Ist der Aufschwung schon wieder vorbei? Diese Frage drängt sich auf, wenn man die konjunkturelle Entwicklung betrachtet. Es gibt jedoch Grund zur Hoffnung, auch wenn zu erwarten ist, dass die Erholung lange dauert. Was folgt daraus für den Anleger? Im Frühling dieses Jahres begannen die Konjunkturexperten und Finanzmarktteilnehmer, Optimismus hinsichtlich der weiteren Konjunkturaussichten zu versprühen. Die Geschäftserwartungen und konjunkturellen Frühindikatoren stiegen an und trieben die Zinsen auf den Terminmärkten nach oben. Doch die tatsächliche Entwicklung blieb hinter den Erwartungen zurück. Viele Marktteilnehmer fragen sich inzwischen, ob denn der Aufschwung schon wieder vorbei ist, bevor er überhaupt richtig angefangen hat. Diese Sorge dürfte etwas übertrieben sein. Allerdings müssen wir uns auf eine eher schwache und stockende Erholung einstellen, die zudem noch mit erheblichen Risiken behaftet ist. In diesem Umfeld sollten die Anleger den Euro und hochwertige Euroland-Rentenpapiere an schwachen Tagen kaufen und Aktien an starken Tagen verkaufen.Wie während des Aufschwungs in den neunziger Jahren wurde die Weltwirtschaft auch im Abschwung von 2000 bis 2001 stark von Entwicklungen in den USA beeinflusst. Dabei passte der jüngste amerikanische Konjunkturzyklus nicht in das traditionelle Muster. Triebkraft der konjunkturellen Entwicklung waren nicht Veränderungen auf der Nachfrage-, sondern auf der Angebotsseite. Die Anwendung neuer Informations- und Kommunikations-Technologien erhöhte das amerikanische Produktivitätswachstum und löste einen Investitionsschub aus.Die Aussichten auf reichlich sprudelnde Gewinne ließen die Aktienpreise auf schwindelnde Höhen steigen. Als jedoch im Frühjahr 2000 viele bei den Börsengängen des Vorjahrs zunächst im Besitz der Inhaber von Internetunternehmen zurückgehaltene Aktien auf den Markt geworfen wurden, platzte die Blase im Internetsektor.Dies war dann der Auslöser für eine Neubewertung des gesamten Aktienmarkts, in deren Folge die Kurse und reale Investitionen auf breiter Front einbrachen und die US-Wirtschaft in die Rezession fiel. Europa konnte den rezessiven Einflüssen aus den USA zu dieser Zeit nichts entgegensetzen, da der starke Anstieg der Öl- und Nahrungsmittelpreise die Kaufkraft der privaten Haushalte unterminierte und den Konsum schwächte. Entgegen den allgemeinen Erwartungen brachte der 11. September keine Verstärkung des Abwärtstrends, sondern eine Zwischenerholung. Massive Zinssenkungen und ein finanzpolitischer Stimulus führte zu einem sprunghaften Anstieg der heimischen Nachfrage in den USA und einer Erholung der internationalen Aktienmärkte. Europa und der Rest der Welt profitierten von dem konjunkturellen Strohfeuer in den USA durch einen Anstieg der Exporte. Die Geschäftserwartungen verbesserten sich und zogen die Konjunkturprognosen mit, die wiederum den Optimismus in den Unternehmen anheizten. Steigende Aktien- und fallende Bondpreise spielten die dazu passende Begleitmusik. Doch der Aufschwung ist im Kern nicht gesund: Von der heimischen Nachfrage in den USA (insbesondere dem privaten Konsum) angetrieben, führt er zu einer erneuten Aufblähung des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits, das angesichts zweifelhafter Renditeaussichten in den USA auf Dauer nicht mehr finanzierbar ist. Die daraus folgende Abwertung des Dollars wirkt dem ursprünglich expansiven wirtschaftspolitischen Impuls entgegen, indem sie die Kaufkraft der amerikanischen Konsumenten schwächt und die Nachfrage nach Gütern aus dem Rest der Welt dämpft. Kommt der US Konsument dann noch aus anderen Gründen unter Druck - wie jüngst durch das Auslaufen der geld- und fiskalpolitischen Impulse und den erneuten Fall der Aktienpreise - werden die rezessiven Tendenzen verstärkt. Der Zwischenerholung folgt, wenn sich das Nachlassen der amerikanischen Importnachfrage bemerkbar macht, ein neuerlicher Einbruch - zunächst in Nordamerika, danach im Rest der Welt. Sollte also das Wachstum in den USA im zweiten Quartal und weiteren Verlauf dieses Jahres deutlich nachlassen, dürfte die Abschwächung in Euroland mit der üblichen Verzögerung von sechs Monaten Anfang 2003 kommen. Der erneute Schwächeanfall, der sich jetzt in den USA abzeichnet und bald auch in Euroland zu spüren sein wird, wird wie sein Vorgänger Gegenreaktionen auslösen. Zum einen wird erneut einsetzender übertriebener Pessimismus wieder den Boden für positive Überraschungen bereiten. Zum anderen könnte die Geldpolitik vor allem in Euroland durch erneute Zinssenkungen der Konjunktur einen neuen Anschub geben. Daraus könnte eine weitere Zwischenerholung entstehen. Diese "Wellblechkonjunktur" - gekennzeichnet durch kurze Wellenbewegungen bei insgesamt schwachem Trendwachstum - dürfte sowohl in den USA als auch in Euroland so lange andauern, bis die strukturellen Probleme auf beiden Seiten des Atlantiks gelöst sind. In den USA müssen dazu die Aktienpreise auf ein fundamental vernünftiges Niveau sinken, was noch einen zweistelligen prozentualen Rückgang der Aktienindizes notwendig machen könnte, und das Leistungsbilanzdefizit muss auf ein finanzierbares Maß schrumpfen, was nur durch niedrigeren Konsum und höhere Ersparnis der privaten Haushalte zu erreichen ist. So lange dieser Anpassungsprozess anhält, wird das US-BIP schneller wachsen müssen als die heimische Nachfrage, so dass die US Wirtschaft als Lokomotive für die Weltwirtschaft ausfallen wird. In Euroland muss die heimische Nachfrage durch strukturelle Reformen gestärkt werden. Dazu müssen durch Deregulierung, niedrigere Steuern und Lohnzurückhaltung das Investitionsklima und die Beschäftigungsaussichten - und damit das Wachstum des privaten Konsums - verbessert werden. Gelingt dies, kann Euroland einen Teil des weltwirtschaftlichen Nachfrageausfalls wettmachen, der durch die erhöhte Konsumzurückhaltung in den USA entstehen wird. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis die Voraussetzungen für ein erneutes stetiges Wachstum geschaffen sein werden. Die Geschichte zeigt, dass der Abbau übertriebener Aktienbewertungen in den USA viele Jahre dauern kann. Mit einer schnellen Erholung der US-Wirtschaft und Finanzmärkte sollte man daher besser nicht rechnen. Auch ist die Geschwindigkeit, mit der in Euroland notwendige Strukturreformen in Angriff genommen werden, äußerst gering. Im günstigsten Fall könnten die in diesem Jahr neu gewählten Regierungen in Euroland die Reformen im Verlauf des nächsten Jahres auf den Weg bringen, so dass 2004 bis 2005 mit ersten Wachstumsdividenden gerechnet werden könnte. Die Anleger werden sich also noch bis auf weiteres auf hohe Schwankungen an den Finanzmärkten einstellen müssen. In diesem Umfeld empfiehlt es sich, Aktien und den Dollar in einen steigenden Markt hinein zu verkaufen, und hochwertige Euroland-Rentenpapiere an schwachen Tagen zu kaufen.