Bernd Niquet: Ein nicht mehr endender Strom sinnlosen Gefasels
von: Dr. Bernd Niquet
Bernd Niquet: Ein nicht mehr endender Strom sinnlosen Gefasels
- Die Analysten und die ökonomischen Herausforderungen -
Man wird bescheiden. Dow Jones und Nasdaq jeweils knapp ein Prozent im Minus. Und alle jubeln: Was für ein Erfolg. Wie die Zeiten sich doch ändern ...
Was sich hingegen nicht ändert, ist die Berichterstattung über die Börse, die immer mehr den Fussballberichten ähnelt. Aber man muss auch Verständnis haben: Denn was soll man schon über 22 Mann und einen Ball ständig Neues berichten?
Und ebenso an der Börse: Entweder die Kurse steigen oder sie fallen. Oder sie bleiben gleich. Und keiner weiß so recht warum. Doch die Sendezeiten über die Börse steigen stetig an. Das muss mithin in der intellektuellen Katastrophe enden.
Ein nicht mehr endender Strom sinnlosen Gefasels bricht über uns hernieder.
Die Konsequenz des gestrigen Tages aus Sicht der Medien: "Ob die Kurse jetzt wieder ansteigen, hängt davon ab, ob die Investoren wieder auf den Börsenzug aufspringen werden." Gratulation !
Was jedoch unendschuldbar ist, ist der Grad des ökonomischen Dilettantismus, der sich überall verbreitet, da der Ausbildungsstand der meisten Berichterstatter einfach nicht dem Sachverhalt entspricht - und so ständig das weitergeplappert wird, was einmal in die Welt gesetzt ist. Ganz ohne jeden Willen und jede Fähigkeit zum Hinterfragen.
Beispiel: Die Volkswirtschaft der USA. Jeder Grundkurs für Ökonomie lehrt bereits, dass ein gleichgewichtiges Wachstum einer Ökonomie nur möglich ist, wenn Angebot und Nachfrage ansteigen. Soll heißen: Weitet sich die Produktion aus und steigern die Unternehmen die Gewinne, dann ist es gut (!) und richtig (!) wenn die Löhne steigen. Das ist kein (!) Zeichen von Besorgnis.
Denn vielmehr das Gegenteil ist richtig: Steigen die Löhne nicht, dann kann der Konsum nur über Verschuldung oder den Aktienmarkt (auch ein Wechsel auf die Zukunft (!)) finanziert werden. Genau das sehen wir jedoch in den USA. Und das heißt: Das endlose eintönige Gebrabbel der sogenannten Experten und Analysten ist kontraproduktiv.
Vielleicht nicht unbedingt für die Märkte, da diese tatsächlich von den kurzfristigen Effekten wie möglichen Zinssteigerungen dominiert werden. Aber in Hinsicht auf die Wirtschaft ist der nicht mehr endende Strom sinnlosen Gefasels wirklich nicht mehr als ein nicht mehr endender Strom sinnlosen Gefasels.
Ökonomischen Denken ist nämlich immer Kreislaufdenken, Denken in Zusammenhängen. Und das müsste man eigentlich erwarten können, in den Medien reflektiert zu bekommen. Entschuldigbar wäre es nur bei Spatzengehirnen. Denn Spatzen können schließlich nicht im Kreis denken, dafür jedoch trefflich in selbigem fliegen.
Bernd Niquet, Dienstag, 23. Mai 2000