Aus der FTD vom 15.10.2001
Das Kapital: Warum die Börsen weiter extrem schwanken könnten
Schon mal von einem Umsatzmultiplikator von 109 gehört? So etwas gibt es.
Juniper Networks hat die Umsatzerwartung im dritten Quartal um 13 Mio. $ geschlagen - und ist dafür mit einem zusätzlichen Börsenwert von 1,42 Mrd. $ belohnt worden, dem 109fachen des außerplanmäßigen Umsatzes. Selbst wenn man die Umsatzüberraschung aufs Jahr hochrechnet, ergibt sich ein Multiplikator von 27. Dabei hat Juniper im Grunde nur die Erwartungen in etwa bestätigt. Von nennenswertem Wachstum gibt es keine Spur, weder im zweiten Halbjahr 2001 noch im nächsten Jahr. Die Firma kostet das rund Siebenfache des Umsatzes.
Es gibt viele Gründe für das extreme Auf und Ab an der Börse. Einer davon ist vielleicht, dass es zu viel Liquidität gibt, die nach Anlage sucht, mitunter in panischer Weise. In den USA steigt die monetäre Basis - das von der Zentralbank geschaffene Geld - seit 1990 deutlich schneller als das nominale Sozialprodukt. In Europa wächst die Geldmenge M1 seit 1992 viel stärker als das nominale BIP. Und auch in Japan gibt es seit 1994 förmlich eine Explosion der liquiden Mittel, was angesichts der Deflation und der mickrigen Zinsen allerdings auch kein Wunder ist.
Die Globale Liquidität ist reichlich vorhanden
Es gibt zwei Erklärungen für dieses Phänomen. Entweder ist die Geldnachfrage strukturell gewachsen, weil Inflation und Zinsen gesunken sind - und zudem Milton Friedmans Argument greift, wonach Geld ein viel gesuchtes Luxusgut ist. Oder die Zentralbanken waren zu expansiv, wenigstens die westlichen. Für die zweite Variante spricht die unfassbare Spekulationsblase, die sich bis zum Frühjahr 2000 gebildet hat.
Wenn das stimmt, kann es nur heißen, dass die Schwankungen weiter extrem bleiben. Dabei ist es egal, ob die US-Wirtschaft gesund ist oder nicht. Ist sie gesund, wovon nicht ausgegangen werden kann, würden Geld- und auch Fiskalpolitik zu einem mächtigen Aufschwung führen. Die Börse würde - obwohl immer noch proper bewertet - einen Riesensatz machen. Den Verbrauchern würde das Geld wieder locker in der Tasche sitzen. Die Firmen würden wieder mehr verdienen als ihre Kapitalkosten - und investieren. Schließlich würde die Inflation der Vermögenswerte drohen, auf die Güterpreise überzuspringen. Ähnlich wie 2000 würden die Zentralbanken die Zügel fester ziehen - mit denselben Konsequenzen für die Börse.
Ist die US-Wirtschaft angeschlagen, sind höhere Bewertungen an der Börse nicht zu halten. Die monetären und fiskalpolitischen Maßnahmen würden das Wachstum immer mal wieder für ein oder zwei Quartale anheizen - und die Börse würde das jeweils mit großartigen Feuerwerken vorwegnehmen. Aber die mittelfristigen Gewinnerwartungen würden sich jedes Mal aufs Neue als zu hoch erweisen. Und wenn die Wirtschaft mit den Jahren gesundete, Sparquote und Verschuldung wieder in Ordnung kämen, würde vermutlich noch mehr Geld im System sein.
Rüstungswerte
Die Kanonen donnern, die Rüstungsaktien steigen. Seit den Terroranschlägen steht die Industrie wieder hoch im Kurs. Doch die Vorzeichen für weitere Höhenflüge sind alles andere als eindeutig.
Die Werte diesseits des Atlantiks haben weniger profitiert als die in den USA. Rheinmetall ist seit dem 11. September zwölf Prozent im Plus, die britische Bae Systems vier Prozent, die französische Thales drei Prozent. Dagegen stiegen die US-Werte General Dynamics um 16 Prozent, Northrop Grumman um 27 und Raytheon um 36 Prozent. Das hat mehrere Gründe. Erstens sind die Europäer keine reinen Rüstungswerte, sondern hängen auch an der Autoindustrie oder der Zivilluftfahrt. Hier sind die Aussichten nach wie vor unsicher. Zweitens wird die laufende Militärkampagne allein von den USA bestritten. Steigen dort die Verteidigungsausgaben, profitieren vor allem die US-Konzerne. In Europa ist ein starker Anstieg der Rüstungsbudgets unwahrscheinlich.
Dass die USA ihr Verteidigungsbudget ausweiten, ist anzunehmen. Die Terroranschläge und die daraus resultierenden Militärschläge spielen dabei aber nur in soweit eine Rolle, als dass sie das politische Klima für Budgetausweitungen begünstigen. Der tiefere Grund ist, dass der Verteidigungshaushalt der USA seit Ende des kalten Krieges kontinuierlich gesunken ist. Dennoch gab es in den vergangenen zehn Jahren im Golfkrieg, in Somalia und auf dem Balkan laufend Einsätze, die das vorhandene Material verschlissen haben. Wenn die USA ihre internationale Einsatzfähigkeit bewahren wollen, werden sie um Etataufstockungen nicht herum kommen. Die Deutsche Bank schätzt, dass die Rüstungsausgaben der USA bis 2005 jährlich um acht Prozent zulegen.
Solange die allgemeine wirtschaftliche Stimmung schlecht bleibt, können daher Rüstungsaktien noch ein wenig profitieren. Sollte aber der Gesamtmarkt drehen, werden sich die Anleger wieder Investmentmöglichkeiten zuwenden, bei denen sie mit höherem Wachstum rechnen.
Das Kapital: Warum die Börsen weiter extrem schwanken könnten
Schon mal von einem Umsatzmultiplikator von 109 gehört? So etwas gibt es.
Juniper Networks hat die Umsatzerwartung im dritten Quartal um 13 Mio. $ geschlagen - und ist dafür mit einem zusätzlichen Börsenwert von 1,42 Mrd. $ belohnt worden, dem 109fachen des außerplanmäßigen Umsatzes. Selbst wenn man die Umsatzüberraschung aufs Jahr hochrechnet, ergibt sich ein Multiplikator von 27. Dabei hat Juniper im Grunde nur die Erwartungen in etwa bestätigt. Von nennenswertem Wachstum gibt es keine Spur, weder im zweiten Halbjahr 2001 noch im nächsten Jahr. Die Firma kostet das rund Siebenfache des Umsatzes.
Es gibt viele Gründe für das extreme Auf und Ab an der Börse. Einer davon ist vielleicht, dass es zu viel Liquidität gibt, die nach Anlage sucht, mitunter in panischer Weise. In den USA steigt die monetäre Basis - das von der Zentralbank geschaffene Geld - seit 1990 deutlich schneller als das nominale Sozialprodukt. In Europa wächst die Geldmenge M1 seit 1992 viel stärker als das nominale BIP. Und auch in Japan gibt es seit 1994 förmlich eine Explosion der liquiden Mittel, was angesichts der Deflation und der mickrigen Zinsen allerdings auch kein Wunder ist.
Die Globale Liquidität ist reichlich vorhanden
Es gibt zwei Erklärungen für dieses Phänomen. Entweder ist die Geldnachfrage strukturell gewachsen, weil Inflation und Zinsen gesunken sind - und zudem Milton Friedmans Argument greift, wonach Geld ein viel gesuchtes Luxusgut ist. Oder die Zentralbanken waren zu expansiv, wenigstens die westlichen. Für die zweite Variante spricht die unfassbare Spekulationsblase, die sich bis zum Frühjahr 2000 gebildet hat.
Wenn das stimmt, kann es nur heißen, dass die Schwankungen weiter extrem bleiben. Dabei ist es egal, ob die US-Wirtschaft gesund ist oder nicht. Ist sie gesund, wovon nicht ausgegangen werden kann, würden Geld- und auch Fiskalpolitik zu einem mächtigen Aufschwung führen. Die Börse würde - obwohl immer noch proper bewertet - einen Riesensatz machen. Den Verbrauchern würde das Geld wieder locker in der Tasche sitzen. Die Firmen würden wieder mehr verdienen als ihre Kapitalkosten - und investieren. Schließlich würde die Inflation der Vermögenswerte drohen, auf die Güterpreise überzuspringen. Ähnlich wie 2000 würden die Zentralbanken die Zügel fester ziehen - mit denselben Konsequenzen für die Börse.
Ist die US-Wirtschaft angeschlagen, sind höhere Bewertungen an der Börse nicht zu halten. Die monetären und fiskalpolitischen Maßnahmen würden das Wachstum immer mal wieder für ein oder zwei Quartale anheizen - und die Börse würde das jeweils mit großartigen Feuerwerken vorwegnehmen. Aber die mittelfristigen Gewinnerwartungen würden sich jedes Mal aufs Neue als zu hoch erweisen. Und wenn die Wirtschaft mit den Jahren gesundete, Sparquote und Verschuldung wieder in Ordnung kämen, würde vermutlich noch mehr Geld im System sein.
Rüstungswerte
Die Kanonen donnern, die Rüstungsaktien steigen. Seit den Terroranschlägen steht die Industrie wieder hoch im Kurs. Doch die Vorzeichen für weitere Höhenflüge sind alles andere als eindeutig.
Die Werte diesseits des Atlantiks haben weniger profitiert als die in den USA. Rheinmetall ist seit dem 11. September zwölf Prozent im Plus, die britische Bae Systems vier Prozent, die französische Thales drei Prozent. Dagegen stiegen die US-Werte General Dynamics um 16 Prozent, Northrop Grumman um 27 und Raytheon um 36 Prozent. Das hat mehrere Gründe. Erstens sind die Europäer keine reinen Rüstungswerte, sondern hängen auch an der Autoindustrie oder der Zivilluftfahrt. Hier sind die Aussichten nach wie vor unsicher. Zweitens wird die laufende Militärkampagne allein von den USA bestritten. Steigen dort die Verteidigungsausgaben, profitieren vor allem die US-Konzerne. In Europa ist ein starker Anstieg der Rüstungsbudgets unwahrscheinlich.
Dass die USA ihr Verteidigungsbudget ausweiten, ist anzunehmen. Die Terroranschläge und die daraus resultierenden Militärschläge spielen dabei aber nur in soweit eine Rolle, als dass sie das politische Klima für Budgetausweitungen begünstigen. Der tiefere Grund ist, dass der Verteidigungshaushalt der USA seit Ende des kalten Krieges kontinuierlich gesunken ist. Dennoch gab es in den vergangenen zehn Jahren im Golfkrieg, in Somalia und auf dem Balkan laufend Einsätze, die das vorhandene Material verschlissen haben. Wenn die USA ihre internationale Einsatzfähigkeit bewahren wollen, werden sie um Etataufstockungen nicht herum kommen. Die Deutsche Bank schätzt, dass die Rüstungsausgaben der USA bis 2005 jährlich um acht Prozent zulegen.
Solange die allgemeine wirtschaftliche Stimmung schlecht bleibt, können daher Rüstungsaktien noch ein wenig profitieren. Sollte aber der Gesamtmarkt drehen, werden sich die Anleger wieder Investmentmöglichkeiten zuwenden, bei denen sie mit höherem Wachstum rechnen.