Geld und Mehr
Wall Street voran / Von Catherine Hoffmann
Das Börsenjahr 2003 hat ganz nach dem Geschmack der Optimisten begonnen. Voller Überschwang legten die Kurse an Wall Street zu - aber die Freude währte nur kurz. Am vergangenen Freitag stürzten die Aktien wieder ab. Nach drei Jahren Baisse mag kaum jemand an den nächsten Aufschwung glauben. Und kurzfristig ist er wohl auch nicht in Sicht.
Doch Anleger tun gut daran, mit dem Unerwarteten zu rechnen - wie Byron Wien, der Chefstratege von Morgan Stanley: "Ich glaube fest, daß sich Aktien 2003 besser schlagen werden." Der Experte schätzt, daß amerikanische Aktien im ersten Halbjahr 25 Prozent zulegen. Dafür gibt es ein kräftiges Argument: "Fed und Regierung feuern aus allen Rohren", stellt Johannes Reich, Chefstratege des Bankhauses Metzler, fest. "Bisher sind die Resultate jedoch eher bescheiden." Verziehen sich die schwarzen Wolken der Terror- und Kriegsängste und fällt der Ölpreis, könnten Wirtschaft und Börse aber schnell durchstarten.
Allein 2002 wurden 240 Milliarden Dollar in die Wirtschaft gepumpt; die Fiskalpolitik war so expansiv wie seit 40 Jahren nicht mehr. Und Präsident George Bush legt nach: Die 2001 geplante Steuerreform soll beschleunigt und durch ein neues Konjunkturpaket ergänzt werden. Danach wird die Steuerlast binnen zehn Jahren um 670 Milliarden Dollar sinken. Mehr als die Hälfte soll allein auf die Abschaffung der Doppelbesteuerung von Dividenden entfallen. "Wenn die Steuerpläne den Kongreß ohne Abstriche passieren, werden die Aktienkurse in ein oder zwei Jahren leicht um 30 Prozent steigen, und die Wirtschaft wird auf die Beine kommen", jubeln Andrew Coors und Arthur Laffer, der ehemalige Berater der Reagan-Regierung. Ein Krieg könnte den Effekt noch verschärfen. Derzeit werden dafür von der Regierung lediglich 50 bis 60 Milliarden Dollar eingeplant. Experten rechnen mit 200 Milliarden Dollar zusätzlicher konsumtiver Ausgaben.
Auch die Fed schöpft aus dem vollen. Seit Anfang 2001 hat Alan Greenspan die Leitzinsen um 525 Basispunkte gesenkt. Der Realzins ist inzwischen negativ. Bislang hat die spektakuläre Politik zwar wenig Wirkung gezeigt, und viele Anleger sind frustriert. Das muß aber nicht so bleiben. "Unserer Meinung nach ist 2003 das Jahr, in dem sich die ungewöhnlich lockere Geldpolitik in einem schnelleren Wachstum manifestiert", prognostizieren die Analysten von Brown Brothers Harriman. Der schwächere Dollar hilft dabei.
Noch quält sich die Wirtschaft zwischen Baum und Borke. Doch erste Zahlen signalisieren, daß das Wachstum anziehen könnte. So sprang der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe auf 55 Punkte. Hält er sich über 50, spricht das für eine stärkere Wirtschaft. Zugleich leeren sich die Läger. Maschinen und Büroausstattung altern, mitunter wird mehr abgeschrieben als investiert. Das schafft Spielraum für Investitionen - und die sind für eine Erholung entscheidend. Morgan Stanley schätzt, daß die amerikanische Wirtschaft in diesem Jahr unverhofft stark wachsen wird - um real vier Prozent.
"Verbessern sich Investitionen, Konsum und Gewinnerwartungen, würde das in eine starke Rally münden", sagt Reich. Denn Aktien sind im Vergleich zu Renten deutlich unterbewertet. Ein solcher Aufschwung kann auch mal sechs Monate dauern. Selbst während der Großen Depression und in Japan konnten aktive Anleger nach dem Platzen der Blase zwischendurch 50 Prozent und mehr verdienen. "In solchen Bärenmarktrallies ist es das Vernünftigste, wie ein Trader rein- und rauszugehen", empfiehlt Bernhard Tschanz, der das Investmentresearch der CSFB leitet. Die Strategie des Profis: "Raus aus defensiven Marktsegmenten wie Versorgern, Nahrung oder Tabak, rein in zyklische Aktien." Technologie-, Halbleiter-, Software- und Telekomwerte, die in der Baisse stark verloren haben, dürften das größte Aufwärtspotential besitzen. Besonders gefragt wären Unternehmen, die tief verschuldet sind. Sie dürften sowohl von einem kräftigeren Wachstum als auch von einer höheren Inflation profitieren, die die Schulden abschmilzt.
Auch die klassischen Zykliker der alten Wirtschaft wie der Maschinenbau sollten zulegen, wenn auch mit Verzögerung. Für Finanztitel gälte: Regional- und Geschäftsbanken durch Investmentbanken ersetzen und Rückversicherer durch Lebensversicherer. Rohstoffwerte könnten ebenfalls gewinnen. Denn im Aufschwung wächst die Nachfrage nach Kupfer, Aluminium und anderen Metallen. In jedem Fall sollten Anleger amerikanische Aktien gegen das Risiko eines Dollarsturzes absichern.
Eindeutig ist auch die Handlungsanweisung für Besitzer von Anleihen: "Gelingt die Politik der Reflation, verabschieden sich Anleger besser von Renten", sagt Tschanz. Ein Budgetdefizit von 300 Milliarden Dollar, ein Zahlungsbilanzdefizit von 600 Milliarden Dollar und wachsende Inflation vor Augen, dürften die Anleger höhere Renditen fordern. Staatsanleihen erlitten empfindliche Kursverluste. Langfristig würden die höheren Renditen für Staatsanleihen alledings die Attraktivität von Aktien schmälern. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Angesichts des verbreiteten Pessimismus ist klar: In diesem Jahr könnten Aktionäre zur Abwechslung einmal angenehm überrascht werden. Anleger sollten zumindest mit dem Gedanken spielen, statt nur auf die nächste Konjunkturzahl und das jüngste Quartalsergebnis zu starren. Denn die größten Gewinne an der Börse haben schon immer jene gemacht, die eine abweichende Meinung vertraten - und damit richtig lagen.
Wall Street voran / Von Catherine Hoffmann
Das Börsenjahr 2003 hat ganz nach dem Geschmack der Optimisten begonnen. Voller Überschwang legten die Kurse an Wall Street zu - aber die Freude währte nur kurz. Am vergangenen Freitag stürzten die Aktien wieder ab. Nach drei Jahren Baisse mag kaum jemand an den nächsten Aufschwung glauben. Und kurzfristig ist er wohl auch nicht in Sicht.
Doch Anleger tun gut daran, mit dem Unerwarteten zu rechnen - wie Byron Wien, der Chefstratege von Morgan Stanley: "Ich glaube fest, daß sich Aktien 2003 besser schlagen werden." Der Experte schätzt, daß amerikanische Aktien im ersten Halbjahr 25 Prozent zulegen. Dafür gibt es ein kräftiges Argument: "Fed und Regierung feuern aus allen Rohren", stellt Johannes Reich, Chefstratege des Bankhauses Metzler, fest. "Bisher sind die Resultate jedoch eher bescheiden." Verziehen sich die schwarzen Wolken der Terror- und Kriegsängste und fällt der Ölpreis, könnten Wirtschaft und Börse aber schnell durchstarten.
Allein 2002 wurden 240 Milliarden Dollar in die Wirtschaft gepumpt; die Fiskalpolitik war so expansiv wie seit 40 Jahren nicht mehr. Und Präsident George Bush legt nach: Die 2001 geplante Steuerreform soll beschleunigt und durch ein neues Konjunkturpaket ergänzt werden. Danach wird die Steuerlast binnen zehn Jahren um 670 Milliarden Dollar sinken. Mehr als die Hälfte soll allein auf die Abschaffung der Doppelbesteuerung von Dividenden entfallen. "Wenn die Steuerpläne den Kongreß ohne Abstriche passieren, werden die Aktienkurse in ein oder zwei Jahren leicht um 30 Prozent steigen, und die Wirtschaft wird auf die Beine kommen", jubeln Andrew Coors und Arthur Laffer, der ehemalige Berater der Reagan-Regierung. Ein Krieg könnte den Effekt noch verschärfen. Derzeit werden dafür von der Regierung lediglich 50 bis 60 Milliarden Dollar eingeplant. Experten rechnen mit 200 Milliarden Dollar zusätzlicher konsumtiver Ausgaben.
Auch die Fed schöpft aus dem vollen. Seit Anfang 2001 hat Alan Greenspan die Leitzinsen um 525 Basispunkte gesenkt. Der Realzins ist inzwischen negativ. Bislang hat die spektakuläre Politik zwar wenig Wirkung gezeigt, und viele Anleger sind frustriert. Das muß aber nicht so bleiben. "Unserer Meinung nach ist 2003 das Jahr, in dem sich die ungewöhnlich lockere Geldpolitik in einem schnelleren Wachstum manifestiert", prognostizieren die Analysten von Brown Brothers Harriman. Der schwächere Dollar hilft dabei.
Noch quält sich die Wirtschaft zwischen Baum und Borke. Doch erste Zahlen signalisieren, daß das Wachstum anziehen könnte. So sprang der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe auf 55 Punkte. Hält er sich über 50, spricht das für eine stärkere Wirtschaft. Zugleich leeren sich die Läger. Maschinen und Büroausstattung altern, mitunter wird mehr abgeschrieben als investiert. Das schafft Spielraum für Investitionen - und die sind für eine Erholung entscheidend. Morgan Stanley schätzt, daß die amerikanische Wirtschaft in diesem Jahr unverhofft stark wachsen wird - um real vier Prozent.
"Verbessern sich Investitionen, Konsum und Gewinnerwartungen, würde das in eine starke Rally münden", sagt Reich. Denn Aktien sind im Vergleich zu Renten deutlich unterbewertet. Ein solcher Aufschwung kann auch mal sechs Monate dauern. Selbst während der Großen Depression und in Japan konnten aktive Anleger nach dem Platzen der Blase zwischendurch 50 Prozent und mehr verdienen. "In solchen Bärenmarktrallies ist es das Vernünftigste, wie ein Trader rein- und rauszugehen", empfiehlt Bernhard Tschanz, der das Investmentresearch der CSFB leitet. Die Strategie des Profis: "Raus aus defensiven Marktsegmenten wie Versorgern, Nahrung oder Tabak, rein in zyklische Aktien." Technologie-, Halbleiter-, Software- und Telekomwerte, die in der Baisse stark verloren haben, dürften das größte Aufwärtspotential besitzen. Besonders gefragt wären Unternehmen, die tief verschuldet sind. Sie dürften sowohl von einem kräftigeren Wachstum als auch von einer höheren Inflation profitieren, die die Schulden abschmilzt.
Auch die klassischen Zykliker der alten Wirtschaft wie der Maschinenbau sollten zulegen, wenn auch mit Verzögerung. Für Finanztitel gälte: Regional- und Geschäftsbanken durch Investmentbanken ersetzen und Rückversicherer durch Lebensversicherer. Rohstoffwerte könnten ebenfalls gewinnen. Denn im Aufschwung wächst die Nachfrage nach Kupfer, Aluminium und anderen Metallen. In jedem Fall sollten Anleger amerikanische Aktien gegen das Risiko eines Dollarsturzes absichern.
Eindeutig ist auch die Handlungsanweisung für Besitzer von Anleihen: "Gelingt die Politik der Reflation, verabschieden sich Anleger besser von Renten", sagt Tschanz. Ein Budgetdefizit von 300 Milliarden Dollar, ein Zahlungsbilanzdefizit von 600 Milliarden Dollar und wachsende Inflation vor Augen, dürften die Anleger höhere Renditen fordern. Staatsanleihen erlitten empfindliche Kursverluste. Langfristig würden die höheren Renditen für Staatsanleihen alledings die Attraktivität von Aktien schmälern. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Angesichts des verbreiteten Pessimismus ist klar: In diesem Jahr könnten Aktionäre zur Abwechslung einmal angenehm überrascht werden. Anleger sollten zumindest mit dem Gedanken spielen, statt nur auf die nächste Konjunkturzahl und das jüngste Quartalsergebnis zu starren. Denn die größten Gewinne an der Börse haben schon immer jene gemacht, die eine abweichende Meinung vertraten - und damit richtig lagen.