Dr. med. Philip Janda
Was versteht man unter Tinnitus?
Leidet ein Patient unter Tinnitus, nimmt er einen Ton oder ein Geräusch wahr, das objektiv nicht existiert. Diese Töne oder Geräusche sind von anderen Personen also nicht zu hören.
Welche Arten von Tinnitus gibt es?
Je nach Dauer des Tinnitus und davon abhängiger Behandlung unterscheidet man folgende Arten:
Akuter Tinnitus (Dauer: bis zu drei Monate
Subakuter Tinnitus (bis zu sechs Monate)
Chronischer Tinnitus (mehr als sechs Monate)
Je nach Schweregrad teilt man den Tinnitus folgendermaßen ein:
Kompensierter Tinnitus. Der Patient registriert zwar Geräusche, kann mit diesen aber umgehen, so dass kein oder nur ein geringer Leidensdruck entsteht.
Dekompensierter Tinnitus. Dieser führt zu massiven Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche und verursacht einen großen Leidensdruck. Es kann zu Symptomen wie Angstzuständen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und Depressionen kommen.
Wie häufig und bei wem kommt dieses Symptom vor?
Tinnitus kann in jedem Lebensalter vorkommen.
In Deutschland sind etwa acht Prozent aller Erwachsenen betroffen.
Durch die stetig zunehmende Lärmbelastung (z.B. in Diskotheken) nimmt aber die Häufigkeit bereits im jugendlichen Alter zu. So sind über fünf Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum 29. Lebensjahr von Tinnitus betroffen. Was ist die Ursache für das Entstehen von Tinnitus?
Tinnitus wird vermutlich, ähnlich wie der Hörsturz , auf Grund von Durchblutungsstörungen der kleinsten Innenohrgefäße ausgelöst (Mikrozirkulationsstörung). Mögliche begünstigende Faktoren können hierbei sein:
Stresssituationen
Stoffwechselerkrankungen (z.B. hoher Cholesterinspiegel)
Erkrankungen der Halswirbelsäule (z.B. Schleudertrauma nach Autounfall)
Gebissfehlstellungen
Lärmbelastung
Entzündungen (z.B. Mittelohrentzündung )
Autoimmunerkrankungen
Durchblutungsstörungen der Kopf- und Wirbelsäulengefäße (Arteriosklerose)
Komplexbildung der Blutplättchen (Thrombozyten-Aggregation)
Ohrenschmalz am Trommelfell
Trommelfellperforation
Otosklerose
Tumoren
Multiple Sklerose
Schädel-Hirn-Trauma
Vergiftungen, Medikamente
Wie äußert sich Tinnitus?
Einseitige oder beidseitige Geräuschphänomene wie Sausen, Pfeifen, Brummen, Zischen, Rauschen, Knacken
Eventuell Hörminderung
Manchmal Schwindel
Wie wird Tinnitus diagnostiziert?
Bei Auftreten von Tinnitus sollten einige wichtige Untersuchungen durchgeführt werden, durch die eine akut behandlungsbedürftige Ursache gefunden werden kann. Hierbei sind neben allen diagnostischen Kriterien, die auch beim Hörsturz durchgeführt werden, zusätzlich noch folgende Untersuchungen sehr wichtig:
Bestimmung der Verdeckbarkeit des Tinnitus. Hierbei werden dem Patienten so lange verschiedene Töne angeboten, bis er den Tinnitus nicht mehr wahrnimmt.
Lautstärkenbestimmung des Tinnitus
Untersuchung des Kau-Apparats
Aufzeichnung möglicher atem- oder pulssynchroner Veränderungen
Von großer Bedeutung ist die fachgerechte HNO-ärztliche Untersuchung, d. h. die Ohrmikroskopie und allgemeine HNO-ärztliche Spiegeluntersuchung des Patienten. Auch die Audiometrie und Gleichgewichtsprüfung müssen Bestandteil der Untersuchung sein.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Tinnitus?
Die Therapie des Tinnitus orientiert sich, neben der Behandlung der Ursache, falls eine gefunden werden kann, am Zeitverlauf und dem Schweregrad. So wird bei akutem Tinnitus versucht, die Ohrgeräusche vollständig zu beseitigen. Bei chronischem Tinnitus wird dieses Ziel nur sehr selten erreicht. Es gibt folgende Behandlungsmöglichkeiten:
Stressabbau und Kreislaufstabilisierung
Infusionstherapie, vor allem im akuten Stadium
Kortisontherapie, vor allem im akuten Stadium
Wenn notwendig: physikalisch-medizinische Behandlung der Halswirbelsäule (z.B. Krankengymnastik)
Wenn notwendig: physikalisch-medizinische Behandlung der Halswirbelsäule (z.B. Krankengymnastik)
Wenn notwendig: kieferorthopädische Behandlung (z.B. bei Fehlbildung des Gebisses)
Bei psychischer Ursache: Psychosomatische, gegebenenfalls psychiatrische Therapie (z.B. Entspannungsübungen)
Anpassung eines Hörsystems , das den subjektiven Tinnitus durch ein Rauschen überdeckt
Anpassung von Hörsystemen, wenn ein zusätzlicher Hörverlust besteht
Überdeckung des Tinnitus, wenn er beim Einschlafen stört (z.B. durch Musik am Bett)
Aufklärung über die Lebensführung (z.B. Meiden von Stresssituationen und starkem Lärm)
Alternative Therapien , v. a. die Tinnitus-Retraining-Therapie
Hyperbare Sauerstoff-Therapie
Kann Tinnitus zu Komplikationen führen?
Zu den möglichen Komplikationen einer Tinnitus-Erkrankung gehören häufig Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen. In seltenen Fällen kann es bis zur Arbeitsunfähigkeit und Selbstmordgefahr gehen. Von großer Bedeutung ist die fachmännische Diagnose, damit nicht ein Tumor (z. B. Akustikusneurinom ), der einen Tinnitus verursacht, übersehen wird.
Wie ist die Prognose?
Allgemein gilt: je früher der Behandlungsbeginn, desto besser die Prognose!
Während die Behandlungserfolge bei einem akuten Tinnitus mit einer medikamentös-rheologischen Infusionstherapie am besten sind, wird die Heilungswahrscheinlichkeit immer geringer, je länger der Tinnitus besteht (subakutes und chronisches Stadium).
Dabei bedeutet Heilung die Auslöschung des Ohrgeräusches. Den allermeisten Patienten wird jedoch durch die obigen Therapieformen und entsprechende Strategien eine gute Wiederherstellung der Lebensqualität ermöglicht.
Dr. med. Philip Janda ist Arzt an einer Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in München.
Letzte Aktualisierung: Oktober 2000