Warum die EZB tatenlos zusieht

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calexa:

Warum die EZB tatenlos zusieht

 
17.10.02 15:25
Die Finanzwelt wartet mit Spannung auf die nächste Zinssenkung in Euroland, aber die Europäische Zentralbank verhielt sich bisher abwartend. Wann ist eine Änderung zu erwarten?

Die Finanzwelt blickt auf die Europäische Zentralbank (EZB), und Marktbeobachter warten mit angehaltenem Atem darauf, dass diese die Refinanzierungszinsen weiter senkt und damit der europäischen Wirtschaft einen wichtigen Impuls nach vorne gibt.

Betrachtet man vergangene Zinsentscheidungen der EZB im Zusammenhang mit ihrer Entscheidungsgrundlage, so wird deutlich, dass die abwartende Haltung bislang dem vergangenen Verhalten entspricht. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung, sollten die Wirtschaftszahlen weiter enttäuschen.

Das erklärte geldpolitische Ziel der EZB ist eine stabile Inflationsrate zwischen 0 und zwei Prozent. Jedoch hat die EZB in der Vergangenheit in ihren Entscheidungen auch das wirtschaftliche Wachstum berücksichtigt, und ist somit ihre Aufgabe recht pragmatisch angegangen. Ein eindeutiges Zeichen für diese pragmatische Einstellung der EZB ist der derzeitige niedrige Refinanzierungssatz von 3,25 Prozent bei einer Inflationsrate im Euroraum von 2,1 Prozent.

Inflationsrate in Euroland liegt über zwei Prozent

Wohlgemerkt, die Inflationsrate in Euroland ist bereits seit einem längeren Zeitraum über der Zielmarke von zwei Prozent. Würde die EZB sich alleine an ihrem Inflationsziel orientieren, müssten wir uns wohl eher um eine Zinserhöhung Gedanken machen als eine Senkung. Um die kommenden Zinsentscheidungen der EZB besser einschätzen zu können - eine der entscheidenden Fragen für den Kapitalmarkt -, haben wir die Entscheidungsgrundlagen der EZB und vergangene Zinsentscheidungen miteinander verglichen.

Hierzu haben wir einen monatlichen Indikator für das wirtschaftliche Wachstum, den Einkaufsmanagerindex (PMI), der Inflationsrate gegenübergestellt und dies mit dem Zinsniveau der jeweiligen Kombination verglichen. Dabei zeigt sich, dass die EZB relativ unabhängig von der Inflationsrate eine abwartende Haltung annimmt, wenn der PMI zwischen 50 und 55 liegt.

Oberhalb dieses Bereiches werden die Zinsen erhöht, unterhalb, wo der Index einen Rückgang der Wirtschaft anzeigt, werden die Zinsen gesenkt. Derzeit liegt der PMI mit knapp unter 50 demnach in dem Bereich, in dem die EZB in der Vergangenheit bereits Zinssenkungen vorgenommen hat.

So long,
Calexa
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Teil 2

 
17.10.02 15:26
Allerdings liegt die Inflationsrate im Euroraum mit 2,1 Prozent über dem Zielwert, woraus sich die abwartende Haltung ergibt. Trotzdem ist eine Zinsentscheidung derzeit bei jedem Treffen des EZB-Rates möglich.

Die Daten zeigen ein verhältnismäßig konstantes Verhalten der EZB bei Zinsentscheidungen: die EZB senkt die Zinsen um etwa 0,25 Prozent, wenn die Inflationsrate um 0,3 Prozent oder der Wachstumsindikator um etwa sieben Punkte fällt, oder wenn eine Kombination aus beidem stattfindet.

Einkaufsmanagerindex blieb relativ stabil

Mit dieser Abwägung ist klar, warum die EZB derzeit eine abwartende Haltung einnimmt: Die Inflationsrate bleibt hartnäckig über der Zwei-Prozent-Marke, und der PMI ist von seinem letzten Höchststand erst um etwa drei Punkte gefallen.

Die Erfahrung zeigt auch, dass die EZB ihre Entscheidungen mit einer gewissen Verspätung fällt. Die starken Zinssenkungen direkt nach dem Anschlag auf das World Trade Center im September vergangenen Jahres waren mit Sicherheit eine Ausnahme zu dieser Regel.

Der Entscheidungsspielraum ist klein

Derzeit beschränken zusätzlich die ungewöhnlich niedrigen Zinsen den Entscheidungsspielraum des EZB-Rates. Das Wachstum allein ist derzeit niedrig genug, um eine Zinssenkung zu rechtfertigen. Erst wenn die Inflationsrate unter die Zwei-Prozent-Marke sinkt ist das letzte Hindernis für eine Zinssenkung aus dem Weg geräumt.

Wir erwarten erst für Anfang des nächsten Jahres ein Sinken unter die Zwei-Prozent-Marke. Sollte die Inflationsrate allerdings über dieser Marke bleiben, müsste die Konjunktur noch deutlicher an Schwung verlieren.

Es bleibt zu bedenken, dass eine Zinssenkung der EZB der Wirtschaft im Euroraum nur einen kurzfristigen Impuls geben kann, um wieder auf die Füße zu kommen. Insbesondere in Deutschland sind es vielmehr strukturelle Probleme, wie beispielsweise ein verkrusteter Arbeitsmarkt, die das Wirtschaftswachstum behindern. Ein "Allheilmittel" ist die Geldpolitik nicht - Geld allein (zumal billiges) macht eben doch nicht glücklich.
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