Die FDP und der Antisemitismus-Streit: Er werde sich ganz bestimmt nicht zu politischen Themen in Deutschland äußern, beteuerte Parteichef Guido Westerwelle zu Beginn seines Besuches in Israel. Doch genau darüber wollen seine Gastgeber mit ihm reden.
Berlin /Jerusalem - Westerwelle wird heute in Israel unter anderem mit Ministerpräsident Ariel Scharon und Außenminister Schimon Peres zusammentreffen. Dabei wollen seine Gesprächspartner offenbar den schweren Konflikt der Liberalen mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zur Sprache bringen. Westerwelle werde sich bei seinen Treffen mit Scharon, Peres und Staatspräsident Mosche Kazaw "einige unangenehme Fragen anhören müssen", verlautete in Jerusalem. Und aus diplomatischen Kreisen hieß es: "Die Äußerungen von Herrn Möllemann und seine Kritik an Herrn Friedman sind für uns inakzeptabel."
Staatspräsident Mosche Kazaw wurde vor der Ankunft Westerwelles deutlich: "In Belgien und in Frankreich ist der Antisemitismus drastisch gestiegen. Von dieser Entwicklung scheint auch Deutschland erfasst zu werden", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Natürlich sind wir besonders sensibel, was das Verhältnis von Deutschen zu Juden angeht. Und deshalb erwarten wir von Deutschland, alles zu tun, um ein weiteres Anwachsen von Antisemitismus zu verhindern. Das demokratische Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet nicht das Recht, Juden zu beschimpfen und zu beleidigen. Für jede demokratische Regierung sollte es selbstverständlich sein, jede Form von Antisemitismus zu bekämpfen."
Baum knöpft sich Möllemann vor
Bei der FDP wächst unterdessen der Unmut über den Antisemitismus-Streit. Der frühere Innenminister Gerhart Baum forderte Westerwelle auf, jetzt "eine deutliche Trennungslinie zur Politik Möllemanns zu ziehen". Wer die FDP auf den Weg des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider führen wolle, "kann sie nicht mehr als stellvertretender Bundesvorsitzender vertreten", sagte Baum.
Baum bezog sich bei seiner Kritik auf einen Beitrag Möllemanns für die Zeitung "Neues Deutschland". Dort hatte der FDP-Vize geschrieben, der gemeinsame Nenner von Wahlergebnissen europäischer Länder in den vergangenen Jahren sei "die Emanzipation der Demokraten" gewesen. Überall in Europa seien Regierungen abgewählt worden, weil sie die tatsächlichen Probleme der Menschen nicht gelöst hätten. Diese Entwicklung habe in Österreich mit Haider begonnen. Möllemann fügte hinzu: "Es geht nur noch darum, wer die tatsächlichen Probleme der Menschen ohne ideologische Scheuklappen erkennt, in der Sprache des Volkes nennt und zu ihrer Zufriedenheit löst."
Der FDP-Innenexperte Max Stadler sagte der "Tageszeitung", solche Aussagen spiegelten in keiner Weise die Auffassungen der FDP. Dies müsse die Parteiführung klarstellen.
Zuvor hatte die Altliberale Hildegard Hamm-Brücher ihre Drohung erneuert, wegen des Streits um Möllemann und den von ihm geförderten Landtagsabgeordnetem Jamal Karsli aus der Partei auszutreten. Die Ergebnisse der Sondersitzung des FDP-Präsidiums zum Antisemitismus-Streit am Freitag seien "völlig unbefriedigend" gewesen, sagte Hamm-Brücher der "Tageszeitung". Das Gremium hatte sich einstimmig hinter Möllemann gestellt und ihn vor Antisemitismus-Vorwürfen in Schutz genommen.