Was alte Europäer über die Hunnen aus Übersee wiss

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daxbunny:

Was alte Europäer über die Hunnen aus Übersee wiss

 
19.04.03 07:10
Was alte Europäer über die Hunnen aus Übersee wissen müssen

Der Weg zur politischen Macht
A.B. George W. Bush ist es gelungen, seinem Vater nach acht Jahren ins Weisse Haus und an die Spitze der Weltmacht USA zu folgen. Eine beispiellose Leistung, wenn man von John Quincy Adams absieht, der allerdings erst 24 Jahre nach dessen Vater zum 6. Präsidenten der USA gewählt wurde.

Eine amerikanische Lebensweisheit besagt, dass Geld den Weg zur politischen Macht ebnet. Doch mit der Ermordung John F. Kennedys wurde auch der dynastische Traum der Kennedys zerstört, und den Rockefellers ist es trotz ihres unermesslichen Reichtums und ihrer legendären Gleichsetzung mit der amerikanischen Regierung nie gelungen, das höchste Amt zu bekleiden. Nelson Rockefeller, Gouverneur von New York und Geldgeber der Republikaner, brachte es - unter dem ebenso kurz wie mittelmässig regierenden Übergangsoberhaupt Gerald Ford - gerade mal zu einem sehr kurzlebigen Vizepräsidenten.

Im Gegensatz zu Kennedy, Clinton oder selbst Nixon sind die Bushs äusserlich wie als Person wenig Aufsehen erregend und auch sonst kaum geeignet, die Gemüter in Wallung geraten zu lassen. Man stellt sie sich meist «als Mensch gewordenes Klischee» vor. Zu Unrecht. Die Bushs gehören einer vielschichtig agierenden Dynastie von Finanziers und Politikern an, denen Geheimhaltung eine Kunst und eine Pflicht zugleich ist. Eines der Lieblingszitate des derzeitigen Verteidigungsministers, Donald Rumsfeld, ist der Ausspruch Winston Churchills, wonach die Wahrheit zu bedeutend sei, um nicht mit Lügen geschützt zu werden. Dies lässt sich Silbe für Silbe auf die Bushs übertragen. Wie auch immer ihre tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen gelagert sein mögen, als Präsidenten sind die Bushs keineswegs zu unterschätzen. Die wichtigsten Ereignisse der vergangenen zwölf Jahre und der Jahrtausendwende fielen unter ihre Präsidentschaft: der Zusammenbruch des sowjetischen Reichs und des kommunistischen Blocks, der erste Golfkrieg, die Ereignisse des 11. September, die Globalisierung des Terrorismus sowie der Konflikt mit Bagdad.

Das vorliegende Buch ermöglicht Einblicke in die Geschichte, die Geschäfte und die Politik der Familie Bush. Beunruhigende Bande mit der Familie bin Ladin und dem terroristischen Untergrund treten ebenso zutage wie sorgfältig gehütete Familiengeheimnisse, die weiter dazu beitragen, die befremdende Verbissenheit George W. Bushs gegenüber Saddam Hussein zu erklären - eines Mannes immerhin, den sein Vater zu unterstützen und zu bewaffnen beschlossen hatte, was der Auslöser für den ersten Golfkrieg gewesen sein mag.

Und es bestätigt wieder einmal, dass moralische oder ethische Aspekte im Spiel der internationalen Beziehungen eine eher untergeordnete Rolle spielen und die wirklich wichtigen Ereignisse nur selten der offiziellen Geschichtsschreibung entsprechen.

Handel mit dem Feind
Zwei wesentliche Merkmale der kapitalistischen Geschäftswelt, und manchmal auch politischer Machthaber, sind von jeher der Handel mit ihr absolut feindselig gegenüberstehenden Regimes sowie deren militärische Stärkung gewesen. So hat sich Anfang der vierziger Jahre Lenins Prophezeiung bewahrheitet, dass die multinationalen Konzerne «die Welt geerbt» hatten. General Motors und Ford beherrschten damals den Weltmarkt für Automobile und Geländewagen. Nur wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs formuliert Henry Ford jenen verbürgten Grundsatz, der so langlebig war wie seine Fahrzeugmodelle: «Wir verstehen uns nicht als nationales Unternehmen, sondern als eine multinationale Organisation.»

Als Hitler 1939 beginnt, seine grössenwahnsinnigen Pläne umzusetzen und in Polen einmarschiert, weiss Alfred Sloan, der CEO von General Motors, besorgte Aktionäre folgendermassen zu beruhigen: «Wir sind zu gross, als dass uns solch lächerliche internationale Querelen hinderlich sein könnten. »

Mehr noch: bei der Vorbereitung zu Hitlers Eroberungsfeldzügen übernimmt das weltweit grösste Unternehmen einen entscheidenden Part. 1929 wurde General Motors zu hundert Prozent Eigentümer von Opel. 1935 widmen sich die Planungsbüros des Unternehmens auf Anfrage des Generalstabs hin der Entwicklung eines neuartigen Schwerlastwagens, der besser gegen feindliche Luftangriffe gewappnet sein soll. Von 1938 an wird die deutsche Armee mit dem Opel «Blitz» bestückt, der in verstärkter Produktion gefertigt wird. In Anerkennung dieses Entgegenkommens heftet Hitler dem «Chief Executive» von General Motors 1938 einen Verdienstorden an die Brust. Zum selben Zeitpunkt eröffnet Ford ein Montagewerk in Deutschland. Hier sollen Berichten des Nachrichtendienstes der US-Armee zufolge Truppentransporter für die Wehrmacht gefertigt werden. (...)

Aus den Unterlagen von Opel Rüsselsheim geht hervor, dass der Konzern zwischen 1942 und1945 seine Produktions- und Verkaufsstrategien in enger Zusammenarbeit mit den auf der ganzen Welt angesiedelten Werken von General Motors entwickelt, insbesondere mit General Motors Japan (Osaka), General Motors Continental (Antwerpen), General Motors China (Hongkong und Shanghai), General Motors Uruguay (Montevideo), General Motors do Brazil (Sao Paulo) usw.

Während die amerikanischen Werke der Unternehmensgruppe 1943 die Luftwaffe der Vereinigten Staaten ausrüsten, entwickelt, produziert und montiert der deutsche Konzern die Motoren für die Messerschmitt 262, das weltweit erste Düsenstrahlflugzeug. Dies brachte den Nazis einen entscheidenden technischen Vorsprung.

Die BCCI - eine bemerkenswerte «Verbrecherorganisation»
Einer anderen Initiative George Bushs wurde zum damaligen Zeitpunkt sehr viel weniger Beachtung geschenkt, doch im Rückblick gleicht sie einem Ariadnefaden.

Über lange Jahre hinweg hatte die CIA mehrere Flugzeugstaffeln besessen, deren bekannteste die Air America sein dürfte, die während des gesamten Vietnamkrieges eingesetzt wurde.

1976 verkaufte Bush einem Geschäftsmann aus Houston, Jim Bath, mehrere Flugzeuge. Alle Informationen, auch die Zeugenaussage Baths, bestätigen übereinstimmend, dass dieser von Bush persönlich angeheuert wurde, um für die CIA zu arbeiten. Dieses Zeugnis wird insbesondere durch die Aussage seines ehemaligen Mitarbeiters Charles W. White gefestigt, der angibt, dass Bath und er sich 1982 zu einem Zeitpunkt im Ramada Club in Houston verabredeten, als auch der Vizepräsident Bush dort weilte.

Der damals Vierzigjährige war auch ein Freund George W. Bushs, den er kennen gelernt hatte, als dieser, um einem Einsatz in Vietnam zu entgehen, bei der Luftwaffe der texanischen Nationalgarde seinen Militärdienst absolvierte.

Skyways Aircraft Leasing, eine auf den Kaiman-Inseln beheimatete Chartergesellschaft, die von Bath verwaltet wurde und die Flugzeuge der CIA aufkaufte, wurde durch saudische Anteile bestimmt. Hauptaktionär war Khalid bin Mahfouz, CEO und Haupteigentümer der National Commercial Bank, des bedeutendsten Geldinstituts Saudi-Arabiens, das in enger Verbindung mit der königlichen Familie stand. Zudem hatte er, gemeinsam mit einem weiteren saudischen Finanzier, Gaith Pharaon, dem Sohn eines Arztes des Exkönigs Faisal, die Kontrolle über eine der grössten Banken in Houston. Zehn Jahre später sollte Khalid bin Mahfouz bedeutende Anteile an der Bank erwerben, die, wie es der amerikanische Staatsanwalt Robert Morgenthau formulierte, bis heute eine der bemerkenswertesten «Verbrecherorganisationen» des 20. Jahrhunderts ist: die BCCI (Bank of Credit and Commerce International). Ihr Gründer, der Pakistani Agha Hasan Abedi, betonte die «moralische Verpflichtung» seiner Bank, die als erstes umfangreiches Geldinstitut in einem Entwicklungsland zur Förderung des Wachstums der südlichen Hemisphäre konzipiert wurde.

Die Bank operierte in 73 Ländern und verwaltete Einlagen in Höhe von 30 Milliarden Dollar. Tatsächlich aber war sie Annahmestelle für die Gelder der Drogenmafia und terroristischer Organisationen, setzte sie sich über Gesetze hinweg. Sie unterstützte die übelsten Diktatoren und geheime Operationen der CIA, vermutlich auch Usama bin Ladin. Der Panamaer Manuel Noriega hatte dort ebenso einen Grossteil seines Vermögens angelegt wie Saddam Hussein, die Köpfe des Medellin-Kartells, der palästinensische Terrorist Abu Nidal, der Opiumkönig Khun Sa, der grösste Heroinhändler des Goldenen Dreiecks, oder der saudische Geheimdienst. Sehr enge Mitarbeiter Bushs hatten Verbindungen zu dieser Bank. 1988 kaufte bin Mahfouz für nahezu eine Milliarde Doller 20 % der BCCI auf, wenig später jedoch schrieb das Unternehmen zehn Milliarden Dollar Verlust, was den Niedergang des saudischen Finanziers beschleunigte.

Rumsfeld und Saddam
In Rechtfertigung seiner Absicht, Saddam militärisch zu vernichten, verkündet der amerikanische Verteidigungsminister im Jahr 2002: «Er hasst die Vereinigten Staaten und besitzt Massenvernichtungswaffen. Er hat sie gegen sein eigenes Volk eingesetzt und wird sie ohne zu zögern gegen uns einsetzen.» Denjenigen, die ihm das Eingeständnis zu entlocken versuchen, dass es keine Verbindung zwischen al-Kaida und Bagdad gibt und auch keine greifbaren Beweise dafür, dass der Irak sein Programm zur Herstellung chemischer und biologischer Waffen wiederaufgenommen habe, entgegnet er: «The absence of evidence is not the evidence of absence.»

1984 scheint ihm diese Bedrohung allerdings keine Sorge zu bereiten. Er äussert sich in keiner Weise zu den massiven chemischen Einsätzen gegen iranische Streitkräfte. Dagegen betont die amerikanische Diplomatie nach seiner Reise in den Irak in einer Mitteilung ihre «Zufriedenheit über die Verbindungen zwischen dem Irak und den Vereinigten Staaten, und [sie] schlägt vor, dass zwischen den beiden Ländern normale diplomatische Beziehungen wieder aufgenommen werden». Im November 1984 wird dieser Wunsch Wirklichkeit. Als Rumsfeld zwei Jahre später von der Chicago Tribune gefragt wird, welche seiner Taten ihn am meisten mit Stolz erfüllt, erwidert er: «Die Wiederaufnahme der Beziehungen zum Irak.»

Bereits zu dieser Zeit arbeiten die CIA und die anderen amerikanischen Geheimdienste eng mit ihren irakischen Kollegen zusammen, und 1986 enthüllt der Journalist Bob Woodward, dass die CIA den Irakern Informationen zukommen liess, die es ihnen ermöglichten, ihre Senfgas-Angriffe gegen die iranischen Truppen besser zu «kalibrieren». Schon damals profitierte Bagdad von den Aufnahmen amerikanischer Aufklärungssatelliten, die für «gezieltere Bombenangriffe» eine wertvolle Hilfe waren.

Studeman, der Direktor der NSA, welche die Kontrolle über die Satelliten hatte, gab dies nach dem Golfkrieg offen zu. «Das Problem war», erklärte er, «dass wir einen Verbündeten wieder in einen Feind verkehren mussten. Während des Krieges zwischen Iran und Irak waren wir klar auf der Seite der Iraker gestanden, und hinterher waren wir klar im Nachteil. Denn Saddam und seine Mitarbeiter hatten mehr als vier Jahre lang Zugang zu unseren Informationen gehabt, zu unseren nachrichtendienstlichen Methoden und zu den Mitteln, die wir eingesetzt haben. Im Grunde hatten sie also Einblick in all unsere Sicherheitssysteme.»

Gegen Ende 1983, Anfang 1984 nimmt sich George Bush inoffiziell der irakischen Angelegenheit an, und die Unterstützung für Bagdad wird verstärkt. Alles spielt sich im Hintergrund ab, teilweise ausserhalb der Legalität. Zu Beginn des Jahres 1984 erteilt die amerikanische Regierung ihre grundsätzliche Zustimmung für den Bau einer Pipeline, die eine ungehinderte Beförderung irakischen Erdöls auf die internationalen Märkte ermöglichen soll, ohne die Gefahr einer Seeblockade oder von Angriffen durch die iranische Marine in der Golfzone. Federführendes Bauunternehmen für dieses Projekt ist die Bechtel Company, das weltweit grösste Unternehmen für öffentliche Bau- und Ingenieurarbeiten - zu seinen Projekten zählen - manchmal in Zusammenarbeit mit der bin LadIn-Gruppe - errichtete Villen in Saudi-Arabien, Pipelines in Alaska und der UdSSR sowie die gigantischen amerikanischen Stützpunkte in Vietnam. Bechtel ist eine mächtige, aber auch einflussreiche Unternehmensgruppe. George Schultz, ehemaliger CEO des Unternehmens, war damals Aussenminister, und, Caspar Weinberger, ehemaliger Generaldirektor von Bechtel Company, war Verteidigungsminister. Dem Projekt stehen zwei Hindernisse im Weg: die Kosten, die auf eine Milliarde Dollar geschätzt werden, sowie die Sicherheitsgarantien. Denn die Strecke der Pipeline ist keine zehn Kilometer von der israelischen Grenze entfernt. Tel-Aviv betrachtet Saddam als einen seiner schlimmsten Feinde und könnte versucht sein, die Ölleitung zu sabotieren oder zu zerstören. Nach langen Verhandlungen, bei denen Bush eine wichtige Rolle übernimmt, verpflichtet sich die israelische Regierung im Geheimen, die Pipeline, sollte sie gebaut werden, nicht zu beschädigen.

Die Finanzierung ist eine heikle Frage: Saddam Hussein, dessen Land ausgeblutet ist und dem Kredite verwehrt werden, möchte das Projekt über die amerikanische Export-Import-Bank finanzieren, die Kredite für Exportgeschäfte gewährt. Doch trotz einer Intervention des Aussenministeriums lehnen die Führungskräfte dieses Geldinstituts ab. In einer Mitteilung heisst es: «Export-Import lehnt die Gewähr von Darlehen an den Irak ab, da das Unternehmen der Meinung ist ,dass es für solche Darlehen keine ausreichenden Rückzahlungsgarantien gibt.»

Im Juni 1984 schreitet Bush ein. Er telefoniert persönlich mit dem CEO der Export-Import-Bank. Dieser ist einer seiner engsten Freunde: William H. Draper III., mit dem er an der Yale-Universität studierte. Draper darf sich eines weiteren Verdienstes rühmen - er zählt zur Gruppe der «Philanthropen», die Arbusto, die Ölgesellschaft George W. Bushs, ins Bodenlose finanzierten.

Eine Woche später genehmigt die Bank die Auszahlung eines Bürgschaftskredits in Höhe von 500 Millionen Dollar für das Projekt. Dieses wird letztlich von Bagdad fallen gelassen, doch im Juli 1984 gewährt die Export-Import-Bank, sichtlich entschlossen, seit Bush sich eingeschaltet hatte, dem Irak zur Hilfe zu eilen, Bagdad einen kurzfristigen Kredit in Höhe von 200 Millionen Dollar. Einige Monate später sind die Iraker nicht in der Lage, eine fällige Rate in Höhe von 35 Millionen Dollar zurückzuzahlen: Die Bank stellt ihre Zahlungen ein, die sie erst nach einem erneuten, energischen Einschreiten Bushs wieder aufnimmt. An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass die Zahlungsunregelmässigkeiten, welche die Export-Import-Bank feststellen musste, stets vom amerikanischen Steuerzahler getragen wurden.

Ein ähnliches System wurde für landwirtschaftliche Exportgeschäfte eingerichtet. Zwischen 1983 und 1990 exportieren die Vereinigten Staaten landwirtschaftliche Produkte in den Irak, die zu einem Grossteil über Kredite in Höhe von insgesamt 5 Milliarden Dollar finanziert werden, für die Washington die Bürgschaft übernimmt. Ein amerikanischer Beamter fasst die Situation folgendermassen zusammen: «Wir liefern den Irakern sämtliche Nahrungsmittel zu Subventionspreisen.»

Und wieder einmal entspricht die Wirklichkeit nicht ganz dieser Darstellung. Ein erster Kredit - 402 Millionen Dollar -, für den das Landwirtschaftsministerium die Bürgschaft übernimmt, wird Ende 1983 bewilligt. 1984 folgt ein weiterer Kredit von diesmal 513 Millionen Dollar. Tatsächlich wird der Irak der weltweit grösste Nutzniesser des amerikanischen Programms für Kredite auf Nahrungsmittelexporte, der Credit Commodity Corporation. Auch das verdankt er George Bush. Es gibt nur ein Problem: Ein Gutteil dieser Kredite dient nicht dem Ankauf von Lebensmitteln, sondern ermöglicht es dem Irak, in grossem Umfang Waffen anzukaufen.

Die Bio-Waffen
Doch das Unfassbare kam erst ans Tageslicht, als im Oktober 1992 die Ergebnisse einer vom amerikanischen Senat durchgeführten Untersuchung vorlagen. Zwischen Februar 1985 und dem 28. November 1989 waren mindestens 61 Lieferungen biologischer Kulturen an den Irak gegangen. Diese umfassten insbesondere 19 Behälter mit dem Milzbranderreger, welche die American Type Culture Collection Company lieferte, eine in der Nähe des Militärlabors in Fort Detrick ansässige Gesellschaft, deren Labors «sensible» biologische Waffen entwickelten. Zwischen dem 22. Februar 1985 und dem 29. September 1988 waren die Militärlabors Saddam Husseins von derselben Gesellschaft mit fünfzehn Einheiten Clostridium botulinum (Botulinustoxin) beliefert worden. Die UNSCOM (die UN-Organisation, die mit den Waffeninspektionen im Irak beauftragt ist) kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Amerika dem Irak eine grosse Menge an biologischen Kampfstoffen geliefert hat.

Am 22. Februar und am 11. Juli 1985 waren Chargen mit Histoplasma capsulatum, einem Krankheitserreger der Klasse 3 (der eine dem klinischen Bild der Tuberkulose vergleichbare Krankheit hervorruft), nach Bagdad geliefert worden. Ein weiterer Erreger der Klasse 3, Brucella melitensis, wurde im Mai und im August 1986 verschickt.

Das Imperium Carlyle
Ein weiterer Vorstoss, von dem damals niemand Notiz nahm, wirft ein besonderes Licht auf die ganze Komplexität und Widersprüchlichkeit der von den Bushs gebildeten Finanzgeflechte. Sie stellen eine Art Parallelmacht dar, und die durch sie geschmiedeten Bündnisse darf man getrost als überraschend bezeichnen.

Am 1. März 1995, nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt von George W. als Gouverneur, beschlossen Thomas Hicks und sein Aufsichtsrat, zehn Millionen Dollar der University of Texas in die Carlyle Group zu investieren, eine in Washington beheimatete Investmentgesellschaft, die auf der dazugehörigen Internetseite als Firma beschrieben wird, «deren Investmentstrategie am Schnittpunkt zwischen Regierung und Geschäftswelt wirksam wird».

Eine der ersten Errungenschaften der 1987 gegründeten Carlyle Group war die Übernahme von Caterair, einer der grössten amerikanischen Flugzeugcatering- und -servicegesellschaften. 1990 war George W. in den Aufsichtsrat der Firma gewählt worden und blieb dort bis 1994, ohne seine aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkünfte je zu melden.

Manische Geheimhaltung
Carlyle war mehr als nur eine einfache Investfirma. Die Firmengruppe bestand in erster Linie aus einem Kreis von Persönlichkeiten, die an den Schalthebeln der Macht sassen. Sie waren mit allen Entscheidungsträgern im Bereich von Politik, Wirtschaft und Finanzen bekannt und konnten Einfluss auf deren Entscheidungen nehmen. Schon die Lage des Washingtoner Firmensitzes auf der Pennsylvania Avenue, in der Mitte zwischen Weissem Haus und Kapitol und in unmittelbarer Nähe der wichtigsten Ministerien und Regierungsbehörden, ist durchaus symbolträchtig.

Die grösste Privatinvestmentfirma mit ihrem manischen Hang zur strikten Geheimhaltung verfügt derzeit über ein Aktivvermögen von 16 Milliarden Dollar. Carlyle hält weltweit Beteiligungen an mehr als 160 Firmen, die insgesamt 70000 Mitarbeiter beschäftigen. Carlyle vereint über 450 Banken und Rentenfonds, ähnlich wie Calpers, der grösste amerikanischen Rentenfonds, der die Pensionen der Angestellten des öffentlichen Dienstes in Kalifornien verwaltet.

Als Frank Carlucci 1989 die Leitung der Carlyle Group übernahm, erweiterten sich deren Geschäftsbereiche wesentlich. Der langjährige stellvertretende Leiter der CIA und spätere US-Verteidigungsminister unter Ronald Reagan scharte lauter ehemalige Mitarbeiter des Pentagon und des Geheimdienstes um sich.

«Pentagon Inc.», so der Spitzname des Verteidigungsministeriums, war ebenfalls ein riesiges Unternehmen, das mit sämtlichen Industriegiganten enge Verbindungen unterhielt. Carlucci kannte alle Firmenchefs persönlich, seine Hauptinvestitionen tätigte er im Verteidigungsbereich. Dabei bewies er ein sicheres Gespür, denn innerhalb von zwölf Jahren brachte er es auf eine jährliche Rendite von 34 %. Noch heute bilden Rüstungs- und Telekommunikationsfirmen zwei Drittel der Kapitalanlagen und Beteiligungen, der Fonds rangiert an elfter Stelle der amerikanischen Militärausrüster. Die beteiligten Unternehmen stellen namentlich Panzer, Flugzeugtragflächen, Raketen und eine Vielzahl anderer Ausrüstungsgüter her.

Anlässlich eines Gesprächs liess Carlucci wissen: «Donald Rumsfeld kenne ich sehr gut. Wir sind seit vielen Jahren befreundet. Wir haben zusammen studiert.» Erst vor kurzem haben die beiden Männer sich mehrmals getroffen, teils auch mit Vize-Präsident Dick Cheney, um «Militärprojekte» zu erörtern. Nach Aussage von Charles Lewis, Executive Director der gemeinnützigen Einrichtung Center for Public Integrity, ist Carlyle «so eng mit der Verwaltung verwoben und verflochten, wie man es nur sein kann».

Ein einziges Beispiel genügt, um diese fast schon als osmotisch zu bezeichnende Verbindung zu veranschaulichen: 1997 hatte Carlyle für 850 Millionen Dollar die Rüstungsfirma United Defense Industries in Virginia gekauft.

Wolfowitz - Der Mann, der «das Undenkbare gedacht hat»
Nur vier Tage nach den Ereignissen vom 11. September wurde Bagdad zum erklärten Ziel, und der lautlose Kampf, der sich monatelang bis zum endgültigen Sieg der «Falken» hinziehen sollte, begann.

Am Freitag, dem 14. September, findet abends in Camp David, dem Wochenendsitz des amerikanischen Präsidenten, eine Besprechung zwischen George W. Bush und seinen wichtigsten Beratern statt. Am Samstagmorgen treffen auch George Tenet, Leiter der CIA, und die stellvertretenden Aussen- und Verteidigungsminister ein. Vier Stunden lang werden die Möglichkeiten, Risiken und Auswirkungen einer Intervention in Afghanistan abgewogen.

Dann ergreift Paul Wolfowitz, stellvertretender Verteldigungsminister, das Wort und schlägt vor, die geplanten Militäroperationen nicht nur gegen die Taliban und al-Kaida zu richten, sondern auch andere terroristische Gruppierungen im Mittleren Orient wie Hamas und Hisbollah ins Visier zu nehmen. «Der Terrorismus wird weltweit von verschiedenen Ländern unterstützt. Was sollen wir dagegen unternehmen? Sicherlich existiert al-Kaida und Afghanistan, doch wir dürfen nicht die Botschaft verbreiten, es gäbe einen guten und einen bösen Terrorismus. Man kann nicht gegen al-Kaida kämpfen und gleichzeitig die Hisbollah unterstützen.» Als Beispiel nennt er den Iran, der diese Bewegung finanziert, aber vor allem spricht er vom Irak.

Minister Colin Powell weist darauf hin, dass es keine erkennbare Verbindung zwischen dem Irak und den Ereignissen des 11. September gibt. Wolfowitz entgegnet jedoch, dass die Bedrohung von Bagdad ausginge, und diejenigen, die die Möglichkeit eines Regimewechsels in Bagdad noch nicht» einsähen, diese Möglichkeit «nur noch nicht denken könnten». Er setzt sich so leidenschaftlich und engagiert für seinen Standpunkt ein, dass er zweimal seinem Minister Donald Rumsfeld ins Wort fällt, obwohl dieser die gleiche Meinung vertritt.

Während einer Pause wendet sich Andrew Card, Stabschef des Weissen Hauses, an die beiden Männer: «Es wäre wünschenswert, dass das Verteidigungsministerium mit einer Stimme spricht» - eine höfliche Aufforderung an Wolfowitz, den Mund zu halten.

Bush jedoch zeigt reges Interesse an Wolfowitz' Ausführungen und bittet ihn, nach der Sitzung noch zu bleiben. Bush und eine kleine Gruppe Berater, darunter auch Condoleezza Rice, hören den Argumenten Wolfowitz' aufmerksam zu. Dieser erläutert, dass die eigentliche Herausforderung viel wichtiger sei als das Problem Usama bin Ladin und Afghanistan. Der Präsident müsse vor allem die Globalität der terroristischen Bedrohung erkennen, wozu auch Länder wie der Irak gehörten, die den Terrorismus finanzierten und unterstützten.

Paul Wolfowitz, achtundfünfzig Jahre alt, ehemaliger Dozent an der Princeton University, der renommierten «School of Advanced International Studies», vermittelt Bush das nicht unberechtigte Gefühl, als Erster über diese neue Realität nachgedacht zu haben. Das diplomatische Programm von Condoleezza Rice und Colin Powell befasst sich zu diesem Zeitpunkt vornehmlich mit China und Russland, der Terminkalender von Vizepräsident Cheney ist mit Problemen der Innenpolitik gespickt, während sich Rumsfeld nur mit der Diskussion um das Raketenabwehrsystem beschäftigt.

Wolfowitz hat «das Undenkbare gedacht». Die geopolitische Architektur, die er Bush vorschlägt, dürfte einem Präsidenten, der sich in dem Feld der Aussenpolitik nicht allzu sicher bewegt und zugibt, meist instinktiv zu handeln, äusserst attraktiv erschienen sein. In missionarischer und prophetischer Weise erklärt Wolfowitz sein unerschütterliches Vertrauen in die Fähigkeit Amerikas, nach den eigenen Werten eine bessere Welt zu schaffen.

Der Präsident ist von Wolfowitz, Sohn eines Wissenschafters, der sechs Sprachen spricht, und dessen Ausführungen sofort begeistert. «Ich halte es für realistisch», erklärt ihm dieser, «dass ein vernünftig regierter Irak - und dieses Land hat weitaus mehr Pluspunkte als Afghanistan - nach dem Sturz Saddam Husseins die erste Demokratie der arabischen Welt werden könnte, abgesehen von der kurzen demokratischen Episode im Libanon. Auch wenn es sich nur um eine Art «rumänische» Demokratie handelte, wäre dies ein grosser Fortschritt im Vergleich zu den anderen Ländern der arabischen Welt. »

Für die Experten des Aussenministeriums um Colin Powell gehören diese Träume von einem demokratischen Irak ins Reich der Utopie. Das Szenario einer Invasion würde unweigerlich zu einem Zerfall des ganzen Landes in ethnische Enklaven und zu einer längeren Verwaltungs- und Aufbauarbeit durch das US-Militär führen. Ein wahrer Albtraum!

Ein Powell-Berater äusserte einmal vertraulich, Wolfowitz verführe den Präsidenten mit Konzepten und Spekulationen wie «Schauen Sie sich die irakischen Kurden an. Unter amerikanischem Schutz haben sie im Norden des Landes eine offene Gesellschaft nach den im Mittleren Osten üblichen Vorstellungen aufgebaut.»

Dann fügte er hinzu: «In Wirklichkeit machen diese angeblich mit uns verbündeten Kurden allerhand Geschäfte mit Saddams Regime, vor allem mit dem Sohn des Diktators, der die gesamte Schattenwirtschaft fest im Griff hat.»

Wolfowitz' Vorgehensweise erinnert sehr an die von Robert McNamara während des Vietnamkriegs vor vierzig Jahren. Der ehemalige Generaldirektor bei Ford erstellte eine Analyse über Südvietnam, als wäre es ein Unternehmen, das sich durch Managementfehler in Schwierigkeiten manövriert hatte und nun saniert und umstrukturiert werden musste. McNamara gehörte zum engeren Kreis um John F. Kennedy - lauter Männer, die David Halberstam mit einer Mischung aus Bewunderung und Ironie als «die Besten und Intelligentesten» beschrieb. Wie Wolfowitz heute, waren sie damals die Elite der amerikanischen Universitäten. Und doch zerbrachen ihre Visionen ebenso wie ihre Taten an den harten Tatsachen der Realität.

«Ist das Problem erst einmal identifiziert, gibt es auch eine Lösung», erklärte McNamara in dem blinden Glauben an vernünftige Massnahmen. Vier Jahrzehnte später ist Wolfowitz' Diagnose über den Irak genauso fehlerhaft, denn sie macht keinen Unterschied zwischen dem Kampf gegen Massenvernichtungswaffen und einem Regimewechsel im Irak. Wer nun glaubt, die Vernichtung dieser Waffen sei das neue Ziel des Kampfes gegen den Terrorismus, der muss sich von Wolfowitz und der kleinen Gruppe, die sich um ihn geschart hat, folgende Antwort gefallen lassen: «Dieses Ziel kann nur durch einen Regimewechsel erreicht werden.»

Paul Wolfowitz steht mit dieser Meinung nicht allein. Sein engster Freund, Richard Perle, teilt seine Auffassung uneingeschränkt. Er sitzt zwar nicht in der Regierung, verfügt jedoch über ein Büro im E-Flügel des Pentagon, genau wie Rumsfeld, und hat direkten Zugang zu allen vertraulichen und geheimen Informationen. Unter der Reagan-Regierung war er Sonderbeauftragter im Verteidigungsministerium. Wegen seiner Vorliebe für verdeckte Aktionen erhielt er den Spitznamen «Fürst der Finsternis» (Prince of Darkness), der ihm bis heute geblieben ist. Als unerbittlicher Verfechter des Antikommunismus war sein Einfluss auf Ronald Reagan im Vergleich zur tatsächlichen Bedeutung seiner Aufgabe so gross, dass er bei dessen Begegnung mit Gorbatschow auf dem Gipfel von Reykjavik 1986 als einziger Vertreter des Verteidigungsministeriums an der Seite seines Präsidenten auftauchte. (...)

Den Ideologen und Provokateur Perle hätte Donald Rumsfeld gern zu seinem Stellvertreter gemacht, verzichtete jedoch darauf, weil der Senat wegen seines fragwürdigen Charakters sicher ein Veto eingelegt hätte. Stattdessen ernennt er ihn im Sommer 2001 zum Vorsitzenden des US Defense Policy Boards, einem Beirat, der sich mit der Verteidigungspolitik der USA befassen soll. An seiner Seite steht der ehemalige Minister Henry Kissinger. Nach den Ereignissen vom 11. September macht Perle diese untergeordnete Position zu einem herausragenden Resonanzboden und sich selbst zum einflussreichen Regierungsbeamten. Auf den Irak wendet er genau das gleiche Analyseraster an wie auf die UdSSR. (...)

«Der Irak steht auch auf meiner Liste»
Man sagt, in Washington kämpfe jeder gnadenlos um die Gunst des Präsidenten. Offenbar haben die Falken ihr Ziel erreicht.

Ein Sieg, der sich schon am 15. September abzeichnete, als George W, Bush Wolfowitz' Erläuterungen zum Irak ebenso fasziniert zuhört wie dessen Skizze einer geopolitischen Umgestaltung der Region nach dem Zusammenbruch des Regimes in Bagdad. Für den stellvertretenden Verteidigungsminister ist der Iran - ein weiterer Schurkenstaat - danach praktisch von Verbündeten der USA umzingelt: Afghanistan im Osten, Pakistan im Süden und Osten, Turkmenistan im Norden und Nordosten, Türkei im Nordwesten und Irak im Westen.

«Als er in Camp David eintraf», berichtet einer seiner Vertrauten, «offenbarte Bush seine Einstellung: «Bringt mir Usama bin Ladins Kopf» (eine witzig gemeinte Anspielung auf den Titel des Films von Sam Peckinpah: Bringt mir Alfredo Garcias Kopf). Zwei Tage später, bei seiner Rückkehr ins Weisse Haus, hatte sich seine Sichtweise gewandelt. Condoleezza Rice erklärt er: «Wir werden uns zuerst mit Usama bin Ladin, seinen Offizieren und der al-Kaida befassen. Aber der Irak steht auch auf meiner Liste. Ich glaube, er gehört dazu. Das ist dann der nächste Schritt.»

Anfang April 2002 sagte er zum ersten Mal, dass «der Regimewechsel» im Irak sein Ziel sei. Im Oktober 2002 äusserte sich Perle lobend über George W. Bushs Haltung: «Ich habe keinerlei Zweifel», erklärte er, «dass er die Vision im Auge hat, die auch Ronald Reagan verfolgte, und dass er in der Lage ist, wichtige Veränderungen im Irak und in der ganzen Region zu erwirken.»

Schon im September 2000 stand in einem Bericht des «Project for The American Century»: «Zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte standen die Sterne der nationalen Ordnung und Sicherheit für amerikanische Interessen und Ideale so günstig. Die Herausforderung dieses Jahrhunderts besteht darin, den «amerikanischen Frieden» zu wahren und zu sichern.» Paul Wolfowitz und Lewis Libby hatten diesen Bericht verfasst.

Das Vorgehen der Falken beinhaltet auch die unbedingte Unterstützung Israels. 1996 wurde unter Perles massgeblicher Beteiligung eine Analyse erstellt, die sich an den künftigen israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu richtete. Man gehe davon aus, dass Israel gemeinsam mit der Türkei und Jordanien alles unternehmen müsse, um Syrien zu schwächen. Ein probates Mittel, das die Bestrebungen Syriens in der Region sicher bremsen könne, sei ein Machtwechsel im Irak.

Perle arbeitet mit der Pressegruppe Hollinger, die in Grossbritannien den Daily Telegraph herausgibt und in Israel einen Sitz in der Geschäftsführung der Jerusalem Post hat. Beide Blätter gehören zum konservativen Flügel. Wie Wolfowitz ist auch Perle am Nachrichtensender Fox News Channel beteiligt, ein Konkurrent von CNN, der dem Medienmagnaten Rupert Murdoch gehört und ihnen praktisch ein eigenes Forum bietet. Perle, Researcher am American Enterprise Institute, einem der Thinktanks, das der Reagan-Regierung ebenso wie der Regierung George Bush eine Reihe führender Mitarbeiter bescherte, ist mit David Wurmser, dem Leiter der Abteilung Mittlerer Osten an diesem Institut, eng befreundet. Zusammen mit Oberst Ygal Carmon, dem ehemaligen Chef des israelischen Nachrichtendienstes, ist Wurmsers Frau Meyrav Mitbegründerin des Middle East Media Research Institute (MEMRI), das die arabische Presse übersetzt und rigoros analysiert.

Wann beschloss George W. Bush, den Irak anzugreifen - oder wie er es gerne ausdrückt, den Irak zu befreien, um eine stabile und für den gesamten Mittleren Osten vorteilhafte Demokratie aufzubauen?

Bereits im Wahlkampf Anfang 2000 sprach der künftige US-Präsident über Saddams Regime. Nicht etwa aus Überzeugung, sondern wegen der Einfachheit des Themas. Mit dem Anprangern des irakischen Regimes ging er auf Stimmenfang, sicherte sich die allgemeine Zustimmung, ohne sich in komplizierte und häufig politisch gefährliche Betrachtungen ergehen zu müssen wie beispielsweise über den israelisch-palästinensischen Konflikt.

Sucht man allerdings nach einem genauen Zeitpunkt, an dem Bagdad zur absoluten Priorität des Weissen Hauses wurde, stösst man auf die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation am 29. Januar 2002.

Die politischen Kommentatoren Amerikas rechneten mit einer radikalen Wende - jedoch in eine andere Richtung. Nach dem raschen Sieg in Afghanistan, der relativ wenige - amerikanische - Menschenleben kostete, auch wenn bin Ladin und die meisten seiner Offiziere unauffindbar blieben, ging man davon aus, dass George W. Bush in seiner Rede hauptsächlich auf innenpolitische Fragen wie die Privatisierung der Sozialversicherung oder auch den Aufschwung der Wirtschaft, der durch den Krieg in Afghanistan nicht gerade beschleunigt worden war, eingehen würde.

Statt dessen wurde die Rede zur Lage der Nation eine Hinwendung zu neuen Kriegen, zur Ausdehnung des gegenwärtigen Konflikts auf weit grössere, strategisch schwierigere Militärmächte, wovon sich zwei im Mittleren Osten befinden.

Bush erläuterte sein Bild vom Terrorismus: Netzwerke wie al-Kaida agieren innerhalb der «Achse des Bösen» von Irak, Iran und Nordkorea aus. Länder, die auf den ersten Blick wenig gemein haben. Die Terroristennetze müssen zerstört werden. Doch dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn mit den Regimen, die ihnen Unterschlupf gewähren, aufgeräumt wird. Es ist zwar keine Kriegserklärung, aber eine deutliche Warnung an diese Länder. Entweder sie «ändern» sich oder sie setzen sich dem Kreuzfeuer aus, dem die Taliban innerhalb weniger Wochen erlagen. (...)

Toni Blair - ein Bush-Minister?
Blair bleibt jedoch der unerschütterliche Verbündete der amerikanischen Sache. Wenige Monate später, während eines Besuchs auf Präsident Bushs Ranch in Crawford, wird Blair im viel gelesenen englischen Blatt Mirror auf der Titelseite mit einem «Pudel» verglichen, der seinem amerikanischen Herrn treu ergeben ist. Tatsächlich scheint der Premierminister dem amerikanischen Präsidenten ohne Bedenken treu zu folgen. Da Grossbritannien kaum Gewinn aus dieser engen Beziehung zu den USA zieht, ist das Festhalten Londons an der amerikanischen Sache kaum zu verstehen. Blair erwies George W. Bush grosse Dienste. Im Afghanistan-Konflikt drängte sich der Eindruck auf, Blair sei zum amerikanischen Minister avanciert: Während Bush im Weissen Haus blieb, unternahm sein britischer Amtskollege eine ermüdende Reise nach der anderen in den Mittleren Osten und nach Südasien, um die Koalition mit Washington aufrechtzuerhalten.

Zu bestimmter Zeit befanden sich fast ebenso viele britische wie amerikanische Soldaten in Afghanistan, trotz des offensichtlichen Unterschieds in Grösse und Mitteln der beiden Länder.

Der Irak brachte eine Wende in den britisch-amerikanischen Beziehungen - und für Blair neue Schwierigkeiten in der politischen Vermittlung des bevorstehenden Konflikts. Seine Partei ist gegen Krieg und gegen einen «Regimewechsel» in Bagdad, wie ihn sich die amerikanischen Falken vorstellen. Die Rede zur Lage der Nation läutete eine zunehmend angespannte Phase ein.

Die herrschende Unzufriedenheit unter den Abgeordneten der Labour-Partei steigt und führt wenige Monate später zu offener Rebellion. Das Paradoxe daran ist, dass Blair die meiste Unterstützung bei seinen politischen Gegner, den Konservativen, findet, denn sie halten die Linie des Premierministers für logisch, kohärent und im Interesse Grossbritanniens. (...)

In seiner Rede zur Lage der Nation lobte Bush die Kooperation der arabischen Länder im Kampf gegen den Terrorismus, jedoch verlor er über Grossbritannien und seinen Premierminister kein Wort. Wieder eine Taktlosigkeit des Präsidenten, den die Gesten der Solidarität der Aussenwelt überhaupt nicht zu interessieren scheinen. In der Hoffnung auf Anerkennung, die er jedoch nicht erhält, geht Blair in seinem Engagement an der Seite Washingtons immer weiter und damit immer grössere Risiken innerhalb seiner eigenen Regierung ein.

Fünf Tage, nachdem die Nuclear Posture Review bestimmte Informationen veröffentlichte, die lange als «vertraulich» galten, wurden diese als nicht mehr «geheim» erklärt. Ein Dokument des Pentagon untermauert die nur wenige Tage zuvor gemachte Erklärung des Präsidenten, dass gegen Länder, die über Massenvernichtungswaffen verfügten, alle Optionen - auch Atomwaffen - in Frage kämen.

Mit diesem Dokument wird ein «offensives Abschreckungssystem» proklamiert, das mit den Verhaltensweisen des kalten Krieges endlich aufräumen soll. Für einen massiven Gegenschlag gegen die Sowjetunion im Falle eines nuklearen Angriffs wurden mehr als tausend Atomsprengköpfe auf strategische Ziele in der UdSSR und Osteuropa gerichtet: Kasernen, Fabriken, Raketensilos, Flughäfen usw. In manchen Fällen dauert die Änderung der Abschussparameter und Zielkoordinaten mehrere Monate. Bill Clinton bemühte sich um eine deutliche Verkürzung dieser Zeiten, damit rascher auf eine neue unvorhergesehene Bedrohung reagiert werden kann.

Das Konzept der offensiven Abschreckung, das in diesem Jahr dem Kongress vorgelegt wurde, geht noch einen Schritt weiter und soll wesentlich schneller auf eine eventuelle Bedrohung reagieren können. Es wurden drei Reaktionsgeschwindigkeiten für drei Gefahrenstufen festgelegt. Die höchste Stufe wurde von den Strategen des Pentagon «Immediate Contingency» genannt. Hierfür werden «Raketen mit programmiertem Ziel» benötigt, das heisst, sie sind ständig auf strategische Organe des betreffenden Gegners gerichtet.

In dem Dokument werden die Länder mit der höchsten Gefahrenstufe genannt, also Gebiete, auf die Tag und Nacht amerikanische Atomsprengköpfe gerichtet sind:

Irak im Fall eines Angriffs auf Israel oder ein anderes Nachbarland, Nordkorea im Fall eines Angriffs auf Südkorea, China im Fall einer militärischen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Status von Taiwan.

Wenige Länder unterstützen die USA so wie das England des treuen Tony Blair. Der britische Premierminister, der die Presse seines Landes (zu der seine Beziehungen mittlerweile auf einem Tiefpunkt angelangt sind) schockierte, indem er Pressekonferenzen im amerikanischen Stil einführte, hat erklärt, «der Nutzen, den wir aus unserer Zusammenarbeit mit Washington gezogen haben, war enorm». Als England einige Monate zuvor seine «besonderen Beziehungen» nutzen wollte, um gegen die amerikanische Entscheidung zu protestieren, die einheimischen Stahlproduzenten zu schützen, hielt Bush es nicht einmal für nötig, seinem «Freund» zu antworten. Auch ein weiterer Vorstoss Blairs blieb erfolglos.

Trotzdem hört England nicht auf, sich für eine «Freundschaft» zu schlagen, deren genauere Umstände mehr und mehr im Dunkeln liegen: über 130 Abgeordnete seiner eigenen Partei haben offiziell Position gegen die Irak-Politik Tony Blairs bezogen, und mehrere Mitglieder seiner Regierung werden möglicherweise zurücktreten, wenn er eine Beteiligung Englands an der Seite amerikanischer Soldaten durchsetzen sollte.

Und als ob der Druck aus den eigenen Reihen nicht genug wäre, macht König Abdallah Anfang August Zwischenstation in London, um Blair zu treffen, bevor er nach Washington weiterreist. Während seiner Gespräche hat der König der Haschemiten auch ihm gegenüber seine Vorbehalte und seine Zweifel im Hinblick auf die Zweckmässigkeit einer Militäroperation zum Ausdruck gebracht.

José Maria Aznar, der spanische Ministerpräsident, hat sich der amerikanischen Position angeschlossen und den berühmten Bericht zur Lage der Nation und das Konzept einer «Achse des Bösen» unterstützt. Im August 2002 vertritt Berlusconi eine weniger klare Position, die jedoch ebenfalls Washington zuneigt. Doch sein Verteidigungsminister Antonio Martino warnt: Die Beteiligung der italienischen Armee an einer Operation gegen den Irak werde daran gebunden sein, dass unwiderlegliche Beweise für die Verwicklung Bagdads in die Aktivitäten des internationalen Terrorismus vorgelegt würden.
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