Konjunktur, Ölpreis, Euro: Die Liste der Probleme ist lang. Doch bei einem Aufschwung springt dieser Sektor als einer der ersten wieder an
von Michael Lucht und Wolfgang Sienel
Wohl kaum eine andere Branche befindet sich derzeit in einem so starken Spannungsfeld wie die Chemieindustrie. Insbesondere der drohende Irak-Krieg hängt wie ein Damoklesschwert über dem Sektor. Allein die Furcht vor einer militärischen Auseinandersetzung am Persischen Golf hat den Preis für Rohöl auf neue Rekordhöhen getrieben, und somit die Produktionskosten der Chemiekonzerne deutlich erhöht. Als elementarer Rohstoff findet sich das schwarze Gold nämlich in nahezu allen Grundprodukten, die für die weitere Herstellung von Kunststoffen oder Textilfasern benötigt werden. Das Dilemma des Ölpreisanstiegs liegt vor allem darin, dass die Unternehmen die Mehrkosten auf der Produktionsseite derzeit nicht auf ihre Kunden abwälzen können, weil die Nachfrage zu schwach ist. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet auf Grund der deutlich erhöhten Lagerbestände sogar damit, dass das Produktionsplus im laufenden Jahr bei lediglich einem müden Prozent liegen wird.
Aber auch der starke Euro macht der Branche zu schaffen. Durch die Aufwertung gegenüber dem US-Dollar haben deutsche und europäische Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten, ihre Produkte jenseits des Atlantiks abzusetzen. Im Gegenzug werden immer mehr Chemikalien nach Europa importiert. Auf der anderen Seite federt allerdings die Euro-Stärke den Ölpreisanstieg etwas ab, da die Preisbildung je Barrel über den Greenback erfolgt. Dass bei den Konzernlenkern zudem die Stimmung getrübt ist, liegt freilich auch an der weltwirtschaftlichen Lage. Als traditionell frühzyklischer Industriebereich leidet der Chemiesektor derzeit besonders unter der schwächelnden Konjunktur. Und ein Ende ist derzeit nicht abzusehen.
Gebannt blicken die Börsianer auf den kommenden Dienstag. Dann legt der nach Umsatz weltgrößte Chemiekonzern BASF seine Bilanz für 2002 vor. Trotz der zahlreichen Negativfaktoren rechnen die meisten Experten damit, dass die Ludwigshafener ihre im November abgegebene Prognose einhalten werden. Bereits vor der Veröffentlichung der Zahlen hat der Vorstand mitgeteilt, dass die Ausschüttung um zehn Cent auf 1,40 Euro erhöht werden soll.
Aber nicht nur die hohe Dividendenrendite macht die BASF-Aktie attraktiv. Durch die starke Stellung im Öl- und Gasbereich kann der Konzern die jüngsten Ölverteuerungen besser kompensieren als die Konkurrenten. Nach Meinung von Analysten dürften sich auch die konjunktursensiblen Bereiche Chemikalien sowie Kunststoffe/Fasern besser entwickelt haben als im Vorjahr. Dagegen könnte das Ergebnis des Agrarchemie-Geschäfts enttäuschend ausfallen. Auch die zunehmende Anzahl von billigen Nachahmerprodukten schmälert hier die Gewinnmargen. Dennoch sieht Thomas Röder, Portfolio-Manager bei der Bank Julius Bär in Frankfurt, den Konzern „hervorragend positioniert".
Deutlich skeptischer ist Röder, wenn es um Bayer geht. Trotz des jüngsten Kursverfalls rät der Börsenprofi von einem Engagement ab. Vor allem die nicht zu überschauende Flut von Klagen im Zusammenhang mit dem Blutfettsenkungsmedikament Lipobay/Baycol bereiten ihm Sorgen. Auch die Suche nach einem Partner für die Pharmasparte dürfte sich vor diesem Hintergrund sehr schwierig erweisen. Dass Bayer im abgelaufenen Jahr dennoch einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro erzielt hat, war vor allem auf außerordentliche Erträge aus dem Verkauf von Beteiligungen zurückzuführen. Im operativen Geschäft wurden hingegen 46 Prozent weniger als im Vorjahr verdient. Hohe Integrationskosten und Wertberichtigungen im Agrogeschäft haben zudem auf das Ergebnis gedrückt. Neben den Problemen im Pharma- und Agrobereich leidet die Chemiesparte von Bayer unter der rückläufigen Nachfrage aus der Halbleiterindustrie, von der bislang die meisten Aufträge kamen.
Auch in den USA bewegen sich die Chemiekonzerne nicht in ruhigeren Gewässern. Der US-Primus Dow Chemical hat im vierten Quartal 2002 einen Verlust von 809 Millionen Dollar erzielt. Vor allem die Aufwendungen von 828 Millionen Dollar zur Abdeckung möglicher Asbest-Klagen, die aus der Übernahme von Union Carbide resultieren, haben Dow Chemical tief in die roten Zahlen gedrückt. Besser sieht es hingegen bei DuPont aus. Ähnlich wie BASF haben die Amerikaner ihre Pharmasparte verkauft, um sich auf die Kernsparte Chemie zu konzentrieren.
Nach Ansicht von Hans-Peter Schupp, Fondsmanager bei der Frankfurter Mainfirst, ist nach den deutlichen Kurseinbußen an den Börsen jetzt die Phase gekommen, um in Chemiewerte zu investieren. Zur Begründung führt er den hohen Cash-flow an, der die Finanz- und Ertragskraft eines Unternehmens wiedergibt. Auch die Erfahrung, dass die Branche bei einer konjunkturellen Erholung als eine der ersten anspringt, macht den Sektor für Schupp interessant.
von Michael Lucht und Wolfgang Sienel
Wohl kaum eine andere Branche befindet sich derzeit in einem so starken Spannungsfeld wie die Chemieindustrie. Insbesondere der drohende Irak-Krieg hängt wie ein Damoklesschwert über dem Sektor. Allein die Furcht vor einer militärischen Auseinandersetzung am Persischen Golf hat den Preis für Rohöl auf neue Rekordhöhen getrieben, und somit die Produktionskosten der Chemiekonzerne deutlich erhöht. Als elementarer Rohstoff findet sich das schwarze Gold nämlich in nahezu allen Grundprodukten, die für die weitere Herstellung von Kunststoffen oder Textilfasern benötigt werden. Das Dilemma des Ölpreisanstiegs liegt vor allem darin, dass die Unternehmen die Mehrkosten auf der Produktionsseite derzeit nicht auf ihre Kunden abwälzen können, weil die Nachfrage zu schwach ist. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet auf Grund der deutlich erhöhten Lagerbestände sogar damit, dass das Produktionsplus im laufenden Jahr bei lediglich einem müden Prozent liegen wird.
Aber auch der starke Euro macht der Branche zu schaffen. Durch die Aufwertung gegenüber dem US-Dollar haben deutsche und europäische Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten, ihre Produkte jenseits des Atlantiks abzusetzen. Im Gegenzug werden immer mehr Chemikalien nach Europa importiert. Auf der anderen Seite federt allerdings die Euro-Stärke den Ölpreisanstieg etwas ab, da die Preisbildung je Barrel über den Greenback erfolgt. Dass bei den Konzernlenkern zudem die Stimmung getrübt ist, liegt freilich auch an der weltwirtschaftlichen Lage. Als traditionell frühzyklischer Industriebereich leidet der Chemiesektor derzeit besonders unter der schwächelnden Konjunktur. Und ein Ende ist derzeit nicht abzusehen.
Gebannt blicken die Börsianer auf den kommenden Dienstag. Dann legt der nach Umsatz weltgrößte Chemiekonzern BASF seine Bilanz für 2002 vor. Trotz der zahlreichen Negativfaktoren rechnen die meisten Experten damit, dass die Ludwigshafener ihre im November abgegebene Prognose einhalten werden. Bereits vor der Veröffentlichung der Zahlen hat der Vorstand mitgeteilt, dass die Ausschüttung um zehn Cent auf 1,40 Euro erhöht werden soll.
Aber nicht nur die hohe Dividendenrendite macht die BASF-Aktie attraktiv. Durch die starke Stellung im Öl- und Gasbereich kann der Konzern die jüngsten Ölverteuerungen besser kompensieren als die Konkurrenten. Nach Meinung von Analysten dürften sich auch die konjunktursensiblen Bereiche Chemikalien sowie Kunststoffe/Fasern besser entwickelt haben als im Vorjahr. Dagegen könnte das Ergebnis des Agrarchemie-Geschäfts enttäuschend ausfallen. Auch die zunehmende Anzahl von billigen Nachahmerprodukten schmälert hier die Gewinnmargen. Dennoch sieht Thomas Röder, Portfolio-Manager bei der Bank Julius Bär in Frankfurt, den Konzern „hervorragend positioniert".
Deutlich skeptischer ist Röder, wenn es um Bayer geht. Trotz des jüngsten Kursverfalls rät der Börsenprofi von einem Engagement ab. Vor allem die nicht zu überschauende Flut von Klagen im Zusammenhang mit dem Blutfettsenkungsmedikament Lipobay/Baycol bereiten ihm Sorgen. Auch die Suche nach einem Partner für die Pharmasparte dürfte sich vor diesem Hintergrund sehr schwierig erweisen. Dass Bayer im abgelaufenen Jahr dennoch einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro erzielt hat, war vor allem auf außerordentliche Erträge aus dem Verkauf von Beteiligungen zurückzuführen. Im operativen Geschäft wurden hingegen 46 Prozent weniger als im Vorjahr verdient. Hohe Integrationskosten und Wertberichtigungen im Agrogeschäft haben zudem auf das Ergebnis gedrückt. Neben den Problemen im Pharma- und Agrobereich leidet die Chemiesparte von Bayer unter der rückläufigen Nachfrage aus der Halbleiterindustrie, von der bislang die meisten Aufträge kamen.
Auch in den USA bewegen sich die Chemiekonzerne nicht in ruhigeren Gewässern. Der US-Primus Dow Chemical hat im vierten Quartal 2002 einen Verlust von 809 Millionen Dollar erzielt. Vor allem die Aufwendungen von 828 Millionen Dollar zur Abdeckung möglicher Asbest-Klagen, die aus der Übernahme von Union Carbide resultieren, haben Dow Chemical tief in die roten Zahlen gedrückt. Besser sieht es hingegen bei DuPont aus. Ähnlich wie BASF haben die Amerikaner ihre Pharmasparte verkauft, um sich auf die Kernsparte Chemie zu konzentrieren.
Nach Ansicht von Hans-Peter Schupp, Fondsmanager bei der Frankfurter Mainfirst, ist nach den deutlichen Kurseinbußen an den Börsen jetzt die Phase gekommen, um in Chemiewerte zu investieren. Zur Begründung führt er den hohen Cash-flow an, der die Finanz- und Ertragskraft eines Unternehmens wiedergibt. Auch die Erfahrung, dass die Branche bei einer konjunkturellen Erholung als eine der ersten anspringt, macht den Sektor für Schupp interessant.