Kaufargument für Thiel-Aktien.
Hallo Leute,
hier ein interessanter Bericht aus der Financial Times Deutschland.
Gruß Albatossa
Die Quandts machen von sich reden: Die Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt beginnen, ihr Familienerbe umzubauen und auf Ertrag zu trimmen. Der Aufstieg von Altana in den Dax und der Einstieg von Delton bei Thiel Logistik sind erst der Anfang.
Es läuft zurzeit gut für die Quandts. Sehr gut sogar. Am späten Dienstagabend teilt die Deutsche Börse mit, sie werde Altana in den Hochadel der deutschen Aktien, den Dax, aufnehmen. Internationale Großinvestoren werden die Aktie des Unternehmens künftig auf dem Radar haben. Die Hälfte des Pharma- und Chemieherstellers gehört Susanne Klatten, geborene Quandt. Wenige Stunden zuvor hat die Beteiligungsgesellschaft Delton angekündigt, den Luxemburger Logistik-Dienstleister Thiel zu übernehmen und mit der Mehrheitsbeteiligung Microlog zu verschmelzen. Damit stößt die Holding in eine neue Dimension vor. Alleinaktionär von Delton ist Stefan Quandt.
Die Quandt-Geschwister profilieren sich in einer bislang unbekannten Rolle: als aktive Unternehmer. Die Milliardenerben des Bad Homburger Clans - er ist 36, sie 40 Jahre alt - ordnen das Familienportfolio neu. Die Investments, die sie von der Vorgängergeneration übernommen haben, entwickeln die Nachkommen zu schlagkräftigen Einheiten - behutsam zwar, aber zielstrebig. Mit der neuen Strategie wollen sie jenes Familienimperium bewahren, das die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik prägte.
Keimzelle AFA
Der Aufstieg der Familie beginnt 1923. Günther Quandt erwirbt die Accumulatoren-Fabrik AG - kurz AFA -, die 1962 in Varta AG umbenannt wird. Das Hannoveraner Unternehmen ist die Keimzelle des Industrie-Konglomerats, das Quandt, ursprünglich Textilfabrikant aus Pritzwalk in der Mark Brandenburg, in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich aufbaut.
Zu den Kernbeteiligungen zählen nach dem Zweiten Weltkrieg die Pharmafirma Byk Gulden, das Herzstück der heutigen Altana, und die Industrie-Werke Karlsruhe, die heute im MDax notierte IWKA. Nach dem Tod von Günther Quandt im Jahr 1954 übernehmen seine Söhne Harald und Herbert die Geschäfte. Harald kümmert sich vor allem um IWKA. Herbert Quandt nimmt AFA unter seine Fittiche und kauft in den 50er Jahren ein ansehnliches Paket an Daimler-Benz- und BMW-Aktien zusammen.
Ein Coup gelingt Herbert Quandt bei der der BMW-Hauptversammlung im Jahr 1959, bei der die Übernahme durch Daimler-Benz besiegelt werden soll. Die Mehrheit der BMW-Aktionäre ist dagegen; Quandt übernimmt das Steuer beim Münchner Autobauer. Kurz nach dem Unfalltod von Harald Quandt 1967 kommt es zum Familienstreit. Anfang der 70er Jahre werden Vermögen und Beteiligungen unter den beiden Zweigen des Clans aufgeteilt.
Tradition mit Diskretion
Im Juni 1982 stirbt Herbert Quandt, seine Frau Johanna übernimmt die Position des Familienoberhaupts und setzt die Tradition des Clans fort: das Erbe diskret zu verwalten. Unter ihrer Ägide steigen die Quandts nach Berechnungen des US-Wirtschaftsmagazins "Forbes" zur zweitreichsten Familie Deutschlands auf - mit einem Vermögen von 18,4 Mrd. $. Vor ihnen rangieren nur noch die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht, die es auf 26,8 Mrd. $ bringen.
Die dritte Generation will diesen Wohlstand weiter mehren. Das Tempo, mit dem Beteiligungen abgestoßen, zugekauft und umgebaut werden, ist gestiegen. So hat Stefan Quandt dem Vorstandschef seiner Delton-Holding, Berndt-Michael Winter, das Signal zum Angriff gegeben: "Herr Quandt hat deutlich gemacht, dass die Delton das unternehmerische Vehikel ist, über das er seine unternehmerischen Investments laufen lassen will", sagt Winter, "er wird nicht unwesentliche Finanzmittel in die Delton stecken."
Investitionen in Wachstumsmärkte
Bis vor kurzem war die unscheinbare Holding ein mehr oder weniger zufällig zusammengewachsenes Gestrüpp aus Unternehmens-Beteiligungen. Das ist vorbei: "Wenn wir in Geschäfte investieren, muss es sich um zukunftsorientierte Wachstumsmärkte handeln, und eine marktführende Position sollte zumindest in absehbarer Zeit erreichbar sein", sagt Winter. Zu solchen Investments zählt Winter den Logistik-Anbieter Microlog, bei dem Delton 2001 die Mehrheit übernahm. Und den Luxemburger Wettbewerber Thiel, bei dem sich die Quandt-Holding im Juli und August - von der Öffentlichkeit unbemerkt - eingekauft hat.
Die traditionsreiche Modefirma van Laack, die seit Jahrzehnten zum Portfolio gehört, fällt aus dieser Erfolgskategorie heraus. Seit 2001 sucht Delton einen Käufer für die blasse Tochter. Während ihr Bruder seine Beteiligungen auf Ertrag trimmt, holt Susanne Klatten die Pharmafirma Altana zielstrebig aus der provinziellen Ecke. Inzwischen erwirtschaftet das Unternehmen aus Bad Homburg mehr als 86 Prozent des Umsatzes von zuletzt 2,3 Mrd. Euro im Ausland. Seit Mai ist die Altana-Aktie sogar in New York gelistet.
Vorstandschef Nikolaus Schweickart gibt sich neuerdings kaufhungrig: "In der Spezialchemie sind Objekte auf dem Markt, die zwischen 20 und 500 Mio. Euro Jahresumsatz erzielen. Auf beiden Seiten dieser Bandbreite kann ich mir vorstellen, Akquisitionen zu tätigen", kündigte er vor kurzem an. "Das dürften nicht nur kleine Arrondierungs-Akquisitionen sein, sondern Erweiterungskäufe." Schweickart der seit 1990 an der Spitze des Konzerns steht, ist bereits seit 25 Jahren für die Familie tätig, davon eine Zeit lang als als persönlicher Mitarbeiter von Senior Herbert Quandt.
Altana hilft bei der Expansion
Der Aufstieg von Altana in den Dax dürfte es dem Manager erleichtern, weiter zu expandieren. Zielstrebig hat sich der Konzern für die erste Börsenliga aufgehübscht: den Übernahmekodex der Deutschen Börse unterzeichnet, eine Imagekampagne gestartet, den Markennamen gepusht. "In diesem Jahr hatte der Konzern sein Coming-out", jubelt Altana-Sprecher Thomas Gauly, bis vor kurzem persönlicher Referent der Familie Quandt.
Für Rüdiger Jungbluth sind die neuesten Nachrichten aus dem Hause Quandt symptomatisch für den Epochenwechsel in dem Clan. "Stefan Quandt und Susanne Klatten treten aus dem Schatten ihres Vaters hervor und zeigen eigenes Profil", sagt der Hamburger Autor. Für die Recherchen zu seinem Buch "Die Quandts - Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands", das Ende des Monats erscheint, konnte Jungbluth mit sämtlichen Familienmitgliedern sprechen, die wirtschaftliche Macht ausüben. Ein Novum.
Privates bleibt privat
Der Öffentlichkeit erlauben die Quandts seit jeher so gut wie keinen Einblick in ihr Geschäftsgebaren oder gar ins Privatleben. Mit der Presse kommunizieren die Familienmitglieder über ihre Vertrauten. Stefan Quandt sagte Jungbluth, dass er nur dann ein Interview geben würde, "wenn er damit einen Nutzen erzeugen könnte". Ende der 90er Jahre, kurz vor dem Rover-Verkauf durch BMW, wäre es für ihn fast so weit gewesen. VW-Chef Ferdinand Piëch machte dem bayerischen Automobilhersteller Übernahme-Avancen. Der forsche Konzernchef ließ damals öffentlich verkünden, dass Teile der Quandt-Familie durchaus über den Verkauf ihrer BMW-Anteile nachdächten. Stefan Quandt wollte daraufhin öffentlich diese Behauptung dementieren. Er tat es dann doch nicht, sondern schrieb einen Brief an Piëch.
So knausrig die Quandts mit Informationen über ihre Familie sind, so großzügig räumen sie ihren Vertrauten Freiräume ein. Hektische Finanzmanöver aus kurzfristigem Gewinnmaximierungskalkül muss kein Manager fürchten. Die Quandts sind eine sichere Bank und stehen langfristig zu ihren Investments. Spekulationen, sie würden sich angesichts des Rover-Desasters von BMW trennen, perlten an den Geschwistern und ihrer Mutter Johanna ab wie Regen von frischem Autolack.
Das heißt keineswegs, dass sich die Familie nicht einmischt. Offiziell gilt zwar die Sprachregelung, die Quandts betätigten sich lediglich als unternehmerische Aktionäre, die sich im Rahmen von Aufsichtsrats-Sitzungen über den Gang der Dinge informieren. Doch zumindest von Stefan Quandt ist bekannt, dass er sich immer wieder bei den Strategie-Treffen seiner Topmanager blicken lässt.
Die Geschwister verstehen sich als traditionelle Familien-Unternehmer. Das will Stefan Quandt auch den Studenten der Technischen Universität Karlsruhe vermitteln, die er während seiner akademischen Ausbildung selbst besucht hat: "Bevor Sie jetzt anfangen zu gähnen: Tradition ist für ein Familienunternehmen kein sentimentaler Wert, sondern ein echtes Asset", rief der Erbe im vorigen Jahr auf der Diplomfeier den Absolventen zu. Dieses Credo haben auch die Quandt-Manager verinnerlicht: "Das Wichtigste bei einer Akquisition ist die Unternehmenskultur", sagt Klaus Oehmichen, Vorstandsmitglied bei Altana, "die können Sie nachher nicht mehr ändern."
An der Tradition der Unternehmerfamilie, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren, wollen die Vertreter der jungen Quandt-Generation ebenfalls nicht rütteln: "Ich bin der Überzeugung, dass ein Gemeinwesen, in dem man der kulturellen und gesellschaftlichen Betätigung mit Geringschätzung begegnet, keine Zukunft hat", teilt Susanne Klatten auf der Internetseite ihres Altana-Konzerns mit. Die schweigsamen Geschwister fördern Kunst, Kultur und Unternehmertum. Seit 1995 schreiben sie sogar einen Journalistenpreis aus.
© 2002 Financial Times Deutschland, 15.08.2002