Wen will RWE noch kaufen, Herr Kuhnt?

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Wen will RWE noch kaufen, Herr Kuhnt?

 
24.03.02 06:54
Interview: RWE-Chef Dietmar Kuhnt über die Übernahme des britischen Stromversorgers Innogy, die Trägheit deutscher Verbraucher und die Dauer-Fehde mit Eon
 
Wen will RWE noch kaufen, Herr Kuhnt? 618404
RWE-Chef Dietmar Kuhnt  

Welt am Sonntag: Herr Kuhnt, am Freitag haben Sie die Übernahme des britischen Stromversorgers Innogy für neun Milliarden Euro angekündigt. Das ist jetzt der vierte Firmenkauf in zwei Jahren für knapp 32 Milliarden Euro. Ist Ihr Kaufrausch noch zu stoppen?

Dietmar Kuhnt: Das ist die falsche Interpretation. Wir haben sehr früh erklärt, dass wir unser Kerngeschäft - Strom, Gas, Wasser, Umwelt - ausbauen wollen. Heute stehen wir sehr gut da: In Deutschland sind wir beim Strom die Nummer eins. Und in Europa werden wir die Nummer zwei sein, mit insgesamt 20 Millionen Kunden.

WamS: Informationen über die Innogy-Übernahme waren vor ihrer Verkündung bekannt geworden, die RWE-Aktie reagierte nicht darauf. Haben Sie den Kapitalmarkt nicht überzeugen können?

Kuhnt: Seitdem alle Fakten auf dem Tisch liegen, honorieren die Börsianer die Innogy-Übernahme. Für mich ist das der Beweis, dass der Kapitalmarkt unsere Strategie unterstützt. Man hätte auch vermuten können, dass der Kurs fällt, weil wir so viele Übernahmen gemacht haben und wir erst konsolidieren sollen. Aber man traut uns zu, dass wir sowohl vom Management als auch von den Kapitalressourcen her in der Lage sind, eine so große Akquisition vorzunehmen.

WamS: Der Kapitalmarkt könnte der Meinung sein, dass Innogy nicht so ein Perle ist.

Kuhnt: Innogy ist zurzeit das Unternehmen auf dem europäischen Energiemarkt, das zu uns strategisch am besten passt. Das Attraktive für uns ist, dass Innogy ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Erzeugung einerseits und Kundenstamm anderseits sowie seit 1990 beste Erfahrungen auf einem voll liberalisierten Markt bis hin zu den Endkunden hat.

WamS: Warum gab es für Innogy keinen weiteren Interessenten?

Kuhnt: Es gibt nicht sehr viele Unternehmen in Europa, die die Finanzkraft für so einen Deal haben. Und wir haben mit Thames Water bereits eine sehr gute Basis in England. Dadurch können wir uns auch auf der Kostenseite verbessern und gemeinsamen Service anbieten.

WamS: Ist der Markt jetzt aufgeteilt in Europa?

Kuhnt: Nein. Es wird weiter konsolidiert werden. Am Ende werden wir fünf, sechs Unternehmen in Europa haben. Dazu gehören sicherlich RWE, Eon, EdF aus Frankreich, Endesa und Iberdrola aus Spanien und Suez aus Frankreich.

WamS: Welche Übernahmemöglichkeiten haben Sie noch?

Kuhnt: Unsere Kasse ist bei weitem nicht leer. Unser Hauptaugenmerk gilt aber erst mal der Integration der letzten großen Akquisitionen. Zudem wird durch die Übernahme von Innogy die Trennung von unseren Finanzbeteiligungen Hochtief und Heidelberger Druck sicherlich beschleunigt werden.

WamS: Für die Engländer hat sich die Vorreiterposition bei der Liberalisierung nicht ausgezahlt. Ihre Unternehmen werden aufgekauft durch Ausländer, die auf ihren Märkten Monopolgewinne abschöpfen und so die Käufe finanzieren.

Kuhnt: Man darf das nicht nationalstaatlich sehen. Wir haben einen europäischen Markt. Nur Frankreich ist ein Ausnahmefall, weil es sich weiterhin weigert, den Stromkonzern EdF zu privatisieren und den Wettbewerb zu ermöglichen. Das wird zu Recht von der EU-Kommission kritisiert. Aber insgesamt haben wir es mit europäischen, international ausgerichteten Unternehmen zu tun.

WamS: Es ist doch augenscheinlich, dass ausgerechnet in England der Markt von den Ausländern übernommen wurde, so wie in keinem anderen Land.

Kuhnt: Gewinner wird der Verbraucher sein. Von der Kundenorientiertheit der Engländer können wir noch sehr viel lernen.

WamS: Auch auf dem deutschen Markt gibt es de jure Wettbewerb, nur ist der wieder eingeschlafen.

Kuhnt: In England wechseln jährlich etwa 20 Prozent der Kunden, bei uns sind es derzeit drei Prozent. Viele Unternehmen sind bei uns auf die Preise der Wettbewerber eingestiegen. Es liegt auch daran, dass der Kunde die Chancen durch einen Wechsel zu einem anderen Versorgerunternehmen nicht wahrgenommen hat. In den kommenden Jahren werden wir aber auch bei uns britische Wettbewerbsverhältnisse haben - da bin ich mir ganz sicher.

WamS: Andererseits haben die Energiekonzerne den Kampf um den Kunden eingestellt.

Kuhnt: Das stimmt für RWE nicht. Die Werbeaufwendungen sind zwar in der Branche zurückgefahren worden, weil das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr gestimmt hat, aber wir bei RWE investieren dafür mehr ins Direktmarketing.

WamS: Was haben Sie denn aus Ihrer wenig gelungenen "Avanza"-Werbekampagne gelernt?

Kuhnt: Der Kunde ist zurückhaltender als wir es angenommen haben. Seit über zwölf Monaten setzen wir voll auf die Dachmarke RWE, und das mit nachhaltigem Erfolg.

WamS: Derzeit versuchen Sie die Ministererlaubnis zu der Übernahme von Ruhrgas durch Eon zu verhindern. Wie stehen die Chancen?

Kuhnt: Ich halte die Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis für nicht gegeben. Sie kann nach dem Gesetz erteilt werden, wenn überwiegende Interessen des Gemeinwohls die Wettbewerbsbeschränkung aufheben. Ich kann nicht sehen, wie diese Übernahme dem Gemeinwohl oder dem Verbraucher nutzen soll. Sie dient in erster Linie Eon. Es kann nicht Sinn einer Ministererlaubnis sein, einen europäischen Player aufzubauen zulasten des deutschen Wettbewerbs.

WamS: Wie sind Ihre Argumente im Bundeskanzleramt aufgenommen worden?

Kuhnt: Mit Aufgeschlossenheit.

Das Gespräch führte Matthias Wulff.

Im Namen der Rose

Die "Rose" hat gestochen. Unter diesem Decknamen arbeitete RWE seit Januar an der Übernahme des führenden britischen Stromversorgers Innogy (Codewort: Iris). Die deutsche Nummer eins auf dem deutschen Strommarkt rückt damit an die europäischen Marktführer Electricité de France (EdF) und Eon heran. Der 63-Milliarden-Euro-Konzern, fünftgrößter in Deutschland, zählt Strom, Gas, Wasser und Abfallentsorgung zu seinen Kerngeschäftsfeldern und beschäftigt 155.000 Menschen.
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