Warum Rußland gegen den Krieg ist...

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Warum Rußland gegen den Krieg ist...

 
11.02.03 16:31

auch bei der Haltung Rußlands geht es um die große Kohle

Die russische Angst vor der Ölschwemme

Von Lutz C. Kleveman

Nicht nur bei den amerikanischen und britischen Irak-Angriffsplänen geht es ums Öl, sondern auch bei dem russischen Widerstand gegen eine Invasion. Eine Öl-Schwemme nach dem Krieg gefährdet den russischen Staatshaushalt, Moskaus Ölbaronen drohen wichtige Verträge im Irak wegzubrechen.
Warum Rußland gegen den Krieg ist... 937342

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GroßbildansichtUnerwünschte Quelle: Irakisches Öl könnte der russischen Konkurrenz bald das Geschäft verderben
Hamburg - Der jüngste Schulterschluss des russischen Präsident Vladimir Putin mit den Kriegsgegnern Frankreich und Deutschland hat es deutlich gezeigt: Russland hat kein Interesse an einem gewaltsamen Sturz Saddam Husseins und leistet weiter Widerstand gegen die Irak-Angriffspläne der USA. Moskaus Gründe dafür sind nicht nur diplomatischer Art - Angst vor einem übermächtigen Amerika - sondern auch ökonomischer Natur. Russland hat kein Interesse am Krieg, weil eine US-Invasion die wichtigste Einnahmequelle der geldarmen Regierung bedrohen würde.

In Russland fürchtet man, dass ein von den USA erobertes Irak mittelfristig den Weltmarkt mit Rohöl überschwemmt und so den Weltmarkt-Preis drückt. Ein solches Dumping würde Russlands eigene Öl-Profite einbrechen lassen.

"Wir werden gegen jede zweite UN-Resolution ein Veto einlegen, die den Amerikanern einen Angriff im Irak ermöglichen könnte", kündigte bereits im Dezember ein hochrangiger russischer Diplomat im Nahen Osten gegenüber SPIEGEL ONLINE an. "Wir können uns die möglichen Folgen eines Kriegs für unsere Ölindustrie einfach nicht leisten."

"Unser Budget würde zusammenbrechen"

In einem gewaltigen Kraftakt hat Russland in den vergangenen drei Jahren seine Ölexporte um ein Drittel auf acht Millionen Barrel pro Tag gesteigert. Mehr als sechs Milliarden Dollar bringen sie dem Land jeden Monat. Das Pipeline-Netz ist voll ausgelastet, schon soll eine neue Riesen-Röhre zum arktischen Hafen Murmansk gebaut werden. Kein Wunder also, dass sich der russische Staatshaushalt überwiegend durch Einnahmen aus der sibirischen Öl- und Gasindustrie trägt. Kein anderer Wirtschaftssektor ist so wichtig in der einstigen Weltmacht, die heute ökonomisch kaum mehr als Belgien leistet.

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Gefährlicher Reichtum

Der Irak besitzt mit 112 Milliarden Barrel Rohöl die zweitgrössten Vorkommen der Welt. Mehr liegt nur in Saudi Arabien mit 262 Milliarden Faß, etwa einem Viertel der globalen Vorräte. Derzeit exportiert der Irak, Mitglied des OPEC-Kartells, im Rahmen des "Food for oil"-Programms der UNO legal etwa zwei Millionen Barrel am Tag. Dringend notwendige technische Nachrüstungen der Förderanlagen durch ausländische Investoren verhindern die UNO-Sanktionen. Würden sie nach einem Sturz Saddams aufgehoben, könnten sich transnationale Energiekonzerne an die Ausbeutung der Quellen machen. An Interessenten mangelt es nicht: das leichte, schwefelarme Öl gilt als das beste der Erde. Zudem liegt es in geringer Tiefe und ist so sehr billig zu fördern.

Russlands Problem ist, dass sein Haushalt auf einer Preiserwartung von mindestens 23 Dollar pro Barrel kalkuliert ist. "Unser Budget würde zusammenbrechen", beschrieb jüngst Aleksej Arbatow, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungausschusses der Duma, die Folgen eines möglichen irakischen Öl-Dumpings. Schlimmer noch: die Förderkosten im fernen und rauhen Sibirien liegen bei bis zu 13 Dollar pro Barrel. Brechen die Profite ein, würden ausländische Konzerne, deren Kapital Russland zu locken versucht, allemal Invesitionen in einem offenen Irak vorziehen. Allerdings gibt es auch russische Ölbarone, die kurzfristig davon zu profitieren hoffen, dass ein Waffengang im Irak den Barrelpreis auf bis zu 60 Dollar hochschnellen lassen könnte. Auch vielen hochrangigen Politiker, die im notorisch korrupten Russland aus der Ölbranche stammen, würde dieser plötzliche Geldsegen sehr recht kommen.

Die russische Wirtschaft hat allerdings im Irak viel zu verlieren. Im Jahre 1997 schloss der Ölgigant Lukoil ein Abkommen mit Bagdad, das Ölfeld in West Qurna erschliessen zu dürfen. Wert des Deals: 20 Milliarden Dollar. Zwar kündigte das Hussein-Regime vor einigen Wochen den Vertrag einseitig aus Ärger über Moskaus Unterstützung für die UN-Resolution 1441, doch eine eiligst nach Bagdad entsandte russische Delegation aus Diplomaten und Ölbaronen stimmte den Diktator einstweilen wieder um. Auch chinesische und französische Energiekonzerne sind seit Jahren im Irak aktiv. TotalFinaElf unterschrieb in den 90er Jahren zwei Vorverträge, um die Ölfelder von Madschnun und Nahr Umar zu erschliessen.

Lockmittel aus Washington

Zwar haben die Unternehmen auch ein Interesse am Sturz Husseins, denn nur nach Ende der Sanktionen können sie mit der profitablen Arbeit im Irak beginnen. Dennoch fürchtet man besonders in Moskau und Paris, dass eine Washington zu Dank verpflichtete neue Regierung in Bagdad die Verträge des alten Regimes für null und nichtig erklären könnte - um sie US-Konzernen anzubieten. Die amerikanische Diplomatie hat sich daher darauf konzentriert, Russen und Franzosen ein Fortbestehen ihrer Verträge zuzusichern. Allerdings spielt der Wettstreit zwischen Ölkonzernen an sich in der Irak-Krise nur eine eher unbedeutende Rolle - entscheidend sind die strategischen Öl-Interessen. Washingtons Diplomaten werden versuchen, die Russen durch gesamtwirtschaftliche Vorteile zum Einlenken zu bewegen. Bereits angedacht ist eine amerikanisch-russische "Energie-Partnerschaft", in der die Branchengiganten Lukoil und Yukos ihr westsibirisches Öl direkt an die USA liefern würden. Trotz eines großen Hypes in der amerikanischen Presse hat die "Energie-Partnerschaft" allerdings bislang wenig greifbare Resultate gezeitigt.

In Moskau ist man misstrauisch geworden. Die Handelserleichterungen, die Bush den Russen für ihr Stillhalten bei der Stationierung von US-Truppen im ehemals sowjetischen Zentralasien vor dem Afghanistan-Feldzug im Herbst 2001 versprochen hat, lassen bis heute auf sich warten. Besonders Moskaus konservative Machtzirkel wie das Außenministerium und die Armee argwöhnen mittlerweilen, dass die Amerikaner in Zentralasien weniger hinter Terroristen als hinter den sagenhaften Rohstoffreserven des Kaspischen Meers her sind. Im Irak geht das große Spiel um das verbleibende Öl der Erde in seine entscheidende Phase.

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