Wie der IWF das Dollarsystem stützt

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Wie der IWF das Dollarsystem stützt

 
15.10.04 00:45
Wie der IWF das Dollarsystem stützt
von F. William Engdahl, USA/Deutschland

Eine der tragenden Säulen zur Stützung des heutigen Dollarsystems ist Washingtons Kontrolle des Internationalen Währungsfonds, des IWF. Wie das tatsächlich funktioniert, wird sorgfältig hinter einer Fassade von Technokraten und einer Wirtschaftstheorie, die auf der Ideologie des freien Marktes beruht, verborgen. In Wirklichkeit ist der IWF eine moderne Geldsammelstelle für das Dollarimperium. Er fordert seinen Tribut mittels bedeutender internationaler Banken, die die Dollars dazu verwenden, die Macht der amerikanischen Finanz- und Geschäftshegemonie weiter auszudehnen - effektiv der treibende Motor dessen, was man Globalisierung nennt.

Obwohl der IWF eine Hauptstütze des Dollarsystems darstellt, ist sein nomineller Direktor ironischerweise ein Europäer, derzeit der Deutsche Horst Köhler. Davor war es der Franzose Michel Camdessus. Die wirklichen Machtverhältnisse werden sorgfältig hinter dieser Fassade verdeckt. Die Statuten des IWF legen fest, dass keine wichtige Entscheidung ohne die Zustimmung von 85% des Exekutivdirektoriums getroffen werden kann. Die Vereinigten Staaten, welche 1944 die ursprüngliche IWF-Charta in Bretton Woods in New Hampshire entwarfen, sorgten dafür, dass sie mit einem Stimmenanteil von 18% über die entscheidende Sperrminorität verfügen. Diese Sperrminorität besteht bis heute. Insider wissen sehr wohl, dass der IWF von Washington aus geführt wird. Und es ist kein Zufall, dass sich der Hauptsitz auch dort befindet.

Ursprüngliche Zielsetzungen

Der IWF wurde 1944 anlässlich der internationalen Währungskonferenz von Bretton Woods in New Hampshire ins Leben gerufen; auf Initiative Präsident Roosevelts wurde dort ein Währungs- und Handelssystem für die Nachkriegszeit gegründet. Der IWF sollte ein Fonds sein, um die Stabilität der Währungen und des Handels der europäischen Alliierten in der Nachkriegszeit zu unterstützen. Zu dieser Zeit besassen die USA den grössten Teil der Weltgoldreserven und rechneten damit, Dollarkredite für den Wiederaufbau Europas zu gewähren. Die ursprüngliche IWF-Idee bestand darin, die Reserven der Mitgliedstaaten in einem Pool zusammenzulegen, aus dem jeder einzelne Staat im Falle einer kurzfristigen Zahlungsschwierigkeit Kredit aufnehmen konnte, um seine Währung zu stabilisieren. Zehn Jahre nach der grossen Depression lag es im Interesse der grösseren Industrienationen, einschliesslich der USA, ein stabiles, wachsendes Europa zu schaffen, nicht zuletzt als Exportmarkt für amerikanische Produkte. Das erste Land, welches nach dem Krieg Kredit aufnahm, war Grossbritannien. Das letzte europäische Land war 1977 Italien.

Umstrukturierungen in den 80er Jahren
Seit 1977 wandte sich keines der europäischen G-7-Länder mehr an den IWF, um Geld zu leihen. Statt dessen haben sie Geld bei Privatbanken aufgenommen oder Staatsschulden gemacht. Sie wissen alle nur zu gut, wie zerstörerisch sich die IWF-Bedingungen auswirken. Ende der 70er Jahre vertraten einige die Auffassung, dass der IWF seine Rolle erfüllt habe, ähnlich wie manche sich nach Beendigung des kalten Krieges bezüglich der Nato äusserten. Washington hatte allerdings andere Pläne mit dem IWF.

In den frühen 80er Jahren änderte sich die Rolle des IWF unter dem Druck der USA dramatisch. Statt als Stabilisierungsfonds für die Industrieländer in Europa oder Japan zu dienen, wurde der IWF nun das entscheidende Instrument zur Kontrolle der Wirtschaftspolitik der unterentwickelten Länder. Im Zuge der ersten lateinamerikanischen Schuldenkrise zu Beginn der 80er Jahre übernahm der IWF eine völlig neue Rolle als Polizist, der Dollaranleihen für private New Yorker und internationale Banken sammelte. Der IWF wurde die treibende Kraft dessen, was später als «Globalisierung» bezeichnet wurde.

Lateinamerikanische Schuldenkrise
Nach dem ersten Anstieg des Ölpreises um 400% in den 70er Jahren nahmen viele Entwicklungsländer wie Brasilien, Argentinien und die meisten Länder in Afrika grosse Kredite auf, um die notwendigen Ölimporte oder Handelsdefizite zu finanzieren. Sie tätigten Dollaranleihen bei grossen internationalen Banken, die im Londoner Eurodollarmarkt operierten. London war das tatsächliche Zentrum, über das das Recycling der grossen Summen von Petrodollars der arabischen OPEC-Länder in die USA und auf andere bedeutende Banken abgewickelt wurde.

Die Grossbanken nahmen die neuen Öldollars und verliehen sie mit einem hübschen Profit sofort wieder an Länder wie Argentinien oder Ägypten. Vor den 70er Jahren war Argentiniens Wirtschaft schnell gewachsen und hatte eine moderne Industrie und Landwirtschaft entwickelt, die seiner Bevölkerung einen steigenden Lebensstandard brachten. Es hatte beinahe keine Auslandsschulden. Zehn Jahre später befand sich das Land unter der Kontrolle des IWF und ausländischer Banken. Die USA veränderten die Regeln und schufen dadurch die Schuldenkrise.

Der «Volcker-Zins-Schock»
Im Oktober 1979 erlebten die verschuldeten Länder einen dramatischen Schock. Über Nacht kosteten ihre billigen Dollaranleihen 300% mehr Zinsen. Paul Volcker von der US-Notenbank (FED) veränderte unilateral die Zinspolitik, um den Dollar gegenüber anderen Währungen aufzuwerten. Als Folge wurden die US-Zinsraten um 300%, diejenigen der Londoner Banken gar noch massiver erhöht. Die Bankkredite an Argentinien und andere Länder waren mit «floatenden», das heisst frei schwankenden Zinssätzen vereinbart worden. War der internationale Referenzzinssatz am Londoner Bankenmarkt, Libor (London Interbank Offered Rate, Londoner Interbanken-Angebotssatz), niedrig, zahlte Argentinien einen niedrigen Zinssatz auf seine Schulden. Als dieser aber zwischen 1979 und 1980 plötzlich um 300% stieg, waren viele Länder auf einmal mit einer Zahlungskrise konfrontiert.

1982 erreichte sie das Niveau der Zahlungsunfähigkeit. An diesem Punkt verlangte Washington, dass der IWF eingeschaltet werde, um einen Prozess der Schuldeneintreibung bei den sich zu Schuldnern entwickelnden Ländern zu beaufsichtigen. Daraus entstand das, was dann als Schuldenkrise der dritten Welt bezeichnet wurde. Dabei wurde der Eindruck erweckt, als ob Länder wie Argentinien diese durch eigenes Missmanagement verschuldet hätten. In Wirklichkeit war - wie gross das Ausmass an politischer Korruption in den Schuldnerländern auch immer gewesen sein mag - die Korruption des IWF-Systems und des Petrodollar-Recycling bei weitem grösser. Der Volcker-Zinssatz-Schock vervollständigte das Bündel der Zerstörung des Lebensstandards durch die Dollarschulden.

Wie agierte nun der IWF während der Schuldenkrise der dritten Welt? Es ist dieser Ablauf, der deutlich macht, dass die Rolle des IWF darin bestand, die Dollarhegemonie der USA zu unterstützen, und nicht darin, armen Ländern beim Überwinden einer vorübergehenden Schuldenkrise zu helfen.

IWF als überstaatliche Organisation
Der IWF wird ab und zu als Werkzeug des Neo-Kolonialismus bezeichnet. Das ist jedoch zu harmlos ausgedrückt, denn der britische oder europäische Kolonialismus des 19. Jahrhunderts - so rücksichtslos er auch war - brachte niemals ein derartiges Ausmass an Abbau und Zerstörung des Gesundheits- und Lebensstandards zustande wie der IWF seit den 70er Jahren.

Der IWF operiert als eine überstaatliche Organisation mit dem Ziel, hilflose Schuldnerstaaten zu kontrollieren und ihnen eine Wirtschaftspolitik aufzudrängen, die die Länder noch mehr in ihre Schuldenkrise hineintreibt, während er deren Märkte gleichzeitig für die Ausbeutung durch ausländisches, oft US-amerikanisches Kapital und globale Konzerne öffnet. Dass die Schuldnerstaaten nie aus ihren Dollarschulden herauskommen, sondern immer tiefer hineingeraten, ist so gewollt. Die Politik des IWF stellt das in der Tat sicher. Die Dollarverschuldung ist einer der Hauptstützen des Dollarsystems und der internationalen Privatbanken. Würden die Schulden zurückgezahlt, verlören die Banken ihren Einfluss und ihre Kreditverträge. Solange die Schulden zunehmen, wachsen auch die Kreditgeschäfte, das Paradox des modernen Bankwesens.

Ein Hinweis darauf, dass die wirklichen Ziele des IWF sich deutlich von seinen öffentlichen Stellungnahmen unterscheiden, ist die Tatsache, dass er trotz wiederholter Beweise für die zerstörerische Wirkung seiner Politik, «Konditionalitäten» genannt, seine Methoden nie geändert hat. Das hat seinen Grund.

Zum Beispiel Argentinien
Nehmen wir zum Beispiel Argentinien: Im Frühjahr 2002 war Argentinien nicht in der Lage, seinen Zahlungsverpflichtungen über 141 Milliarden Dollar Auslandsschulden nachzukommen. Als Folge erlebte es eine der verheerendsten Wirtschaftskrisen der modernen Geschichte. Der IWF spielte eine entscheidende Rolle. Im Frühjahr 2000 hatte sich Argentinien an den IWF gewandt, um einen Notkredit aufzunehmen, mit Hilfe dessen der Zusammenbruch seiner Währung verhindert werden sollte, die damals an den starken US-Dollar gebunden war. Als der Dollar an Wert gewann, brach der argentinische Exporthandel zusammen. Das Land erlebte eine Rezession. Der IWF schritt ein mit einem «Rettungs»-Paket über 48 Milliarden Dollar - aber er stellte Bedingungen.

Als erstes, und bevor irgendwelche Kredite gezahlt wurden, musste die Regierung einschneidenden Ausgabenkürzungen, die vom IWF diktiert wurden, zustimmen. Staatliche Subventionen auf Lebensmittel für Menschen mit niedrigem Einkommen wurden gestoppt, was zu Plünderungen von Lebensmitteln führte. Die Zinssätze explodierten beim vergeblichen Versuch, damit ausländische Banken und Inhaber von Wertpapieren vom Verkauf abzuhalten. Dadurch verschlimmerte sich die wirtschaftliche Depression nur noch mehr. Staatliche Gesellschaften sahen sich zur Privatisierung gezwungen, um an Geld zu kommen und sich für die Liberalisierung des freien Marktes einzusetzen. Die Wasserversorgung von Buenos Aires wurde zu einem lächerlich niedrigen Preis an Enron verkauft genauso wie eine Pipeline von Argentinien nach Chile.

Mit dem Argument, das Vertrauen ausländischer Besitzer von Wertpapieren und ausländischer Gläubiger habe oberste Priorität, bestand Washington darauf, dass Argentinien seine feste Währung beibehielt. Dadurch geriet das Land in die schwerste Depression seiner Geschichte: Millionen Menschen verloren ihre Arbeit, im Endstadium wurden sogar die Bankkonten eingefroren; der gewöhnliche Bürger konnte sein erspartes Geld nicht einmal mehr für das Lebensnotwendigste abheben.

Der «Washington Consensus»
Was genau unternimmt der IWF, wenn er in einem Land eingreift, das in einer Krise um einen Notkredit ersucht, um eine Verschuldung oder eine Währungskrise zu überbrücken? Der IWF geht immer nach dem gleichen Muster vor, sei es in Russland, Argentinien, Simbabwe oder Südkorea - alles sehr unterschiedliche Kulturen, Wirtschaftssysteme und gesellschaftliche Situationen. Die Forderungen des IWF werden häufig auch als der «Washington Consensus» bezeichnet; ein Begriff, den der amerikanische Wirtschaftswissenschafter und IWF-Förderer John Williamson 1990 prägte, um die Angriffsmethode des IWF zu umschreiben. (vgl. unten)

Die Medizin des IWF beinhaltet fast immer Forderungen nach Privatisierung der staatlichen Industrien, er verlangt, dass die öffentlichen Ausgaben - selbst für Gesundheit und Bildung - drastisch gekürzt werden, dass die inländische Währung gegenüber dem Dollar abgewertet wird und dass das Land für den freien Fluss des internationalen Kapitals geöffnet wird - sowohl für den ins Land hinein als auch insbesondere für das Kapital, das aus dem Land fliesst.

«Memorandum of Understanding» - die Voraussetzung
Als erstes verlangt der IWF von der jeweiligen Regierung, ein geheimes «Memorandum of Understanding» mit dem IWF zu unterzeichnen, in welchem sie sich mit einer Liste von «Konditionalitäten» (Bedingungen) einverstanden erklärt - Voraussetzung für jegliche finanzielle Zuwendung durch den IWF. Bei den globalisierten freien Kapitalmärkten von heute investieren die Banken in keinem Land, das nicht die offizielle Zustimmung des IWF hat. Daher besteht die Rolle des IWF in weit mehr als nur dem Gewähren eines Notkredits. Er legt fest, ob ein Land überhaupt Geld erhält, sei es von der Weltbank, von Privatbanken oder aus einer anderen Quelle.

Die vier Schritte der IWF-Kur:I. Die Privatisierung
Die Bedingungen eines IWF-Deals sind immer dieselben: Oberste Priorität hat die Privatisierung der staatlichen Industrien. Die Privatisierung bei einem schwachen Peso oder Rubel führt dazu, dass ausländische Dollarinvestoren in der Lage sind, die Hauptvermögenswerte eines Landes spottbillig aufzukaufen. Häufig werden die zuständigen Politiker des Landes mit verlockenden heimlichen Deals dazu korrumpiert, nationales Vermögen zu privatisieren. Ausländische multinationale Konzerne können sich mit ihren Dollars profitablen Bergbau, Öl oder andere wertvolle nationale Ressourcen schnappen.

Zum Beispiel Russland
Klassisches Beispiel dafür ist die russische Regierung unter Jelzin: Über Nacht tauchten Dollar-Milliardäre auf - im Zuge der Plünderung des Volksvermögens via vom IWF diktierter Privatisierung. Die Clinton-Administration stand voll hinter diesem Prozess. Sie wusste, dass Russland sich so zu einer Dollarzone entwickeln würde, und das war auch die Absicht.

II. Die Liberalisierung der Finanzmärkte
Als zweite Auflage verlangt der IWF, dass das jeweilige Land seine Banken- und Finanzmärkte liberalisiert, das heisst für ausländische Investoren öffnet. Dies ermöglicht es hochprofilierten Spekulanten, wie zum Beispiel einem George Soros, der Citibank oder einem anderen Geldinstitut, sich in einem Land zu etablieren, Vermögenswerte in einer Spekulation zusammenkommen zu lassen, immensen Profit zu machen, wie in Thailand Mitte der 80er Jahre, und schnell wieder zu verkaufen, um schliesslich mit riesigen Gewinnen das Land zu verlassen, während die Wirtschaft des Landes hinter ihnen zusammenbricht. Dann können sich die multinationalen Konzerne des Westens einschalten und die Hauptvermögenswerte sehr billig aufkaufen.

Zum Beispiel Asien
Genau dies spielte sich in den 90er Jahren in Asien ab. Der IWF und das US-Finanzministerium, das eigentlich die US-IWF-Politik bestimmt, begannen 1993, starken Druck auf die schnell wachsenden ostasiatischen «Tigerstaaten» auszuüben, um deren nationale Kontrolle über den Kapitalfluss zu unterbinden. Sie argumentierten, dass man Asien so zu grossen Geldsummen für Investitionen verhelfen würde. In Wahrheit eröffnete dies amerikanischen Rentenfonds und grossen Banken einen riesigen neuen Markt für ihre Spekulationsgeschäfte. Es floss viel zuviel Geld ins Land, und der Immobilienmarkt wurde in ungesunder Weise aufgeblasen. Dieser Ballon platzte, als Soros und andere US-Spekulanten 1997 bewusst den Hahn zudrehten und damit die Asien-Krise auslösten. Als Endresultat sahen sich die asiatischen Wirtschaften gezwungen, sich für Rettungsmassnahmen an den IWF zu wenden.

... Kollaps der Banksysteme in Indonesien
Der IWF «rettete» 1998 jedoch keine dieser asiatischen Wirtschaften. Er rettete vielmehr die internationalen Banken und den Hedge-Fond-Spekulanten. In Indonesien verlangte der IWF von der Regierung, die Zinssätze auf 80% anzuheben, mit der Begründung, dies würde die ausländischen Investoren davon abhalten, das Land zu verlassen und die Situation des Landes stabilisieren. In Wahrheit - das hatten IWF-Kritiker wie Joseph Stiglitz damals auch zum Vorwurf gemacht - garantierten die Zinsauflagen des IWF den totalen Kollaps des indonesischen und anderer asiatischer Banksysteme.

... versuchte Schwächung Südkoreas
Sobald der IWF auf Südkorea, weltweit eine der stärksten industriellen Wirtschaftsmächte, Einfluss gewonnen hatte, machte er zur Auflage, die grossen Industrie-Konglomerate aufzulösen, denen er «Korruption» und kapitalistische «Vetternwirtschaft» vorwarf. In Wirklichkeit hoffte Washington, einen heranwachsenden Konkurrenten schwächen zu können und amerikanischen Firmen wie GM (General Motors) und Ford die Türe für eine Übernahme zu öffnen. Dies gelang auch zum Teil - bis Korea und andere regionale Wirtschaftsmärkte stark genug waren, wieder eigene nationale Kontrollen aufzubauen. Malaysia widersetzte sich offen den Auflagen des IWF und verhängte während der Krise Währungskontrollen. Als Folge trug es nur einen geringen Schaden davon - was den IWF in grosse Verlegenheit brachte.

III. Die «Marktpreis»-Forderung
Die nächste Stufe der IWF-Auflagen besteht darin, dass ein Land seine inländischen Preise «dem Markt entsprechend» festlegt - so die verschlüsselte Formulierung, die im Klartext die Abschaffung staatlicher Subventionen und Preiskontrollen bedeutet. In Entwicklungsländern werden häufig Benzin, Lebensmittel oder andere für die Bevölkerung lebensnotwendige Güter vom Staat subventioniert. 1998 verlangte der IWF zum Beispiel von Indonesien, die staatlichen Subventionen für die Armen zu streichen. Die Vorstellung eines «auf dem Markt basierenden» Preises ist in sich selbst eine Fiktion. Der Markt wird immer von Menschen gemacht. Der Markt in der Schweiz oder in Dänemark oder Japan ist ein anderer als in Kuba oder Kamerun. Das Ziel des IWF ist es, die Staatsbudgets drastisch zusammenzustreichen, um den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft zu minimieren und das jeweilige Land wehrlos zu machen gegen die ausländische Übernahme seiner wichtigsten Vermögenswerte. Auch die Regierungsanteile an der schwachen Wirtschaft werden gekürzt, um damit den ausländischen Banken ihren Anteil an der Beute zu sichern.

IV. Die Abwertung
Schliesslich verlangt der IWF vom jeweiligen Land, seine Währung abzuwerten, und dies in massivem Umfang, häufig um 60 bis 70% oder mehr. Hier ist das Argument, dass dies den Export «wettbewerbsfähiger» mache und zu einem höheren Einkommen führe, mit dem man die ausländischen Dollarschulden dann abzahlen könne. Das ist ein entscheidender Bestandteil der Washingtoner Konsens-Medizin des IWF. Wenn zum Beispiel Chile den Peso um die Hälfte abwertet, oder die Republik Kongo, müssen zweimal soviel Tonnen Kupfer exportiert werden, um den gleichen Dollargewinn wieder aus Exportüberschüssen zu erwirtschaften. Für die riesigen multinationalen Konzerne der Industrieländer bedeutet dies eine Verringerung der Rohstoffpreise um die Hälfte.

In den letzten 20 Jahren - seit der IWF sich eingeschaltet hat, um bei der Restrukturierung der Entwicklungsländer die entscheidende Rolle zu spielen - sind die Rohstoffpreise drastisch gedrückt worden, und dies, obwohl die Nachfrage gestiegen ist. Der Grund liegt darin, dass die Länder Afrikas und Lateinamerikas vorwiegend rohstoffexportierende Länder sind, und ihre Waren, wie zum Beispiel Öl, alle zu Dollarwerten verkauft werden. Sie müssen Dollars verdienen, um ihre Dollarschulden begleichen zu können. Der IWF hat also mit seiner Politik die Rohstoffpreise, die in Dollars berechnet werden, nach unten getrieben. Das war auch so beabsichtigt, wird aber nie zugegeben. Der IWF ist eine Agentur, die sicherstellt, dass der Dollar den Weltmarkt beherrscht, er ist nicht eine Organisation, die den Entwicklungsländern hilft.

Der wahre Leistungsausweis des IWF
Leider ist nichts von alledem Übertreibung. Verteidiger des IWF behaupten, die «Marktliberalisierung» habe während der letzten 20 Jahre in den Entwicklungsländern zu einem grösseren Wirtschaftswachstum geführt. Das Gegenteil ist Realität. Gemäss einer Studie, die Joseph Stiglitz während seiner Zeit bei der Weltbank durchführte, fiel das Bruttoinlandprodukt in allen Ländern der früheren Sowjetunion zwischen 1989 und 1997 auf 30% bis 80% des Standes, der vor dem Zusammenbruch der staatlichen Kontrolle erreicht worden war - einzige Ausnahme war Polen.

Schnelle Privatisierung in Russland ...
Das Bruttoinlandprodukt Russlands betrug nur noch 60% vom Ergebnis von 1989. Es brach um 40% ein, und die Zahl der Arbeitslosen stieg von 2 Millionen auf 60 Millionen. Die schnelle Privatisierung ohne angemessene gesetzliche und institutionelle Absicherungen, wie eine Arbeitslosen- oder Krankenversicherung, führte zu einer sozialen Katastrophe - derjenigen in Kriegszeiten vergleichbar. Die Forderungen des IWF nach freiem Kapitalverkehr erlaubten es den neuen russischen Dollar-Oligarchen wie Beresovsky, Milliarden von Dollars zu plündern und auf geheime Bankkonten in Zypern oder Liechtenstein zu verschieben und Luxusvillen in Monte Carlo zu kaufen.1

... Wirken des IWF in Afrika
Das Wirken des IWF in Afrika ist ebenso ungeheuerlich und zerstörerisch. In Zimbabwe verlangte der IWF von der Regierung, bestimmte staatliche Unternehmen zu privatisieren und die Subventionen für Lebensmittel, Bildung und Gesundheitsversorgung zu kürzen, um Hilfe vom IWF zu bekommen. Die Regierung erfüllte die meisten Forderungen, doch dann erhob der IWF den Vorwurf, sie unterstütze den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo und verweigerte unter diesem Vorwand die Vergabe von Krediten an Zimbabwe. In Kenia hatte der IWF verlangt, dass bestimmte westlichen Interessen wohlgesonnene Personen in die Regierung Moi berufen werden. Später beschuldigte Washington diese Regierungen, «korrupt» zu sein, ein Vorwurf, der sich gut eignet, um die öffentliche Meinung im Westen blind zu machen gegenüber dem moralischen Zerrbild, das die Vorgänge unter der Schirmherrschaft des IWF abgeben.

Tiefer in die Schulden
Nimmt man die offiziellen Schuldenstatistiken der Weltbank, wird offensichtlich, dass das Spiel des IWF dazu dient, den Dollar zu stützen. Die erste Schuldenkrise in der dritten Welt brach 1982 aus. Der IWF griff ein, um das Schuldenproblem zu «stabilisieren». Seither sind die Auslandschulden der Entwicklungsländer exponentiell angestiegen. In Argentinien, dem früheren «Erfolgsland» des IWF, lagen die Auslandschulden 1990 bei 62 Milliarden Dollar. Im Jahr 2000 waren es 146 Milliarden Dollar. Brasiliens Auslandschulden sind im gleichen Zeitraum von 120 Milliarden Dollar auf 240 Milliarden Dollar gestiegen. Der Iran, durch US-Sanktionen vom IWF-System isoliert, ist eines der wenigen Entwicklungsländer, die es zustande gebracht haben, ihre Auslandschulden zu reduzieren.

Die gesamten Dollarschulden aller Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen stiegen von 1,4 Billionen 1990 auf 2,5 Billionen (2500000000000) Dollar im Jahr 2000; sie haben sich also nahezu verdoppelt. In den meisten Fällen wurden die unbezahlbaren Zinskosten lediglich dem Kapitalbetrag, der ausländischen Kreditgebern geschuldet wurde, hinzugefügt - natürlich mit Zinseszinsraten. Bei Zinseszinsen in Höhe von oftmals 10 bis 15% pro Jahr wachsen die Schulden exponentiell.

Eine Schuldenpyramide
Das Ergebnis ist eine Ponzi-Schuldenpyramide:2 Je mehr ein Land zahlt, desto mehr verschuldet es sich. Banker nennen das «Zinskapitalisierung». Es besteht kein Unterschied zu der Zwangslage eines armen verschuldeten Ladenbesitzers, der gezwungen ist, sich an einen Kredithai der Mafia zu wenden, um zu überleben, und der am Ende mehr und mehr Zinsen bezahlt, bis er bankrott ist und die Mafia seinen gesamten Besitz übernimmt. IWF und Banken wissen, dass nur ungefähr 80% der Schulden der dritten Welt überhaupt jemals zurückgezahlt werden können. Worauf es ihnen ankommt, ist lediglich die Fiktion der Legalität und die Möglichkeit, die Schulden als Hebel zu benutzen, um das Vermögen der Länder billig an sich zu reissen. Laut Weltbank wurden zwischen 1980 und 1986 von einer Gruppe von 109 Schuldnerländern an die ausländischen Kreditoren insgesamt 326 Milliarden Dollar allein an Zinsen gezahlt; die Rückzahlungen der eigentlichen Schuld beliefen sich auf weitere 322 Milliarden Dollar. So floss also als Schuldendienst ein Gesamtkapital von 648 Milliarden Dollar auf New Yorker Banken und anderer Kreditinstitute - und dies für eine ursprüngliche Kreditsumme von 430 Milliarden Dollar. Aber trotz dieser enormen Anstrengung schuldeten die 109 Schuldner den Banken 1986 noch immer eine Summe von 882 Milliarden Dollar. Die Gründe dafür sind der Pyramideneffekt von Zinseszins, Zinskapitalisierung und Volckers Zinspolitik der floatenden Zinsen.

1990 zahlten die Entwicklungsländer ungefähr 150 Milliarden an Zinsen auf ihre Dollarschulden, dreimal mehr als das, was sie insgesamt an Hilfe erhielten. Dies gab dem Dollarkreditsystem mächtigen Auftrieb, welches Geld auf der Basis der Annahme verleiht, dass die gesamten 2,5 Billionen Schulden der dritten Welt zurückgezahlt werden. Der IWF lässt diesen Mythos weiter bestehen. Der besetzte Irak muss trotz seiner verheerenden Situation heute noch die Milliarden von Schulden aus der Hussein-Ära «anerkennen», viele davon gegenüber der ehemaligen Sowjetunion. Russland ist immer noch gezwungen, Milliarden von Schulden aus der sowjetischen Ära gegenüber westlichen Agenturen zu akzeptieren. Unter dem IWF-System sind Schulden heiliger als Menschenleben.3

Der gemeine Trick aller vom IWF durchgeführten «Schuldenumstrukturierungen» ist folgender: Solange der Schuldner in der Lage ist, die Zinsen auf seine Schulden zu bezahlen, müssen die kreditgebenden Banken in New York, London oder wo auch immer ihre Kredite nicht als überfällig deklarieren. Auch wenn sie wissen, dass sie niemals zurückbezahlt werden, behandeln sie die Darlehen, als wären es gute Kredite, und nutzen sie als zusätzliche Sicherheit für weitere Kreditvergaben durch ihre Bank. Das Bankensystem der Dollarwelt ist zu einem überwiegenden Teil abgestützt durch die Pyramide der nichtbezahlbaren Schulden der dritten Welt - von Afrika bis Indonesien, von Argentinien bis Kroatien.

Entwicklung rückwärts dank IWF
Das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten dramatisch verlangsamt - seit der IWF 1982 begonnen hat, die Schuldnerstaaten zu überwachen. Hier besteht ein direkter Zusammenhang. Wenn wir das Wachstum des Bruttoinlandproduktes pro Kopf zugrunde legen, wies Lateinamerika zwischen 1960 und 1980 ein Wachstum von 75% auf. In den folgenden 20 Jahren bis 2000 stieg das Bruttoinlandprodukt pro Kopf lediglich um 6%.

In den subsaharischen Ländern Afrikas wuchs das Bruttoinlandprodukt pro Kopf in den zwei Jahrzehnten bis 1980 um 36%. In den nächsten beiden Jahrzehnten ging es um schwankende 15% zurück. Gemäss eigenen Angaben der Weltbank müssen ungefähr 300 Millionen Afrikaner - fast die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents - mit weniger als 0,65 Euro pro Tag überleben. Die vom IWF diktierten Einschnitte in das System der nationalen Gesundheitsversorgung haben zu einem Anstieg der Kindersterblichkeit auf dem ganzen Kontinent geführt. Im Jahr 2002 machte Malawi eine Hungersnot durch. Dies fiel mit der Entscheidung des IWF vom April 2002 zusammen, Malawi mit dem Vorwurf der «Korruption» von Hilfsgeldern auszuschliessen. Der IWF hatte die Regierung Malawis angewiesen, die Getreidereserven des Landes zu verkaufen, um ein Darlehen der Nationalen Food Reserve Agency bei einer Bank von Südafrika zurückzuzahlen. Der IWF verlangte auch den Export von Mais, um die Schulden zu bedienen, und ignorierte dabei die sich entwickelnde Hungersnot. Der IWF leugnete scheinheilig, dass dieses Vorgehen bei der Hungersnot irgendeine Rolle gespielt habe.4

Bei den arabischen Staaten, einschliesslich Algerien und Marokko, ging das Wachstum des Bruttoinlandprodukts pro Kopf zwischen 1960 und 1980 von plus 175% auf minus 2% in den folgenden zwei Jahrzehnten zurück, ein atemberaubender Zusammenbruch.

Die einzige offensichtliche Ausnahme in dieser negativen Entwicklung bildet Ostasien, einschliesslich China. Hier war das Wachstum zwischen 1980 und 2000 höher. Dafür gibt der Einbezug von China den Ausschlag: Das Land erlebte einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 400% und umfasst 83% der regionalen Bevölkerung. China hat alle Geschäfte mit dem IWF unnachgiebig verweigert, es führt eine kontrollierte Staatswirtschaft bei voller Kontrolle über die eigene Währung - also kaum ein Modellstaat im Sinne des IWF.

Fazit
Globalisierung ist ein Begriff, der heute oft ungenau benutzt wird. Wenn wir den Begriff Globalisierung verwenden, um auf den Gesamtprozess des von IWF und WTO geführten Neokolonialismus unter dem Dollarsystem zu verweisen, dann ist dies ein beschreibender Begriff. Er beschreibt die Schaffung eines weltweiten Dollarimperiums, einer Pax Americana. Etablierte Kritiker des IWF-Systems, wie beispielsweise Joseph Stiglitz, der früher Berater von Clinton und Chefökonom der Weltbank war, formulieren präzise Vorwürfe gegen den IWF. Sie vermuten jedoch, dass es lediglich eine fehlgeleitete Politik ist, die die Probleme verursacht. Aber die Institution des IWF an sich, wie auch die Weltbank und die WTO, sind vorsätzlich entwickelt worden, um die Globalisierung des Dollarsystems - neben der militärischen Macht die zweite Säule der Pax Americana - voranzutreiben. Es ist keine fehlgeschlagene Politik, kein Ergebnis verwaltungstechnischer Fehler. Das ist der entscheidende Punkt, der verstanden werden muss: Der IWF besteht, um das Dollarsystem zu stützen.5

1 Marc Weisbrot et al. Growth may be good for the poor but are IMF and World Bank Policies good for growth? Center for Economic Policies Research Washington, August 2000. In diesem Papier wird die Politik des IWF scharf kritisiert. Es dokumentiert das reale Sinken des Lebensstandards seit 1980 in Ländern, die Zielscheibe des IWF sind.

2 Charles Ponzi versprach den Leuten in den 20er Jahren, er kenne einen Weg, wie sie ihr Vermögen in lediglich 90 Tagen verdoppeln könnten. Er erstellte dazu ein eigenes Schema in Pyramidenform. Für ihn funktionierte es eine gewisse Zeit, bis er schliesslich wegen Betrugs usw. ins Gefängnis musste.

3 Weltbank. World Development Indicators 2002, Table 4.16, External Debt.

4 Belege für die Auswirkungen der IWF-Forderungen an Afrika finden sich unter www.africanperspective.com und im dem Magazin African Business vom Januar 2003, im Artikel «Who Caused the Malawii Famine?» von Kwesi Owusu und Francis Ng'ambi.

5 Eine nützliche, aber begrenzte Kritik der Politik des IWF findet sich im Buch von Joseph Stiglitz. Schatten der Globalisierung. Berlin 2002. (Englisch: Globalization and its Discontents. London 2002)



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«Als Teil des amerikanischen Systems muss ausserdem das weltweite Netz von Sonderorganisationen, allen voran die internationalen Finanzinstitutionen, betrachtet werden. Offiziell vertreten der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank globale Interessen und tragen weltweit Verantwortung. In Wirklichkeit werden sie jedoch von den USA dominiert, die sie mit der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 aus der Taufe hoben.»

Zbigniew Brezinski. Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main 1999. S. 49.


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Was ist der «Washington Consensus»?
we. Die Politik, die der IWF einem Land abverlangt, wurde in einer Liste von Punkten beschrieben, die als «Washington Consensus» bezeichnet wird. Der Consensus, der nirgends als offizielles Dokument dieser Politik existiert, ist eine genaue Beschreibung der politischen Leitlinien des IWF und wird auch als solche verwendet. Er wurde 1989/1990 von John Williamson, einem Wirtschaftswissenschafter am Institut für Internationale Wirtschaftslehre in Washington entworfen. Er listete 10 zentrale Ziele der Politik auf und bezeichnete sie als «Washington Consensus». Diese umfassen «Disziplin» beim Staatshaushalt, das heisst die Beschneidung öffentlicher Ausgaben, selbst im Gesundheits- und Erziehungswesen; Liberalisierung der Finanzmärkte, selbst wenn die meisten Länder nicht in der Lage sind, die grossen Mengen ins Land fliessenden ausländischen Kapitals zu handhaben; das Zulassen «wettbewerbsfähiger» Wechselkurse, um ein schnelles Exportwachstum anzukurbeln; die Aufhebung von Schutzzöllen, was ausländischen Importen den Weg freimacht, wobei es sich oft um amerikanische Landwirtschaftsprodukte handelt, die die heimischen Reis- oder andere Nahrungsproduzenten in den Bankrott treiben; die Abschaffung von Barrieren für ausländische Direktinvestitionen; die Privatisierung staatlicher Unternehmen; die Deregulierung, auch bei den Gewerkschaften, um einen neuen Wettbewerb zuzulassen, der auch ausländische Firmen einbezieht, die weit mehr Mittel zur Verfügung haben; die Garantie von Eigentumsrechten, besonders für ausländische Betriebe und Banken.

Der Consensus als politisches Paket stellt sicher, dass ein schwaches Entwicklungsland wie Indonesien oder Zimbabwe gezwungen ist, seine Wirtschaft auf allen Ebenen für die Übernahme seiner wertvollsten Ressourcen durch ausländische Kräfte zu öffnen. Der Consensus enthält technische Beschreibungen, die vernünftig klingen. In Wirklichkeit ist er die Vorlage für eine fremde multinationale Herrschaft, von einigen Kritikern Neo-Kolonialismus genannt. Einmal ihrer Verteidigung und ihres Schutzes beraubt, vermögen nur wenige Länder mit riesigen multinationalen Unternehmen oder Banken zu konkurrieren.

Die IWF-Strategie wird ausserdem durch die US-Vorherrschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) und bei der Weltbank unterstützt, was bedeutet, dass ein Entwicklungsland nur wenige Möglichkeiten hat, den Forderungen zu widerstehen. Um überhaupt ausländisches Kapital in seinen Wirtschaftskreislauf zu bekommen, benötigt ein Land zuerst die Zustimmung des IWF. Das bedeutet, mehr oder weniger mit dem einverstanden zu sein, was im Washington Consensus beschrieben wird. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, erhebt den Vorwurf, dass viele Länder in Lateinamerika und Afrika «dem Diktat des 'Washington Consensus' - Herabsetzung der Inflation und Haushaltsdefiziten, Handelsliberalisierungen, Privatisierung staatseigener Unternehmen gefolgt sind - aber sie warten noch immer auf die Entwicklung».

Im Gegensatz dazu verfolgten viele lateinamerikanische und afrikanische Wirtschaften in den sechziger Jahren gegenteilige Strategien und erfreuten sich eines starken Wirtschaftswachstums. Aus naheliegenden Gründen sieht man beim IWF gewöhnlich über diesen Punkt hinweg. Trotz der zunehmenden Angriffe auf die Vorstellungen des Washington Consensus und seiner marktwirtschaftlichen Politik, wird diese Politik weiterverfolgt. Dies deswegen, weil es nicht um Wirtschaftswachstum geht, sondern um ökonomische Steuerung durch multinationale Banken und Firmen, die das Dollarsystem stützen.



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«Die erste Stufe ist die Privatisierung - die laut Stiglitz treffender 'Korruptisierung' genannt werden kann. Anstatt dem Ausverkauf staatlicher Betriebe zu widersprechen, sagt er, verscherbeln nationale Führungspersönlichkeiten fröhlich Elektrizitäts- und Wasserwerke, wobei sie die Forderung der Weltbank nutzen, um lokale Kritiker zum Schweigen zu bringen. 'Man konnte zusehen, wie ihre Augen gross wurden' bei der Aussicht auf die zehnprozentigen Provisionen, die allein dafür auf Schweizer Bankkonten gezahlt wurden, dass einfach der Verkaufspreis der nationalen Vermögenswerte um ein paar Milliarden gekürzt wurde.»

«The Globaliser who came in from the cold»Interview mit Joe Stiglitz von Greg Palast. London Observer vom 10. Oktober 2001



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«Die sich stetig weitende Kluft zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen hat eine wachsende Zahl von Menschen in der dritten Welt, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, in bittere Armut gestürzt. Trotz wiederholter Versprechen in den neunziger Jahren, die weltweite Armut zu verringern, hat die Zahl der Menschen, die in Armut leben, tatsächlich um 100 Millionen zugenommen. Im gleichen Zeitraum ist das gesamte Welteinkommen im Schnitt um 2,5 Prozent jährlich gestiegen.»

Stiglitz, Joseph, Die Schatten der Gloabalisierung. Berlin 2002. ISBN 3-88680-753-3. S. 20



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«Die moderne High-Tech-Kriegführung ist darauf ausgerichtet, physischen Kontakt zum Feind zu vermeiden: Wenn man Bomben aus einer Höhe von 10000 Metern abwirft, Ðspürtð man nicht, was man tut. Bei der modernen Wirtschaftssteuerung verhält es sich ganz ähnlich: Von einem Luxushotel aus kann man gefühllos Konditionen auferlegen, über die man zweimal nachdächte, würde man die Menschen kennen, deren Leben man zerstört.»

Stiglitz, Joseph, Die Schatten der Gloabalisierung. Berlin 2002. ISBN 3-88680-753-3. S. 38
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