Sein Fall sei das "Modell dieser Krise", sagt Schneider. Sein Fall hätte "ein Lehrstück für die Wirtschaft" sein sollen, so habe es auch der Richter damals gesagt. Aber man habe die Konsequenzen nicht gezogen. Ein Schneider musste wegen Betrugs in Haft, ein Hilmar Kopper aber, damals Chef der Deutschen Bank, der konnte die unbezahlten Handwerksrechnungen über 50 Mio. DM einfach als Peanuts abtun, das war's. Das ist Schneiders Blick auf die Dinge. "Hätten die Banken sich damals schon die Finger verbrannt", sagt er, "hätten sie es heute nicht so weit getrieben." Diesmal müsse gründlich gegen die Institute ermittelt werden. Und: "Ich hoffe, dass einige von den Managern in einem öffentlichen Prozess verurteilt werden." Wie gesagt: keine Rache.
Jürgen Schneider: "In nur 13 Jahren habe ich es zum größten privaten Bauherrn in Deutschland gebracht"Er spricht laut und mit einer Stimme, die es gewohnt ist, Gewicht zu haben, den Rücken stramm in den kleinen Cocktailsessel gedrückt, seine Finger krallen sich ins weiche Leder. Er gerät ins Erzählen, man hört ihm gern zu. "In nur 13 Jahren habe ich es zum größten privaten Bauherrn in Deutschland gebracht", sagt er, in der Brust ein heiseres Lachen, das in einem Husten endet. Er hat eine Grippe hinter sich, aber er ist robust, und das Herumkramen in Erinnerungen macht ihn munter. Über den Bauch wandert eine altmodische Krawatte, von links nach rechts, hin und her, wie er sich so windet in dem kleinen Sessel. Das Hemd ist verwaschen, in der Brusttasche steckt ein Kugelschreiber aus Plastik.
Er erzählt genüsslich, wie er es allen gezeigt hat, er, der gelernte Maurer, der später Ingenieur wurde und mit 48 noch in der Baufirma seines Vaters arbeitete. 1982 zeigte er der Deutschen Bank das erste Mal, was er aus Geld zu schaffen imstande ist. Günstig kaufte er einen verkommenen Gründerzeitbau, das Goldene Kreuz mitten in Baden-Baden, direkt gegenüber der dortigen Filiale des Geldhauses. Keiner hatte etwas zu lachen unter Bauleiter Schneider. "Ich hab die Architekten und die Handwerker da durchgetrieben, bis es ein Prachthaus war", sagt er heute und stellt sich vor, wie sich die Herrschaften drüben in der Bank die Nasen wohl an den Scheiben platt drückten und staunten, was der Schneider vis-à-vis auf die Beine stellte.
Schneider fuhr hohe Mieten ein, der Immobilienmarkt war heiß, die Wertsteigerungen spektakulär, genau wie zuletzt in den USA. Es waren Zeiten, in denen Banken gern Darlehen vergaben, weil sie glaubten, nur gewinnen zu können.
Schneider kaufte, sanierte, vermietete teuer oder verkaufte aufsehenerregend, teils mit 100 Prozent Gewinn. So ging es immer weiter, der nächste Kredit, der nächste Glanzbau, am liebsten historisch, denkmalgeschützt, in Bestlage. Er war wie besessen, sein Arbeitstag begann um fünf und endete in der Nacht. Nach wenigen Jahren gehörten ihm 168 Großobjekte. Die Banken zahlten, weil sie ihm glaubten.
Alle kamen sie zu ihm, die Banker, nach Königstein, dem Reichenvorort von Frankfurt im Taunus, auf sein Anwesen, Schloss würde man dazu sagen, "Schlösschen", sagt Schneider. Noch heute fährt er manchmal dorthin, parkt das Auto, schaut durch den Zaun, dessen Spitzen er einst mit Blattgold überziehen ließ, und muss selbst lachen, wenn er daran denkt, wie er das Gebäude nachts immer hell leuchten ließ. Ringsum wohnten einige Bankvorstände; vor dem Einschlafen sollten sie das Schlösschen vom Schneider vor Augen haben. Vorfahren durften nur Vorstände, wer weniger wichtig war, musste zu Fuß zum Haus gehen. Jeden ließ er warten, in einer Halle mit riesigem Marmorkamin, schweren Vorhängen und viel Antikem. "Das hat den Anschein von Beständigkeit." Empfangsdamen reichten Kaffee und Kekse, und Schneider stand oben und hat sich fast kaputtgelacht. "Dann bin ich runter und hab mich tausendmal entschuldigt, dass sie warten mussten."
Teil 3: Wie Schneider und seine Partner die Angst verdrängten >>
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