wie immer, wenn die Masse etwas entdeckt...
Es ist leider immer so. Wenn irgendein System an der Börse als Allheilmittel gegen Verluste Einzug in die Köpfe der meisten Anleger gefunden hat, naht das Ende dieses System. Ich erinnere mich noch an die vielen Hedgefonds, die zwischen 2000-2003 auf fallende Märkte ebenfalls trendfolgend gesetzt hatten, und damit eine gewisse Zeit große Gewinne erzielten. Short war hipp – Hedgefonds die einzige Alternative, die auch von fallenden Märkten überproportional profitieren konnten. Die Mittelzuflüsse in diese Fonds waren erheblich!
Dann kam die Gegenbewegung von September 2002/März 2003. Hier gingen die ersten Fonds in die Knie. Anleger, die nun nach den guten Jahren für diese Hedgefonds endlich überzeugt waren, hierin ihr Seelenheil gefunden zu haben, investierten genau zum falschen Zeitpunkt. Aber einige dieser Fonds schafften es sogar noch auf steigende Märkte umzuschalten.
Kurs nachdem diese Fonds die größten Mittelzuflüsse hatten, kam die Seitwärtsbewegung ab Dezember 2003 bis August/Oktober 2004. Eine Seitwärtsbewegung, die folgen musste, weil einfach zu viele das gleiche System spielten. Fast alle dieser Hedgefonds gingen in dieser Zeit mit ihrer Performance dick ins Minus.
Jedes Phase hat ihr System
Es ist leider so, es gibt für jede Phase an den Börsen ein System, das funktioniert. Keine Frage. Wenn man Glück hat spielt man gerade das System, das zur aktuellen Situation passt. Wenn aber die aktuelle Situation sich ändert, dann wird man schmerzhafte Verluste machen, wenn man dann nicht in der Lage ist, das System schnell anzupassen.
Das kreide ich auch den Computersystemen an. Da testet man dieses System zurück in die Vergangenheit und feilt und justiert und es läuft auch zwei/drei Monate ganz gut, dann geht jedoch die Performance in die Knie und ruck zuck sitzt man im Minus. Eigentlich müsste man, um mit solchen Systemen wirklich nachhaltig Geld zu verdienen, wissen, in welche Phase der Markt nun eintritt: Seitwärts, steigend, fallend – und das sind nur drei Grobunterteilungen. Nur, ich frage mich, wenn man weiß, in welche Phase der Markt übergeht, wozu braucht man dann noch ein Computersystem?
Ich verlasse mich da lieber auf meinen Instinkt, auf die Nähe zum Markt, auf den gesunden Menschenverstand. Dann bin ich wesentlich flexibler. Vielleicht erinnern Sie sich, ich hatte damals diese Seitwärtsbewegung vorher gesagt – ohne System. Ich glaube fest daran, dass wir Menschen dem Computer zumindest was Börse anbetrifft überlegen sind. Aber ich weiß, dass ich mit dieser Ansicht in unserer technikgläubigen Welt nicht viele Freunde finden werde.
Noch einmal kurz zum Markt:
So lange der Dow Jones an diesem Allzeithoch festhängt, wird es schwierig etwas zum Markt zu sagen, ohne sich ständig zu wiederholen. Also schauen wir, was die Märkte heute so machen. 200 Punkte sind es vom Schlusskurs gestern aus gesehen. Nicht einmal 2 % fehlen also. Wie lange wird der Dow Jones noch brauchen, um diese Marke aus dem Markt zu nehmen? Es kann auch sehr schnell gehen. Gerade steht er auf 11630, noch 120 Punkte – vielleicht bricht er gleich sein letztes Hoch, das ungefähr bei dieser Marke lag – dann wäre die 11750 sozusagen eingeloggt. Spannendes Finish! 11632, das Hoch ist durch! 11634, 38 - 40 – hey, go go go! Aber heute schon? Nein, so einfach wird es uns die Börse nicht machen. Erst wird noch mal in diese und jene Richtung angetäuscht!
Viele Grüße
Jochen Steffens
P.S. Da ich in den letzten Wochen wieder sehr, sehr viele Mails erhalten habe: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich nicht auf alle Ihre Mails antworten kann. Es ist vom Zeitaufwand einfach nicht realisierbar. Aber, und das kann ich Ihnen versprechen, ich lese jede einzelne! Diese Zeit muss einfach sein. Hin und wieder, wenn Zeit bleibt, antworte ich auch. Denken Sie auch immer daran, der Investor´s Daily ist ein kostenloser Dienst!