Brokat AG: Bloß keinen falschen Schritt tun
Die Brokat AG steht am Rande eines Abgrundes. In welche Richtung die Firma jetzt geht, hängt auch vom neuen Mann im Aufsichtsrat ab.
Man kann wie die Analysten der DG Bank „geschockt sein“ von den Zahlen, die die Brokat AG vor gut einer Woche vorgelegt hat, aber man kann immerhin nicht behaupten, dass sich seitdem nichts getan habe.
Der ehemalige Vorstand für das operative Geschäft von Brokat, Angelo Maestrini, räumte bereits nach der Bekanntgabe der Zahlen seinen Stuhl und half, den Vorstand auf vier Personen zu verkleinern. Wie heute in einer Pressemeldung mitgeteilt wurde, hat Brokat dieses System nun auch auf den Aufsichtsrat ausgeweitet. Für drei heute zurückgetretene Aufsichtsratsmitglieder ist nur ein neuer, der ausgewiesene Sanierer Dirk Pfeil (53), nachnominiert worden. Der Erklärung zufolge soll er gleichzeitig zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden avancieren.
Das klingt positiv, aber was will und was kann der Mann jetzt machen? Nach den wirklich katastrophalen Zahlen ist klar, dass die Analysten und die Presse ein besonderes Auge auf die Brokat AG werfen und alles was passiert, bzw. nicht passiert, mit Argusaugen beobachten. Als Erster hat heute die DG Bank ihre Einschätzung der Lage öffentlich gemacht. So wird die offensichtliche Suche nach neuen Investoren und Partnern von der DG Bank als Zeichen für die „desolate Liquiditätssituation“ gewertet. Immerhin finden die Analysten tröstende Worte, denn „schlimmer wird es nicht“. Bleibt die Frage: für wen? Ob und wer den nun einsteigen möchte ist jedenfalls weiterhin unklar, außer einigen Gerüchten um Siemens und Vodafone in den letzten Tagen war jedenfalls nichts Aufklärendes zu hören.
Für die Führung von Brokat wird sich in nächster Zeit die Frage stellen, wie viel Handlungsspielraum sie überhaut noch hat. Ein Nettoergebnis von 825 Mio. Euro minus bei liquiden Mitteln von 41 Mio. Euro und einem Verlust von 22,31 Euro pro Aktie im zweiten Quartal sind nun nicht unbedingt dazu angetan, Vertrauen bei den Anlegern zu schaffen. Der Kurs bewegt sich, mit Ausnahme der leichten Euphorie durch die Übernahmegerüchte stetig abwärts.
Die Zahlen vom kommenden Dienstag werden da vermutlich wenig ändern, die „geschockten“ Anleger und die Börse gehen nicht von einer positiven Überraschung aus und schlimmer kann es wohl wirklich nicht mehr kommen. Wirklich nicht? Die DG Bank deutet an, dass sie nicht wirklich verwundert wäre, wenn die Brokat AG noch vor Jahresfrist „vom Kurszettel verschwinden“ würde. Das also sind die Aussichten, die auch w:o-Leser nicht mehr sonderlich erstaunen dürften . Ob es wirklich so weit kommen muss wird sich zeigen, aber eines ist im Moment in jedem Fall angeraten: dem designierten Aufsichtsratschef Dirk Pfeil viel Glück bei einer gewiss nicht leichten Aufgabe zu wünschen.
Autor: Gerrit Nawracala, 15:15 03.08.01