Bundeswirtschaftsminister Werner Müller will die gesetzlichen Voraussetzungen für Fahrverbote und Stromabschaltungen nach Terroranschlägen schaffen.
Dafür soll das Energiesicherungsgesetz von 1975 so geändert werden, dass die Bewirtschaftung und Rationierung von Energieträgern durch staatliche Stellen auch möglich ist, wenn die Ursache für die Störung im Inland liegt. Bisher darf der Staat nur mit Verboten, Zuteilungen und Festpreisen eingreifen, wenn die Störung der Energieversorgung aus dem Ausland kommt.
Konkrete Anzeichen für einen Terroranschlag auf Energieanlagen sieht Müller nicht. "Wir haben alles überprüft, und zurzeit ergibt die Sicherheitslage keine Anzeichen einer konkreten Bedrohung", sagte der Wirtschaftsminister: "Wir wollen aber vorbereitet sein."
Müller wollte keine Stellung dazu nehmen, welche Art der Störung der Energieversorgung im Inland er erwartet. Als Anschlagsziele mit der höchsten Gefährdung gelten derzeit die deutschen Kernkraftwerke. Schon bei der konkreten Gefahr eines Terroranschlags müssten sie abgeschaltet werden, womit auf einen Schlag rund ein Drittel des deutschen Kraftwerksparks ausfallen würde. "Insgesamt scheint die Stromverteilung auch für diesen Fall gerüstet zu sein", sagte Müller. Die Energiewirtschaft hatte in den letzten Wochen geprüft, ob das Überland-Stromnetz die in einem solchen Fall auftretende Änderung der Stromflüsse überhaupt verkraften könnte.
Krankenhäuser bevorzugt
Würde festgestellt, dass eine Störung der Energieversorgung aufgetreten ist, die mit marktwirtschaftlichen Instrumenten nicht beherrscht werden kann, könnten die bereits vorbereiteten Elektrizitätssicherungsverordnung und Verordnungen für Gas, Mineralöl und Heizöl in Kraft treten, nach denen wichtige Verbraucher wie Krankenhäuser oder Behörden bevorzugt, Preise reguliert oder Energiesperrungen durchgesetzt werden können.
Müller sagte, die Bundesregierung werde sich nicht in den Weg stellen, wenn sich die Kernkraftbetreiber entschließen würden, wegen der Terrordrohung ältere und schlechter geschützte Kernkraftwerke früher vom Netz zu nehmen. Die Bundesregierung wolle dies wegen des Atomkonsenses aber nicht erzwingen. "Zunächst soll man an geschlossenen Vereinbarungen nicht rütteln", sagte Müller.
Wegen der Gefahr von Terroranschlägen mit entführten Passagiermaschinen wurden nach dem 11. September in den USA, Frankreich und Tschechien Luftabwehrsysteme bei Atomanlagen stationiert. An der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wurden ein Radar-System und Crotale-Raketen installiert. In Deutschland hatte dagegen in der vergangenen Woche die Bundesregierung den Einsatz von Raketen ausgeschlossen, weil die Flugstrecken zu nah an den deutschen Kernkraftwerken vorbeiführten. Flugzeugentführungen sollten bereits auf den Flughäfen ausgeschlossen werden, hieß es.
Sicherheit vor Klimaschutz
Angesichts der neuen Bedeutung der Versorgungssicherheit hat der Bundeswirtschaftsminister auch vor einer Verschärfung der Klimaschutzziele für Deutschland gewarnt. Würde sich Deutschland das Ziel setzen, die Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent zu reduzieren, würde sich das "nur zu Lasten von Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit realisieren" lassen, sagte Müller in Berlin: "Wir müssten weitgehend auf die Kohlenutzung, einschließlich der heimischen, verzichten mit der Folge, dass wir von der Importenergie Erdgas deutlich stärker abhängig würden."
Müllers Szenarien stammen offenbar aus seinem "Energie-Bericht", dessen Veröffentlichung vom Kanzleramt im August gestoppt worden war. Darin hatte der Minister die Zukunft der deutschen Wirtschaft bei weiteren Klimaschutzanstrengungen in schwarzen Farben gemalt und davor gewarnt, neue Ziele für die Reduktion der Treibhausgase zu setzen.
Beim grünen Koalitionspartner stießen die Äußerungen von Müller auf Unverständnis. "Die Meinung des Ministers ist nicht die Meinung der Bundesregierung", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Reinhard Loske: "Auch der Bundestag hat kürzlich die langfristigen Klimaschutzziele noch einmal unterstrichen."
© 2001 Financial Times Deutschland
Dafür soll das Energiesicherungsgesetz von 1975 so geändert werden, dass die Bewirtschaftung und Rationierung von Energieträgern durch staatliche Stellen auch möglich ist, wenn die Ursache für die Störung im Inland liegt. Bisher darf der Staat nur mit Verboten, Zuteilungen und Festpreisen eingreifen, wenn die Störung der Energieversorgung aus dem Ausland kommt.
Konkrete Anzeichen für einen Terroranschlag auf Energieanlagen sieht Müller nicht. "Wir haben alles überprüft, und zurzeit ergibt die Sicherheitslage keine Anzeichen einer konkreten Bedrohung", sagte der Wirtschaftsminister: "Wir wollen aber vorbereitet sein."
Müller wollte keine Stellung dazu nehmen, welche Art der Störung der Energieversorgung im Inland er erwartet. Als Anschlagsziele mit der höchsten Gefährdung gelten derzeit die deutschen Kernkraftwerke. Schon bei der konkreten Gefahr eines Terroranschlags müssten sie abgeschaltet werden, womit auf einen Schlag rund ein Drittel des deutschen Kraftwerksparks ausfallen würde. "Insgesamt scheint die Stromverteilung auch für diesen Fall gerüstet zu sein", sagte Müller. Die Energiewirtschaft hatte in den letzten Wochen geprüft, ob das Überland-Stromnetz die in einem solchen Fall auftretende Änderung der Stromflüsse überhaupt verkraften könnte.
Krankenhäuser bevorzugt
Würde festgestellt, dass eine Störung der Energieversorgung aufgetreten ist, die mit marktwirtschaftlichen Instrumenten nicht beherrscht werden kann, könnten die bereits vorbereiteten Elektrizitätssicherungsverordnung und Verordnungen für Gas, Mineralöl und Heizöl in Kraft treten, nach denen wichtige Verbraucher wie Krankenhäuser oder Behörden bevorzugt, Preise reguliert oder Energiesperrungen durchgesetzt werden können.
Müller sagte, die Bundesregierung werde sich nicht in den Weg stellen, wenn sich die Kernkraftbetreiber entschließen würden, wegen der Terrordrohung ältere und schlechter geschützte Kernkraftwerke früher vom Netz zu nehmen. Die Bundesregierung wolle dies wegen des Atomkonsenses aber nicht erzwingen. "Zunächst soll man an geschlossenen Vereinbarungen nicht rütteln", sagte Müller.
Wegen der Gefahr von Terroranschlägen mit entführten Passagiermaschinen wurden nach dem 11. September in den USA, Frankreich und Tschechien Luftabwehrsysteme bei Atomanlagen stationiert. An der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wurden ein Radar-System und Crotale-Raketen installiert. In Deutschland hatte dagegen in der vergangenen Woche die Bundesregierung den Einsatz von Raketen ausgeschlossen, weil die Flugstrecken zu nah an den deutschen Kernkraftwerken vorbeiführten. Flugzeugentführungen sollten bereits auf den Flughäfen ausgeschlossen werden, hieß es.
Sicherheit vor Klimaschutz
Angesichts der neuen Bedeutung der Versorgungssicherheit hat der Bundeswirtschaftsminister auch vor einer Verschärfung der Klimaschutzziele für Deutschland gewarnt. Würde sich Deutschland das Ziel setzen, die Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent zu reduzieren, würde sich das "nur zu Lasten von Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit realisieren" lassen, sagte Müller in Berlin: "Wir müssten weitgehend auf die Kohlenutzung, einschließlich der heimischen, verzichten mit der Folge, dass wir von der Importenergie Erdgas deutlich stärker abhängig würden."
Müllers Szenarien stammen offenbar aus seinem "Energie-Bericht", dessen Veröffentlichung vom Kanzleramt im August gestoppt worden war. Darin hatte der Minister die Zukunft der deutschen Wirtschaft bei weiteren Klimaschutzanstrengungen in schwarzen Farben gemalt und davor gewarnt, neue Ziele für die Reduktion der Treibhausgase zu setzen.
Beim grünen Koalitionspartner stießen die Äußerungen von Müller auf Unverständnis. "Die Meinung des Ministers ist nicht die Meinung der Bundesregierung", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Reinhard Loske: "Auch der Bundestag hat kürzlich die langfristigen Klimaschutzziele noch einmal unterstrichen."
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