Warten, bis es zu spät ist

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Warten, bis es zu spät ist

 
28.10.01 23:56
Warten, bis es zu spät ist

Von Joachim Fels

Das Rezessionsgespenst geht um in Europa. Die jüngsten Unternehmensbefragungen zeigen einen außergewöhnlich starken Einbruch des Geschäftsklimas in mehreren Ländern.

In Deutschland hat es nur einmal einen stärkeren monatlichen Rückgang im Ifo-Geschäftsklima als in diesem September gegeben - und zwar im November 1973, als sich die Ölkrise dramatisch zuspitzte. Diese Einbrüche können nicht einfach als einmalige Ausrutscher abgetan werden. Vielmehr deuten sie darauf hin, dass Europas Industriesektor nunmehr vom Abwärtssog der weltweiten Rezession erfasst worden ist, die sich nach den Terror-Anschlägen vom 11. September noch verschärft haben dürfte.

Die Reaktion vieler Unternehmen ist unschwer zu erraten. Zum einen wird es weitere Entlassungen geben, zum anderen dürften Investitionen gestrichen oder gestreckt werden. So haben Rezessionen immer begonnen. Der Hinweis darauf, dass ja kaum ein Prognostiker eine solche erwartet, kann nicht beruhigen. Auch vergangene Rezessionen haben wir Ökonomen in der Regel erst prognostiziert, wenn sie bereits eingetreten waren.



EZB unterschätzt Gefahr




Auch die EZB wiegt sich zu sehr in Sicherheit, wenn sie eine Rezession nahezu ausschließt. Sie läuft damit Gefahr, ihren Fehler von Anfang des Jahres zu wiederholen, als sie das Ausmaß der Konjunkturabkühlung in diesem Jahr lange unterschätzte. Gefordert wären jetzt deutliche Zinssenkungen. In der Sprache der EZB ließen sich diese leicht als Versicherung gegen Abwärtsrisiken für die Inflation rechtfertigen. Denn bereits aus heutiger Sicht ist es wahrscheinlich, dass die Inflationsrate im nächsten Jahr unter die (inoffizielle) Deflationsschwelle von 1 Prozent fällt.


Zuletzt wurde diese Schwelle Anfang 1999 unterschritten. Damals senkte die EZB den Refi-Satz auf 2,5 Prozent. Ein ähnlich niedriger Geldzins wäre auch diesmal wieder angemessen - je eher desto besser. Aber die Erfahrung lehrt, dass die Notenbanken wie auch die Ökonomen die Rezession erst richtig wahrnehmen, wenn es zu spät ist.

Joachim Fels ist Managing Director bei Morgan Stanley in London

ftd.


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