Warten auf echte Gewinner
Von Christopher Nachtweh
Die Hoffnungen der Analysten und Investoren verlagern sich auf den Jahreswechsel.
Es ist die Hochzeit der Quartalszahlen. Die Gewinnentwicklung der Unternehmen bestimmt die Stimmung an den Aktienmärkten. In der vergangenen Woche zeigten sich erste Hoffnungsschimmer, als einige US-Unternehmen Zahlen präsentierten, die die Erwartungen übertrafen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Erwartungen zuvor zum Teil drastisch nach unten korrigiert worden waren. Deshalb bleiben die Akteure noch immer sehr verunsichert.
Zum jetzigen Auftakt der Berichtssaison drängt sich nach den Quartalszahlen von Philips , Intel und Apple der Eindruck auf, dass allenfalls die Ausblicke für das vierte Quartal bessere Geschäfte erwarten lassen. Sicher ist das aber nicht: Es könnte durchaus noch länger dauern. Daher schwanken die Investoren zwischen Hoffen und Bangen. Das gilt auch für die britische Investmentbank HSBC, die mit unvermindert hoher Volatilität an den Aktienmärkten rechnet. "Auf kurze Sicht erwarten wir, dass die Gewinnaussichten weitere Aktienschwächen zur Folge haben werden", heißt es in ihrem aktuellen Strategie-Report "Summer Blues". Die ökonomischen Daten deuteten nach wie vor nicht eindeutig darauf hin, dass sich die Lage wirklich bessert.
Das dritte Quartal
Am Ende des dritten Quartals könnte sich die Konjunktur wieder erholen, schätzt die Bank, sofern sich die Erwartungen für das vierte Quartal als treffend herausstellen und weitere Zinssenkungen zusätzlich stimulieren. Allerdings werde ein Aufwärtstrend an den Aktienmärkten zunächst nur vorübergehend anhalten, da sich die Erwartungen auf ein zurückkehrendes Wirtschafts- und Gewinnwachstum kaum erfüllen dürften.
Im aktuellen Szenario sind HSBC zufolge europäische Werte attraktiver als US-amerikanische, da sich die Wirtschaftsschwäche in Europa anders als in den USA in den Aktienkursen widerspiegele. Den Aufwärtstrend von April und Mai insbesondere des Nasdaq hätten die europäischen Indizes nicht in gleichem Maße nachvollzogen. Daher seien europäische Titel vergleichsweise billig.
Darüber hinaus geht die Bank davon aus, dass es in den USA im dritten und vierten Quartal ein negatives Wachstum des Bruttoinlandsprodukts geben wird, wodurch die Gewinnerwartungen weiter gekappt werden würden. Die Gewinne würden im vierten Quartal das Vorjahresniveau nicht erreichen.
Weiche Landung
Für Europa hingegen erwarten die Analysten von HSBC nach wie vor ein Soft Landing. Das lasse Gewinne etwa um das Vorjahresniveau erwarten. Potenzielle Zugpferde für die europäischen Aktienmärkte seien der Telekommunikationssektor und die IT-Hardwarebranche, wenn es einen erfolgreichen Start der neuen Mobilfunkgeneration gebe. Eine mögliche Strukturreform in Italien könne den Finanzsektor beflügeln. Momentan sei allerdings keine führende Branche für die kommenden drei Monate auszumachen.
Ob ein solches Bangen an den Aktienmärkten allein auf Grund zurückhaltender Äußerungen von Unternehmen in jedem Fall richtig begründet ist, ist indes unsicher. Goldman Sachs weist darauf hin, dass Gewinnwarnungen kein guter Indikator für die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung seien. "Unternehmen geben üblicherweise keinen Hinweis darauf, dass sich ihre Bedingungen wieder verbessern, bis die Erholung ,well underway' ist", heißt es in Goldman Sachs aktuellem Strategie-Report. Während etwa das Wachstum der Industrieproduktion im Februar 1993 einen Tiefpunkt erreicht habe, hätten Unternehmen noch nahezu ein Jahr darüber hinaus die schwierigen Bedingungen hervorgehoben.
Goldman Sachs lässt sich also nicht beeindrucken und ist nach wie vor zuversichtlich, was eine Stabilisierung der Wirtschaft zunächst in den USA und daran anschließend in Europa betrifft. Damit teilt das Investmenthaus die Einschätzung einer größeren Zahl von Fondsmanagern: In ihrem aktuellen "Fund Manager Survey" stellt Merrill Lynch fest, ein Großteil der Fondsmanager glaube, dass die Aussichten auf Gewinne bei US-Unternehmen am günstigsten seien. Eine gewisse Vorsicht der Manager wäre aber noch zu spüren, heißt es weiter. 41 Prozent seien hinsichtlich der globalen Aussichten weniger zuversichtlich als üblich, 48 Prozent äußerten, sie hielten es derzeit für überdurchschnittlich schwierig, ihre Investitionsziele zu erreichen.
Hongkong Shanghai Banking Corporation (HSBC)
Asset Allocation - Ausblick. Investoren werden sich in der näheren Zukunft auf Grund schlechter konjunktureller Aussichten bei sämtlichen Anlageformen mit geringen Renditen begnügen müssen, prognostiziert die britische Investmentbank. Aktien und Anleihen werden von HSBC gleichermaßen übergewichtet. Der Cash-Bestand wurde bei der letzten Reallokation auf null Prozent zurückgefahren. Insbesondere die kontinentaleuropäischen Bonds hält HSBC für interessant; für den Rest des Jahres werde es vor allem bei kurzfristigen Papieren eine Rally geben. Zurückgehende Inflationsraten erlaubten der Europäischen Zentralbank, die Zinsen in den kommenden Monaten um 50 Basispunkte zu senken. Eingepreist seien bislang nur 25 Basispunkte.
Sektoren - Gewichtung. Unter den Sektoren favorisiert die Investmentbank Telekomtitel und Softwarewerte. In Europa sind ferner Banken und Versicherungen übergewichtet, da letztere sich weitgehend konjunkturunabhängig entwickelten. Für US-Finanztitel ist die Bank nach der Outperformance dieses Jahres weniger optimistisch. Durchweg untergewichtet sind Zykliker, die unter der anhaltend schwachen Konjunktur weiter leiden werden.