B A N K E N
Wieder bei Muttern
Weil den Direktbanken Kundschaft fehlt, pfeifen die Stammhäuser sie zurück
Von Holger Balodis
© BHF-Bank
Bankexperten wundern sich: Mit Patagon bringt die spanische Santander-Bank in der kommenden Woche einen weiteren Online-Discountbroker an den deutschen Markt. Vom 9. August an gibt es das übliche Angebot im Internet: Aktien und Investmentfonds, Kredite und Versicherungen. Ein mutiger Schritt. Denn angesichts der anhaltenden Börsenflaute schreibt derzeit keine deutsche Online-Bank schwarze Zahlen.
Kein Wunder also, dass zuvor so renommierte Finanzhäuser wie Credit Suisse und Vontobel ihre geplanten Online-Projekte noch vor dem Start wieder aufgaben. Damit wurden zwar viele Millionen in den Sand gesetzt. Doch mit der Vollbremsung blieb ihnen immerhin das Schicksal von Systracom erspart: Der Berliner Anbieter hatte im Frühjahr die zweifelhafte Ehre, als erster deutscher Discountbroker Pleite zu machen. Systracom war als Direktbroker relativ spät am Markt gestartet und versuchte mit extrem niedrigen Provisionen der enteilten Konkurrenz die Kunden abzujagen. Doch nur 10 000 Anleger wechselten in der schwachen Börsenphase zum Newcomer.
Schon bald darauf mussten sie erkennen, dass nicht nur der Aktienhandel, sondern auch die Depotführung bei einem Billigbroker Risiken in sich trägt. Systracom-Kunden konnten wochenlang nicht mit ihren Wertpapieren handeln. Weil die Bankaufsicht wegen der Finanzprobleme des Unternehmens alle Transaktionen blockiert hatte, konnten sie nicht mehr verkaufen und mussten hilflos mit ansehen, wie die Kurse ihrer Aktien immer weiter abstürzten.
"Um die großen Online-Broker mache ich mir jedoch keine Sorgen", beruhigt Alexander Kachler vom Bankhaus Merck Finck & Co die Anleger. "Die können auch mal ein schlechtes Jahr durchstehen." Dumm ist nur, dass niemand weiß, wie lange sich das so genannte schlechte Jahr noch hinzieht. Denn solange die Börse nicht anspringt, wird auch die Krise der Online-Banken andauern.
"Die Geduld hat Grenzen"
Zwar stehen hinter den führenden deutschen Instituten meist renommierte Großbanken - so gehört die Direktanlagebank (DAB) mehrheitlich der HypoVereinsbank, und Comdirect ist eine Tochter der Commerzbank -, sie helfen den Online-Banken über eine gewisse Durststrecke hinweg. "Doch auch die Geduld solcher Bankkonzerne hat Grenzen", weiß Bankwissenschaftler Wolfgang Gerke aus Erlangen. Irgendwann wollen die Banker in den Chefetagen schwarze Zahlen sehen.
Doch die sind nicht in Sicht, die Wunderkinder des Vorjahres sind zu Prügelknaben geworden. Comdirect meldete allein für das erste Quartal einen Verlust von 19,8 Millionen Euro. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Auch die DAB, nach Ansicht nahezu aller Analysten derzeit noch die erfolgreichste Online-Bank, könnte nach Aussage ihres Vorstandschefs Matthias Kröner "mit einem Jahresverlust von 60 Millionen Euro gut leben".
Selbst der frühere Börsenliebling Consors, der die meisten hartgesottenen Zocker unter Vertrag hat, meldet erstmals satte Verluste: Allein im ersten Vierteljahr der andauernden Börsenbaisse schmolz fast der gesamte Vorjahresgewinn von 17 Millionen Euro dahin. Consors-Chef Karl Matthäus Schmidt beklagt denn auch "die größte Finanzmarktkrise seit 1929" und verordnete das Sparprogramm "Fit for Future". Eine Halbierung der Marketingausgaben und ein kräftiger Personalabbau sind vorgesehen.
Von in der Spitze 1160 Beschäftigten will man beim Nürnberger Ableger der Hofer Schmidtbank bis zum Jahresende auf unter 1000 herunter. Die Münchner DAB hat gar jedem ihrer 1200 Beschäftigten zum 30. September einen Auflösungsvertrag angeboten und winkt mit Abfindungen von bis zu einem halben Jahresgehalt.
Dabei hatte alles so großartig begonnen: Der Börsenboom bescherte den Discountbrokern einen Aufschwung ohnegleichen. In wenigen Monaten konnten Unternehmen wie Consors, DAB oder Comdirect ihre Kundenzahlen glatt verdoppeln. Interessanterweise waren es wiederum die Online-Banken selber, die durch den billigen und unkomplizierten Aktienhandel die Hausse erst so richtig auf die Spitze trieben.
Hundertausende Deutsche wurden quasi über Nacht zu Börsenjunkies. Mit den Discountbrokern als willigen Dealern, die großzügig Wertpapierkredite einräumten und trotz geringer Provisionen glänzende Geschäfte machten. Die Vorteile gegenüber normalen Banken und Sparkassen lagen auf der Hand: Erreichbarkeit rund um die Uhr, niedrige Depotgebühren, geringe Provisionen, per Mausklick Zugriff auf praktisch alle handelbaren Wertpapiere. Und das bei strenger Produktneutralität, denn: Wer nur Aufträge ausführt und nicht berät, schwatzt einem auch nicht eine bestimmte Aktie oder den bankeigenen Fonds auf.
Die Broker seien schlicht die Opfer des eigenen Erfolges geworden, befindet Ralf Dibbern, Analyst bei M. M. Warburg. Als das Geschäft brummte, haben sie eilig in Personal und Technik investiert und sitzen nun allesamt auf einem riesigen Fixkostenblock. Gleichzeitig sinken die Einnahmen dramatisch. Die Zahl der Orders geht Monat für Monat zurück. Fatal für die Institute, die überwiegend von Provisionen leben.
Fast schon wie Verzweiflungstaten mutet es da an, wenn die Broker neue Kunden mit Lufthansa-Prämienmeilen belohnen oder Gratisaktien verteilen. All das nutzt in der Börsenflaute jedoch wenig und steigert allenfalls noch die ohnehin hohen Kosten.
Mit dem Rücken zur Wand versprechen sich die Online-Banken nun Rettung von neuen Konzepten. Hoffnungsträger ist das, was sie "Multi-Kanal-Strategie" nennen. Das klingt modern, ist jedoch ein Schritt zurück: Der Kundenkontakt soll nicht mehr nur per Internet oder Telefon stattfinden. Auch das persönliche Gespräch vor Ort - in speziellen Filialen - soll wieder wichtig werden.
Die gute alte Bankfiliale lässt grüßen. Wissenschaftler Gerke hält dies für eine ebenso falsche wie teure Strategie. "Geradezu ein Witz" sei es doch, wenn die normalen Banken allerorten Filialen dichtmachten und nun die ehedem schlanken Online-Banken durch den Aufbau eines Filialnetzes ihre Fixkosten aufblähten.
Gerke rät den Discountbrokern, nicht die Nerven zu verlieren und sich auf ihre Stärken zu besinnen: preiswert und mit geringem Personalaufwand Wertpapiertransaktionen abzuwickeln. Auch den Trend zu mehr Beratung hält er für wenig aussichtsreich: "Warum sollten die Online-Broker das besser und billiger können als herkömmliche Banken?"
Damit wird das Dilemma der reinen Online-Banken deutlich. Wollen sie weiter kräftig wachsen, müssen sie eine ganz neue Klientel ansprechen. Sie müssen an diejenigen Anleger heran, die sich bislang auf eigene Faust allenfalls an Bundesschatzbriefe getraut haben. "Ein unlösbarer Zielkonflikt", urteilt Volker von Krüchten, Analyst der BHF-Bank. Weiteres Kundenwachstum sei unstreitig nur mit zusätzlicher Beratung und einem breiteren Produktangebot zu schaffen. Genau diese Maßnahmen erhöhten aber die Kosten und damit die Verluste. Möglicherweise der Anfang vom Ende der eigenständigen Discountbroker.
Krüchten erwartet denn auch, dass Commerzbank und HypoVereinsbank "nicht mehr lange bereit sind, die Verluste ihrer Töchter zu tolerieren". Die Folgen wären klar: Zurück ins Mutterhaus unter Nutzung des dort ohnehin vorhandenen Filialnetzes. Das mache vor allem deshalb Sinn, weil die neue Zielgruppe der Discountbroker immer mehr aus ganz normalen Bankkunden besteht.
"Höchstens zwei bleiben übrig"
Mit der Reintegration würde aber das Konzept einer reinen Online-Bank aufgegeben. Internet-Handel bliebe zwar wichtig, aber nur als einer von mehreren Dienstleistungsangeboten der klassischen Universalbanken. Wissenschaftler Gerke wagt gar die Prognose, dass von den heute 20 Online-Brokern in zehn Jahren "allenfalls noch ein oder zwei übrig bleiben". Der große Rest bleibe der Funktion nach erhalten, werde aber wieder ins normale Bankgeschäft eingegliedert.
Wie so etwas aussehen könnte, demonstriert derzeit die Deutsche Bank mit ihrem Online-Broker Maxblue als Nachfolger des eingestellten Brokerage 24. Im Rahmen eines so genannten "integrierten Modells" können die Kunden frei wählen: Entweder sind sie ausschließlich Online-Kunde bei Maxblue - oder sie nutzen zusätzlich den Service und das Beratungsangebot der Deutschen Bank 24 in den über 1000 Filialen. Das Konzept hat Erfolg: Zum 1. April startete Maxblue mit 280 000 Depots. Seitdem konnten bereits 100 000 neue Kunden gewonnen werden. Pressesprecher Markus Block schwärmt von dem enormen Potenzial, das allein in den Reihen der 7,5 Millionen Kunden der Deutsche Bank 24 schlummere. Immerhin 1,7 Millionen davon haben ein Wertpapierdepot, und 1,4 Millionen der Deutsche-Bank-Kunden führen schon ihr Girokonto online. Wenn die alle demnächst Maxblue nutzten, wäre der Online-Broker innerhalb kürzester Zeit Marktführer in Deutschland.
Für die Kunden macht das Beispiel jedoch deutlich: Service gibt es auch in Zukunft nicht kostenlos. Zwar ist das reine Brokerdepot bei Maxblue gratis, die Provisionen sind niedrig. Doch den vollen Service in den Filialen bekommt nur, wer dort zusätzlich ein klassisches Wertpapierdepot unterhält. Und das kostet dann noch mal rund 300 Mark im Jahr.
(c) DIE ZEIT 32/2001
Wieder bei Muttern
Weil den Direktbanken Kundschaft fehlt, pfeifen die Stammhäuser sie zurück
Von Holger Balodis
© BHF-Bank
Bankexperten wundern sich: Mit Patagon bringt die spanische Santander-Bank in der kommenden Woche einen weiteren Online-Discountbroker an den deutschen Markt. Vom 9. August an gibt es das übliche Angebot im Internet: Aktien und Investmentfonds, Kredite und Versicherungen. Ein mutiger Schritt. Denn angesichts der anhaltenden Börsenflaute schreibt derzeit keine deutsche Online-Bank schwarze Zahlen.
Kein Wunder also, dass zuvor so renommierte Finanzhäuser wie Credit Suisse und Vontobel ihre geplanten Online-Projekte noch vor dem Start wieder aufgaben. Damit wurden zwar viele Millionen in den Sand gesetzt. Doch mit der Vollbremsung blieb ihnen immerhin das Schicksal von Systracom erspart: Der Berliner Anbieter hatte im Frühjahr die zweifelhafte Ehre, als erster deutscher Discountbroker Pleite zu machen. Systracom war als Direktbroker relativ spät am Markt gestartet und versuchte mit extrem niedrigen Provisionen der enteilten Konkurrenz die Kunden abzujagen. Doch nur 10 000 Anleger wechselten in der schwachen Börsenphase zum Newcomer.
Schon bald darauf mussten sie erkennen, dass nicht nur der Aktienhandel, sondern auch die Depotführung bei einem Billigbroker Risiken in sich trägt. Systracom-Kunden konnten wochenlang nicht mit ihren Wertpapieren handeln. Weil die Bankaufsicht wegen der Finanzprobleme des Unternehmens alle Transaktionen blockiert hatte, konnten sie nicht mehr verkaufen und mussten hilflos mit ansehen, wie die Kurse ihrer Aktien immer weiter abstürzten.
"Um die großen Online-Broker mache ich mir jedoch keine Sorgen", beruhigt Alexander Kachler vom Bankhaus Merck Finck & Co die Anleger. "Die können auch mal ein schlechtes Jahr durchstehen." Dumm ist nur, dass niemand weiß, wie lange sich das so genannte schlechte Jahr noch hinzieht. Denn solange die Börse nicht anspringt, wird auch die Krise der Online-Banken andauern.
"Die Geduld hat Grenzen"
Zwar stehen hinter den führenden deutschen Instituten meist renommierte Großbanken - so gehört die Direktanlagebank (DAB) mehrheitlich der HypoVereinsbank, und Comdirect ist eine Tochter der Commerzbank -, sie helfen den Online-Banken über eine gewisse Durststrecke hinweg. "Doch auch die Geduld solcher Bankkonzerne hat Grenzen", weiß Bankwissenschaftler Wolfgang Gerke aus Erlangen. Irgendwann wollen die Banker in den Chefetagen schwarze Zahlen sehen.
Doch die sind nicht in Sicht, die Wunderkinder des Vorjahres sind zu Prügelknaben geworden. Comdirect meldete allein für das erste Quartal einen Verlust von 19,8 Millionen Euro. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Auch die DAB, nach Ansicht nahezu aller Analysten derzeit noch die erfolgreichste Online-Bank, könnte nach Aussage ihres Vorstandschefs Matthias Kröner "mit einem Jahresverlust von 60 Millionen Euro gut leben".
Selbst der frühere Börsenliebling Consors, der die meisten hartgesottenen Zocker unter Vertrag hat, meldet erstmals satte Verluste: Allein im ersten Vierteljahr der andauernden Börsenbaisse schmolz fast der gesamte Vorjahresgewinn von 17 Millionen Euro dahin. Consors-Chef Karl Matthäus Schmidt beklagt denn auch "die größte Finanzmarktkrise seit 1929" und verordnete das Sparprogramm "Fit for Future". Eine Halbierung der Marketingausgaben und ein kräftiger Personalabbau sind vorgesehen.
Von in der Spitze 1160 Beschäftigten will man beim Nürnberger Ableger der Hofer Schmidtbank bis zum Jahresende auf unter 1000 herunter. Die Münchner DAB hat gar jedem ihrer 1200 Beschäftigten zum 30. September einen Auflösungsvertrag angeboten und winkt mit Abfindungen von bis zu einem halben Jahresgehalt.
Dabei hatte alles so großartig begonnen: Der Börsenboom bescherte den Discountbrokern einen Aufschwung ohnegleichen. In wenigen Monaten konnten Unternehmen wie Consors, DAB oder Comdirect ihre Kundenzahlen glatt verdoppeln. Interessanterweise waren es wiederum die Online-Banken selber, die durch den billigen und unkomplizierten Aktienhandel die Hausse erst so richtig auf die Spitze trieben.
Hundertausende Deutsche wurden quasi über Nacht zu Börsenjunkies. Mit den Discountbrokern als willigen Dealern, die großzügig Wertpapierkredite einräumten und trotz geringer Provisionen glänzende Geschäfte machten. Die Vorteile gegenüber normalen Banken und Sparkassen lagen auf der Hand: Erreichbarkeit rund um die Uhr, niedrige Depotgebühren, geringe Provisionen, per Mausklick Zugriff auf praktisch alle handelbaren Wertpapiere. Und das bei strenger Produktneutralität, denn: Wer nur Aufträge ausführt und nicht berät, schwatzt einem auch nicht eine bestimmte Aktie oder den bankeigenen Fonds auf.
Die Broker seien schlicht die Opfer des eigenen Erfolges geworden, befindet Ralf Dibbern, Analyst bei M. M. Warburg. Als das Geschäft brummte, haben sie eilig in Personal und Technik investiert und sitzen nun allesamt auf einem riesigen Fixkostenblock. Gleichzeitig sinken die Einnahmen dramatisch. Die Zahl der Orders geht Monat für Monat zurück. Fatal für die Institute, die überwiegend von Provisionen leben.
Fast schon wie Verzweiflungstaten mutet es da an, wenn die Broker neue Kunden mit Lufthansa-Prämienmeilen belohnen oder Gratisaktien verteilen. All das nutzt in der Börsenflaute jedoch wenig und steigert allenfalls noch die ohnehin hohen Kosten.
Mit dem Rücken zur Wand versprechen sich die Online-Banken nun Rettung von neuen Konzepten. Hoffnungsträger ist das, was sie "Multi-Kanal-Strategie" nennen. Das klingt modern, ist jedoch ein Schritt zurück: Der Kundenkontakt soll nicht mehr nur per Internet oder Telefon stattfinden. Auch das persönliche Gespräch vor Ort - in speziellen Filialen - soll wieder wichtig werden.
Die gute alte Bankfiliale lässt grüßen. Wissenschaftler Gerke hält dies für eine ebenso falsche wie teure Strategie. "Geradezu ein Witz" sei es doch, wenn die normalen Banken allerorten Filialen dichtmachten und nun die ehedem schlanken Online-Banken durch den Aufbau eines Filialnetzes ihre Fixkosten aufblähten.
Gerke rät den Discountbrokern, nicht die Nerven zu verlieren und sich auf ihre Stärken zu besinnen: preiswert und mit geringem Personalaufwand Wertpapiertransaktionen abzuwickeln. Auch den Trend zu mehr Beratung hält er für wenig aussichtsreich: "Warum sollten die Online-Broker das besser und billiger können als herkömmliche Banken?"
Damit wird das Dilemma der reinen Online-Banken deutlich. Wollen sie weiter kräftig wachsen, müssen sie eine ganz neue Klientel ansprechen. Sie müssen an diejenigen Anleger heran, die sich bislang auf eigene Faust allenfalls an Bundesschatzbriefe getraut haben. "Ein unlösbarer Zielkonflikt", urteilt Volker von Krüchten, Analyst der BHF-Bank. Weiteres Kundenwachstum sei unstreitig nur mit zusätzlicher Beratung und einem breiteren Produktangebot zu schaffen. Genau diese Maßnahmen erhöhten aber die Kosten und damit die Verluste. Möglicherweise der Anfang vom Ende der eigenständigen Discountbroker.
Krüchten erwartet denn auch, dass Commerzbank und HypoVereinsbank "nicht mehr lange bereit sind, die Verluste ihrer Töchter zu tolerieren". Die Folgen wären klar: Zurück ins Mutterhaus unter Nutzung des dort ohnehin vorhandenen Filialnetzes. Das mache vor allem deshalb Sinn, weil die neue Zielgruppe der Discountbroker immer mehr aus ganz normalen Bankkunden besteht.
"Höchstens zwei bleiben übrig"
Mit der Reintegration würde aber das Konzept einer reinen Online-Bank aufgegeben. Internet-Handel bliebe zwar wichtig, aber nur als einer von mehreren Dienstleistungsangeboten der klassischen Universalbanken. Wissenschaftler Gerke wagt gar die Prognose, dass von den heute 20 Online-Brokern in zehn Jahren "allenfalls noch ein oder zwei übrig bleiben". Der große Rest bleibe der Funktion nach erhalten, werde aber wieder ins normale Bankgeschäft eingegliedert.
Wie so etwas aussehen könnte, demonstriert derzeit die Deutsche Bank mit ihrem Online-Broker Maxblue als Nachfolger des eingestellten Brokerage 24. Im Rahmen eines so genannten "integrierten Modells" können die Kunden frei wählen: Entweder sind sie ausschließlich Online-Kunde bei Maxblue - oder sie nutzen zusätzlich den Service und das Beratungsangebot der Deutschen Bank 24 in den über 1000 Filialen. Das Konzept hat Erfolg: Zum 1. April startete Maxblue mit 280 000 Depots. Seitdem konnten bereits 100 000 neue Kunden gewonnen werden. Pressesprecher Markus Block schwärmt von dem enormen Potenzial, das allein in den Reihen der 7,5 Millionen Kunden der Deutsche Bank 24 schlummere. Immerhin 1,7 Millionen davon haben ein Wertpapierdepot, und 1,4 Millionen der Deutsche-Bank-Kunden führen schon ihr Girokonto online. Wenn die alle demnächst Maxblue nutzten, wäre der Online-Broker innerhalb kürzester Zeit Marktführer in Deutschland.
Für die Kunden macht das Beispiel jedoch deutlich: Service gibt es auch in Zukunft nicht kostenlos. Zwar ist das reine Brokerdepot bei Maxblue gratis, die Provisionen sind niedrig. Doch den vollen Service in den Filialen bekommt nur, wer dort zusätzlich ein klassisches Wertpapierdepot unterhält. Und das kostet dann noch mal rund 300 Mark im Jahr.
(c) DIE ZEIT 32/2001