Weniger ist mehr - Die Konsumflaute

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Weniger ist mehr - Die Konsumflaute

 
02.12.02 12:45
Während die Klagen der Wirtschaft immer lauter werden, entdecken viele Menschen den Charme der Bescheidenheit. Nur bei den Älteren grassiert noch der hemmungslose Hedonismus - die Jüngeren hingegen genießen die zwangsverordnete Kaufscham.

Hamburg - Ausgerechnet die Werbung hat den passenden Slogan für das grassierende Sparen gefunden. Die Multimediakette Saturn lässt eine junge Schönheit in einem Spot "Geiz ist geil!" brüllen.

Und wirklich belegen Umfragen, dass viele Menschen auch ohne die jeweils schicksten Handys, neuesten Computer und Haushaltsgeräte durchaus zufrieden sind.

Wer brachte in der Boom-Zeit der 90er einen alten Fernseher noch zum Mechaniker, anstatt sich neueste Modelle mit Flachbildschirm und allen Schikanen zu kaufen? Heute sagen nach einer repräsentativen Erhebung des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) 87 Prozent der Deutschen, sie würden defekte Geräte lieber zur Reparatur als zum Müll tragen - wenn es nur eine Möglichkeit dazu gäbe. Nur 36 Prozent ist es wichtig, dass Gekauftes "dem aktuellen modischen Trend" entspricht.

"In Deutschland gilt 2002 als das schwierigste Jahr"

Es muss nicht immer Luxus sein - angesichts konjunktureller Wohlstandsängste und hartnäckig beständiger Unsicherheit wegen der Euro-Umstellung eine beruhigende Erkenntnis. Tatsächlich ist die Kauflust den Deutschen vergangen wie einem Satten der Hunger. "Die Anschaffungsneigung ist so niedrig, wie wir es seit 1980 nicht mehr gemessen haben", sagt Marktforscher Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung in Nürnberg.

Im November werde sich die Konsumflaute nochmal verschärfen. Der Vorstandchef von Hugo Boss, Bruno Sälzer, sagte unlängst bereits: "In Deutschland gilt 2002 als das schwierigste Jahr in der Herrenmode seit 1949." Derlei düstere historische Vergleiche sind dieser Tage öfter zu hören.

Die Kaufscham nagt bei Industrie und Wirtschaft an Ergebniszahlen und Karrieren. Was aber bedeutet es für die Verbraucher, wenn sie sich nicht mehr so viel von dem leisten können, was glänzt? Schicke Reisen oder surrende Autos und Mini-Roller sind schließlich auch Statussymbole.

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Teil 2

 
02.12.02 12:46
"Konsumgüter sind zum Kommunikationsmittel geworden", sagt der Wiener Konsumforscher Karl Kollmann - in Deutschland wie in Österreich. "Ich mache einen exklusiven Urlaub oder kaufe ein Mobiltelefon mit Kamera nicht nur wegen des Genusses", meint der Autor einschlägiger Studien, "sondern auch, weil man darüber reden kann."

 
© DER SPIEGEL


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Gebremste Kauflust


Doch nicht nur der Reichtum, sondern auch die Lust aufs Geldausgeben stößt an Grenzen. "Bei den 25- bis 30-Jährigen gibts Brüche", sagt Kollmann. In vielen jungen Familien beginne mit dem ersten Kind eine Mischung aus Sparsamkeit, anderen Werten und Umweltbewusstsein den Kauftrieb zu verdrängen. "Man muss dann nicht alle vier Jahre ein neues Auto haben und alle zwei Jahre einen neuen Computer."

Während bei vielen Senioren ein neuer Hedonismus die alte Sparsamkeit ablöse, gehe ein Trend bei Jüngeren in Großstädten in die umgekehrte Richtung: Aus der Not, sich nicht alles leisten zu können, machen viele nach Studien von Soziologen eine Tugend. Im Freundeskreis geachtet ist gerade nicht mehr, sondern weniger, vielleicht auch anderer Konsum.

Albtraum von unbefriedigter Konsumlust

So haben einige Marketing-Experten in der Vergangenheit große Hoffnung in Leih- und Leasing-Konzepte gesetzt. Schließlich ist Leihen - und somit Teilen - meist billiger und weit umweltfreundlicher als Kaufen. Doch egal ob beim Car-Sharing oder geliehenen Werkzeugen - "das sind produktabhängige Nischenmärkte", dämpft IÖW-Forscher Gerd Scholl entsprechende Hoffnungen. Lediglich beim Skifahren boome der Verleih. Die Freizeit-Wintersportler kämen beim Kauf gar nicht hinter den ständigen Neuerungen bei Ski, Carving und Snowboard her. Deshalb greifen sie in den Wintersportgebieten zu ausleihbaren Geräten.

Der Traum vom politisch korrekten Konsum ohne Besitz, so lautet das Fazit von Scholl und seinen Kollegen, ist möglich. Er wird aber derzeit eher von einer Minderheit geträumt. Für eine Mehrheit dagegen scheint der Albtraum von nicht befriedigter Konsumlust zunehmend wahr zu werden.

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Teil 3

 
02.12.02 12:48
Die meisten Menschen kennen nach Ansicht des Wiener Wirtschaftsprofessors Karl Kollmann beim Konsumieren nur eine Richtung: Sie wollen immer höher hinaus. "Kann ich mir endlich ein einfaches Auto leisten, will ich beispielsweise bald ein besseres", sagt der Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Auch wenn das eigene Konsumniveau bereits über dem Bevölkerungsdurchschnitt liege, orientierten sich die meisten Menschen tendenziell immer weiter nach oben. "Man sieht die wirtschaftlich schwächeren Milieus nicht mehr", sagt Kollmann. Schließlich bleibe man auch im Freundes- und Kollegenkreis meist unter seinesgleichen - und gewöhne sich so rasch an einmal erlangte Standards.

Hoher Lebensstandart

"Gerade viele Älteren hat der Marsch durch die Institutionen mürbe gemacht und sie zu breitem Konsum geführt", meint Kollmann. In den 50er und 60er Jahren sei nach dem Auszug aus dem im Vergleich zu heute einfacher ausgestatteten Elternhaus eine Verbesserung des Lebensstandards meist binnen weniger Jahre sicher gewesen.

Heute hätten es Heranwachsende da schwieriger. Von Zuhause seien sie durchschnittlich ein höheres Konsumniveau gewohnt. Es gehe dann nicht mehr selbstverständlich bergauf.
(Quelle: manager-magazin.de)

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