Weitere Schritte der EZB sind nötig
Von Stefan Bergheim
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einmal mehr die richtige Entscheidung getroffen. Mit der Zinssenkung um 25 Basispunkte in der letzten Woche hat sie auf das schwächere Wirtschaftswachstum reagiert.
Lange genug hatte die EZB argumentiert, dass Euroland von der weltweiten konjunkturellen Abschwächung kaum betroffen sei und dass die Inlandsnachfrage stark bleiben würde. Aber mit der jüngsten Zinssenkung ist die Arbeit für die EZB wahrscheinlich noch nicht getan. Die Zentralbank hat monatelang vor möglichen Zweitrundeneffekten der hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise gewarnt. Nun sollte sie sich auf die Zweitrundeneffekte der konjunkturellen Abschwächung konzentrieren.
Der rapide Rückgang der Industrieproduktion im ersten Halbjahr und die Abschwächung im Dienstleistungsbereich haben deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. In Deutschland steigt die Arbeitslosigkeit schon seit Jahresanfang, und sogar im bis vor kurzem sehr erfolgreichen Frankreich geht die Quote seit einigen Monaten nach oben. Die Beschäftigung im Euroland wuchs Ende des vergangenen Jahres noch mit einer Rate von 2 Prozent. Nun ist das Wachstum fast zum Erliegen gekommen.
Optimismus lässt weiteren Raum
Für den privaten Verbrauch hat dies ausgesprochen negative Konsequenzen. Und die Inflationsrate liegt auch im August noch über dem Durchschnitt des Winterhalbjahres. Mit anderen Worten, der private Verbrauch bekommt bisher kaum Hilfe von Seiten der Inflation, aber er gerät von der Beschäftigungsseite kräftig unter Druck.
Die Zentralbank war bei der Begründung ihres jüngsten Zinsschrittes am vergangenen Donnerstag wohl noch immer zu optimistisch, wenn sie tatsächlich auf fallende Inflationsraten und die volle Auswirkung der Steuersenkung für eine Belebung der Inlandsnachfrage setzt. Dieser Optimismus lässt weiteren Raum für Enttäuschungen, auf die die EZB mit weiteren Zinssenkungen reagieren dürfte. Je früher die EZB ihren Optimismus weiter zurücknimmt, umso besser ist dies für die Wirtschaft im Euroland.
Die synchrone weltweite Konjunkturschwäche und alle inländischen Indikatoren deuten darauf hin, dass Euroland auch im zweiten Halbjahr noch unter Trend wachsen wird. Damit kann bis zum Ende dieses Jahres eine Potenziallücke von knapp einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes entstehen. Dies hätte die entsprechende dämpfende Wirkung auf die Inflationsentwicklung.
Die EZB ist auch gefordert, da die Fiskalpolitik angesichts steigender Defizite fast keinen Spielraum für stimulierende Maßnahmen hat.
Stefan Bergheim ist Volkswirt für die Euro-Zone bei JP Morgan in Frankfurt.