Religiöse Aktienfonds investieren ihr Geld nach Glaubenskriterien. "Sündige" Firmen kommen nicht ins ethisch korrekte Depot
von Ulrich Machold
Geld hat kein Gewissen und die Finanzbranche ist ein gottloser Haufen? Mitnichten. Wer den Herrn sucht, wird ihn finden, und sei es im Depot. Geschätzte 2,5 Milliarden Euro stecken weltweit in Investment-fonds, die sich von den Kriterien religiöser Ethik leiten lassen. Sinn der Vehikel: Die Investoren sollen nicht aus Versehen Unternehmen unterstützen, die das eigentlich nicht verdient hätten. Denn wer den Glauben ernst nimmt, so der Grundgedanke, kann nicht wollen, dass sein Geld in Aktien von Waffen- oder Tabakkonzernen fließt.
"Den Menschen soll ermöglicht werden, ihre individuellen ethischen Überzeugungen auch bei der Geldanlage auszudrücken", sagt Peter van den Brock, Direktor der katholischen Pax-Bank in Köln, die selbst mehrere Religions-Fonds anbietet. "Manche Geschäftsfelder kann man dann nicht mehr unterstützen."
Schon 2001 taten sich deshalb elf christliche Banken mit der Union-Investment zusammen und legten ein Fondsgespann auf, um den Gläubigen die Geldanlage nach den Kriterien von Kirche, Caritas und Diakonie (KCD) zu erleichtern: Die KCD-Union-Fonds achten auf Dinge wie Unternehmenskultur und nachhaltiges Wirtschaften. In Firmen, die sich hauptsächlich mit Glücksspiel, Alkohol, Tabak oder Rüstung befassen, wird grundsätzlich nicht investiert.
Dem Himmel noch näher kommt der European Ethical Index Tracker der amerikanischen Bank Mellon Global Investments. Der Fonds bildet die Entwicklung des E. Capital Ethical Index ab, der von der Universität des Vatikan und der Mailänder Wirtschaftshochschule Bocconi in Zusammenarbeit mit mehreren katholischen Orden entwickelt wurde. In letzter Konsequenz hat damit wohl der Papst höchstpersönlich die Oberhoheit über das Geld seiner Schäfchen. Momentan steckt es unter anderem in BP, Vodafone und der Deutschen Bank. Gottgefälliger geht es kaum.
"In Deutschland interessieren sich hauptsächlich kirchliche Institutionen wie Bistümer und Gemeinden für den Fonds", sagt Michael Geier von Mellon. "Dieser Klientel geht es auch nicht nur darum, dass sie eben keine Rüstung unterstützt. Christliche Wertvorstellungen und auch das katholische Verhütungsverbot werden sehr ernst genommen."
Der Weg ins Himmelreich ist nun einmal immer Ansichtssache, vor allem jenseits des Atlantik: Der Ave Maria Catholic Value Fund der US-Firma Schwartz legt sein Geld zwar ebenfalls nicht bei Glücksspiel-, Sex- oder Abtreibungs-verdächtigen Unternehmen an. Schnaps und Panzer dagegen sind in Ordnung. Dabei hat als oberster Hirte hier der Bischof von Detroit das letzte Wort. In Amerika liegt die Bibel eben häufiger gleich neben dem Colt im Schrank.
Und weil was für Jesus gut ist für Mohammed kaum schlecht sein kann, hat die Fondsbranche auch für Geldanleger muslimischen Glaubens Angebote parat: Wer beispielsweise den AlSukoor-Fonds der Commerzbank kauft, muss für Rendite nicht mehr sündigen: Für die nötige Gottesfurcht sorgt ein "Sharia-Board" aus arabischen Koranlehrern, das nach islamischen Kriterien alle Aktien unter die Lupe nimmt, die der Fonds kaufen will. Der Investor des Propheten hat es allerdings noch etwas schwerer als sein christliches Pendant. Denn obwohl Mohammed nichts gegen das Geldverdienen an sich hatte, sind die Auflagen harsch. Zinsen, beispielsweise, und alles, was damit zu tun hat, sind dem Gläubigen verboten. "Fürchtet Allah und lasset den Rest des Wuchers fahren", sagt Vers 278 der zweiten Koransure. Damit scheiden neben den üblichen "unmoralischen" Verdächtigen auch manche Versicherungen und Banken als Investments aus. Auch Schweinefleisch-Verkäufer sind tabu, und selbst Lufthansa gehört nicht ins Depot: Die Airline schenkt Alkohol aus - für jeden gläubigen Muslim eine Sünde.
"Wir brauchen die Expertise von außen, weil wir nicht alles beurteilen können", sagt Klaus-Karl Becker von der Commerzbank. "Ob ein Unternehmen mit zwei Prozent Umsatz aus dem Verkauf von Schweinefleisch schon regelwidrig ist, zum Beispiel. Aber wir füllen mit diesem Produkt eine wichtige Marktlücke für die vielen Muslime in Deutschland, die jetzt ihr Geld ohne schlechtes Gewissen anlegen können."
Die Schweizer UBS dagegen überlässt die Gewissensprüfung ihres Islamic-Fund Global den Strategen von Dow Jones. Die berechnen den Islamic Market Index, der fast 1500 islamisch-korrekte Aktien enthält aus denen die UBS-Manager so nach Belieben wählen können. In Zukunft könnte es damit allerdings Probleme geben: Einer der sechs Islam-Gelehrten, die für Dow Jones die Werte prüfen, ist Scheich Abdul Sattar Abu Ghuddah aus Syrien - laut Präsident George W. Bush ein Mitglied der "Achse des Bösen".
Da der Dank des Herrn allein manchem als Lohn etwas mager vorkommen mag, spielen neben dem guten Gewissen natürlich auch die Gewinnaussichten eine Rolle. Auch der Gläubige muss für die Zukunft sparen. Wie bei einem derart frommen Ansatz kaum anders zu erwarten, scheinen die Götter mit Wohlwollen auf ihre Investoren hinabzublicken: Verlor der marktbreite Leitindex MSCI-World im vergangenen Jahr rund 36 Prozent, zog es den Mellon Index Tracker nur um 31 Prozent in die Tiefe. Der Ave Maria verlor sogar nur 21, der Al-Sukoor 37 Prozent.
Und wer mit dem ganzen Gutmenschentum nichts anfangen kann, für den ist auch gesorgt: Eisenharte Realisten kaufen den Vice Fund, zu Deutsch "Laster-Fonds", der amerikanischen Firma Mutuals.com. Der Fonds legt nur in ethisch verwerflichen Branchen wie Rüstung, Casinos und Alkohol an. Manager Dan Ahrens fasst seine Philosophie auf der Fonds-Webseite in einem Zitat von Abraham Lincoln zusammen: "Es ist meine Erfahrung", sagt da der Ur-Amerikaner, "dass Menschen ohne Laster auch eine andere Sache nicht haben - Werte."
von Ulrich Machold
Geld hat kein Gewissen und die Finanzbranche ist ein gottloser Haufen? Mitnichten. Wer den Herrn sucht, wird ihn finden, und sei es im Depot. Geschätzte 2,5 Milliarden Euro stecken weltweit in Investment-fonds, die sich von den Kriterien religiöser Ethik leiten lassen. Sinn der Vehikel: Die Investoren sollen nicht aus Versehen Unternehmen unterstützen, die das eigentlich nicht verdient hätten. Denn wer den Glauben ernst nimmt, so der Grundgedanke, kann nicht wollen, dass sein Geld in Aktien von Waffen- oder Tabakkonzernen fließt.
"Den Menschen soll ermöglicht werden, ihre individuellen ethischen Überzeugungen auch bei der Geldanlage auszudrücken", sagt Peter van den Brock, Direktor der katholischen Pax-Bank in Köln, die selbst mehrere Religions-Fonds anbietet. "Manche Geschäftsfelder kann man dann nicht mehr unterstützen."
Schon 2001 taten sich deshalb elf christliche Banken mit der Union-Investment zusammen und legten ein Fondsgespann auf, um den Gläubigen die Geldanlage nach den Kriterien von Kirche, Caritas und Diakonie (KCD) zu erleichtern: Die KCD-Union-Fonds achten auf Dinge wie Unternehmenskultur und nachhaltiges Wirtschaften. In Firmen, die sich hauptsächlich mit Glücksspiel, Alkohol, Tabak oder Rüstung befassen, wird grundsätzlich nicht investiert.
Dem Himmel noch näher kommt der European Ethical Index Tracker der amerikanischen Bank Mellon Global Investments. Der Fonds bildet die Entwicklung des E. Capital Ethical Index ab, der von der Universität des Vatikan und der Mailänder Wirtschaftshochschule Bocconi in Zusammenarbeit mit mehreren katholischen Orden entwickelt wurde. In letzter Konsequenz hat damit wohl der Papst höchstpersönlich die Oberhoheit über das Geld seiner Schäfchen. Momentan steckt es unter anderem in BP, Vodafone und der Deutschen Bank. Gottgefälliger geht es kaum.
"In Deutschland interessieren sich hauptsächlich kirchliche Institutionen wie Bistümer und Gemeinden für den Fonds", sagt Michael Geier von Mellon. "Dieser Klientel geht es auch nicht nur darum, dass sie eben keine Rüstung unterstützt. Christliche Wertvorstellungen und auch das katholische Verhütungsverbot werden sehr ernst genommen."
Der Weg ins Himmelreich ist nun einmal immer Ansichtssache, vor allem jenseits des Atlantik: Der Ave Maria Catholic Value Fund der US-Firma Schwartz legt sein Geld zwar ebenfalls nicht bei Glücksspiel-, Sex- oder Abtreibungs-verdächtigen Unternehmen an. Schnaps und Panzer dagegen sind in Ordnung. Dabei hat als oberster Hirte hier der Bischof von Detroit das letzte Wort. In Amerika liegt die Bibel eben häufiger gleich neben dem Colt im Schrank.
Und weil was für Jesus gut ist für Mohammed kaum schlecht sein kann, hat die Fondsbranche auch für Geldanleger muslimischen Glaubens Angebote parat: Wer beispielsweise den AlSukoor-Fonds der Commerzbank kauft, muss für Rendite nicht mehr sündigen: Für die nötige Gottesfurcht sorgt ein "Sharia-Board" aus arabischen Koranlehrern, das nach islamischen Kriterien alle Aktien unter die Lupe nimmt, die der Fonds kaufen will. Der Investor des Propheten hat es allerdings noch etwas schwerer als sein christliches Pendant. Denn obwohl Mohammed nichts gegen das Geldverdienen an sich hatte, sind die Auflagen harsch. Zinsen, beispielsweise, und alles, was damit zu tun hat, sind dem Gläubigen verboten. "Fürchtet Allah und lasset den Rest des Wuchers fahren", sagt Vers 278 der zweiten Koransure. Damit scheiden neben den üblichen "unmoralischen" Verdächtigen auch manche Versicherungen und Banken als Investments aus. Auch Schweinefleisch-Verkäufer sind tabu, und selbst Lufthansa gehört nicht ins Depot: Die Airline schenkt Alkohol aus - für jeden gläubigen Muslim eine Sünde.
"Wir brauchen die Expertise von außen, weil wir nicht alles beurteilen können", sagt Klaus-Karl Becker von der Commerzbank. "Ob ein Unternehmen mit zwei Prozent Umsatz aus dem Verkauf von Schweinefleisch schon regelwidrig ist, zum Beispiel. Aber wir füllen mit diesem Produkt eine wichtige Marktlücke für die vielen Muslime in Deutschland, die jetzt ihr Geld ohne schlechtes Gewissen anlegen können."
Die Schweizer UBS dagegen überlässt die Gewissensprüfung ihres Islamic-Fund Global den Strategen von Dow Jones. Die berechnen den Islamic Market Index, der fast 1500 islamisch-korrekte Aktien enthält aus denen die UBS-Manager so nach Belieben wählen können. In Zukunft könnte es damit allerdings Probleme geben: Einer der sechs Islam-Gelehrten, die für Dow Jones die Werte prüfen, ist Scheich Abdul Sattar Abu Ghuddah aus Syrien - laut Präsident George W. Bush ein Mitglied der "Achse des Bösen".
Da der Dank des Herrn allein manchem als Lohn etwas mager vorkommen mag, spielen neben dem guten Gewissen natürlich auch die Gewinnaussichten eine Rolle. Auch der Gläubige muss für die Zukunft sparen. Wie bei einem derart frommen Ansatz kaum anders zu erwarten, scheinen die Götter mit Wohlwollen auf ihre Investoren hinabzublicken: Verlor der marktbreite Leitindex MSCI-World im vergangenen Jahr rund 36 Prozent, zog es den Mellon Index Tracker nur um 31 Prozent in die Tiefe. Der Ave Maria verlor sogar nur 21, der Al-Sukoor 37 Prozent.
Und wer mit dem ganzen Gutmenschentum nichts anfangen kann, für den ist auch gesorgt: Eisenharte Realisten kaufen den Vice Fund, zu Deutsch "Laster-Fonds", der amerikanischen Firma Mutuals.com. Der Fonds legt nur in ethisch verwerflichen Branchen wie Rüstung, Casinos und Alkohol an. Manager Dan Ahrens fasst seine Philosophie auf der Fonds-Webseite in einem Zitat von Abraham Lincoln zusammen: "Es ist meine Erfahrung", sagt da der Ur-Amerikaner, "dass Menschen ohne Laster auch eine andere Sache nicht haben - Werte."