Währungsexperte DeRosa zum Euro
"Ich glaube nicht an die Parität"
Kann der Euro gegenüber dem Dollar mittelfristig an Boden gewinnen? Droht den Weltmärkten Gefahr durch das marode japanische Finanzsystem? SPIEGEL ONLINE sprach mit dem amerikanischen Devisenspezialisten David DeRosa über die Entwicklung von Dollar, Euro und Yen.
SPIEGEL ONLINE: Herr DeRosa, was sind die Gründe für den jüngsten Verfall des Dollars?
David DeRosa: Der wichtigste Grund ist, dass die Märkte ihre Erwartungen bezüglich der Erholung der US-Wirtschaft nach unten korrigiert haben. Es ist jedoch nicht zu massiven Dollarverkäufen wegen des Leistungsbilanzdefizits gekommen.
SPIEGEL ONLINE: Ist denn die Tatsache, dass das US-Leistungsbilanzdefizit den höchsten Stand aller Zeiten erreicht hat, ein Grund zur Beunruhigung?
David DeRosa
David DeRosa ist außerordentlicher Professor für Finanzen an der Yale School of Management. Vor seiner akademischen Karriere arbeitete er als Devisenhändler für die Swiss Bank Corporation. DeRosa ist Autor mehrerer Bücher und schreibt dreimal wöchentlich eine Devisen-Kolumne für die Nachrichtenagentur Bloomberg.
DeRosa: Nicht wirklich. Was der amerikanische Finanzminister Paul O'Neill kürzlich gesagt hat, stimmt: Amerikas Leistungsbilanzdefizit ist ein Sonderfall, denn der Dollar ist die wichtigste Reservewährung der Welt, und die Leute investieren gerne in den Vereinigten Staaten. Folglich lässt sich das Defizit halten. Man kann die USA in diesen Fall nicht mit einem Entwicklungsland vergleichen.
SPIEGEL ONLINE: Einige amerikanische Politiker, darunter Paul Sarbanes, der Vorsitzende des Bankausschusses des Senats, sind dennoch besorgt wegen des Defizits und schlagen vor, die Regierung solle durch eine konzertierte Aktion den Wert des Dollars nach unten drücken.
DeRosa: Ja, Senator Sarbanes ist das derzeitige Leistungsdefizit-Groupie. Die Administration tut jedoch gut daran, den Greenback nicht zu manipulieren. Man sollte dem Dollar die Möglichkeit lassen, sich als Währung auf dem freien Markt zu behaupten.
SPIEGEL ONLINE: Erwarten sie, dass der Dollar noch weiter fällt?
DeRosa: Ich weiß nicht, ob man den Dollar bereits aufgeben sollte. Am Dienstag hat er sich kräftig nach oben bewegt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Anpassung nicht bereits vorüber ist.
SPIEGEL ONLINE: Einige europäische Volkswirte sagen zum Ende des Jahres eine Euro-Dollar-Parität voraus. Haben die Devisenmärkte ihre Einstellung gegenüber dem Euro geändert?
DeRosa: Nein, bewegt hat sich nur der Dollar relativ zum Euro. Jedes Mal, wenn der Euro die 90 Cent durchbricht, werden die Leute ganz aufgeregt und sagen "Oh, jetzt wird der Euro endlich neu bewertet". Das haben wir schon viele Male gesehen. Ich glaube nicht, dass es zu dieser prognostizierten Parität kommen wird.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Japan?
Vertrauen in die Märkte
DeRosa, David F.; "In Defense of Free Capital Markets: The Case Against a New International Financial Architecture"; Bloomberg Press 2001, 288 Seiten, 29,95 Dollar.
Das Buch bietet einen guten Überblick über den Devisenmarkt in den neunziger Jahren. Markt-Apologet DeRosa argumentiert, dass die meisten Währungskrisen nicht durch zu wenig, sondern durch zu viel staatliche Regulierung verursacht worden sind.
DeRosa: Was den Yen angeht, bin ich sehr pessimistisch. Japans Politiker haben es in den vergangenen zehn Jahren nicht geschafft, wichtige Reformen einzuleiten. Dem Yen könnte es übel ergehen, möglicherweise wird er richtig Dresche beziehen und dann gegenüber dem Dollar bei 140 gehandelt werden. Oder noch höher.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Japans Verschuldung?
DeRosa: Die Rate, mit der die Schulden wachsen, ist alarmierend. Und es sieht nicht so aus, als ob irgendeine Lösung in Sicht wäre. Selbst wenn die Regierung aufhörte, Anleihen auszugeben, würden die Schulden wegen der Deflation weiter steigen. Derzeit machen Japans Politiker ihrer Wut auf die Ratingagenturen Luft, die haben das Land wieder auf ihre Beobachtungslisten gesetzt. Wenn Japan noch mal herabgestuft wird, befindet es sich in der gleichen Kategorie wie Botswana - oder sogar darunter.
SPIEGEL ONLINE: Wo werden die wichtigsten Währungen in sechs Monaten stehen?
DeRosa: Vermutlich wird der Dollar gegenüber dem Yen weitaus höher liegen, bis 140. Der Euro dürfte sich in einem Korridor zwischen 88 und 90 Cents bewegen. Europa bewegt sich im Schatten des US-Wachstums. Wenn die volkswirtschaftlichen Zahlen aus den USA so sind wie erwartet, werden wir zwischen Euro und Dollar nicht viel Bewegung sehen. Nur wenn sich das Bild in den USA deutlich eintrübt, wird der Euro sich nach oben bewegen. Aber wie heißt es so schön: Nimm keine Hypothek auf und spiel dann am Devisenmarkt!
Das Interview führte Thomas Hillenbrand
"Ich glaube nicht an die Parität"
Kann der Euro gegenüber dem Dollar mittelfristig an Boden gewinnen? Droht den Weltmärkten Gefahr durch das marode japanische Finanzsystem? SPIEGEL ONLINE sprach mit dem amerikanischen Devisenspezialisten David DeRosa über die Entwicklung von Dollar, Euro und Yen.
SPIEGEL ONLINE: Herr DeRosa, was sind die Gründe für den jüngsten Verfall des Dollars?
David DeRosa: Der wichtigste Grund ist, dass die Märkte ihre Erwartungen bezüglich der Erholung der US-Wirtschaft nach unten korrigiert haben. Es ist jedoch nicht zu massiven Dollarverkäufen wegen des Leistungsbilanzdefizits gekommen.
SPIEGEL ONLINE: Ist denn die Tatsache, dass das US-Leistungsbilanzdefizit den höchsten Stand aller Zeiten erreicht hat, ein Grund zur Beunruhigung?
David DeRosa
David DeRosa ist außerordentlicher Professor für Finanzen an der Yale School of Management. Vor seiner akademischen Karriere arbeitete er als Devisenhändler für die Swiss Bank Corporation. DeRosa ist Autor mehrerer Bücher und schreibt dreimal wöchentlich eine Devisen-Kolumne für die Nachrichtenagentur Bloomberg.
DeRosa: Nicht wirklich. Was der amerikanische Finanzminister Paul O'Neill kürzlich gesagt hat, stimmt: Amerikas Leistungsbilanzdefizit ist ein Sonderfall, denn der Dollar ist die wichtigste Reservewährung der Welt, und die Leute investieren gerne in den Vereinigten Staaten. Folglich lässt sich das Defizit halten. Man kann die USA in diesen Fall nicht mit einem Entwicklungsland vergleichen.
SPIEGEL ONLINE: Einige amerikanische Politiker, darunter Paul Sarbanes, der Vorsitzende des Bankausschusses des Senats, sind dennoch besorgt wegen des Defizits und schlagen vor, die Regierung solle durch eine konzertierte Aktion den Wert des Dollars nach unten drücken.
DeRosa: Ja, Senator Sarbanes ist das derzeitige Leistungsdefizit-Groupie. Die Administration tut jedoch gut daran, den Greenback nicht zu manipulieren. Man sollte dem Dollar die Möglichkeit lassen, sich als Währung auf dem freien Markt zu behaupten.
SPIEGEL ONLINE: Erwarten sie, dass der Dollar noch weiter fällt?
DeRosa: Ich weiß nicht, ob man den Dollar bereits aufgeben sollte. Am Dienstag hat er sich kräftig nach oben bewegt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Anpassung nicht bereits vorüber ist.
SPIEGEL ONLINE: Einige europäische Volkswirte sagen zum Ende des Jahres eine Euro-Dollar-Parität voraus. Haben die Devisenmärkte ihre Einstellung gegenüber dem Euro geändert?
DeRosa: Nein, bewegt hat sich nur der Dollar relativ zum Euro. Jedes Mal, wenn der Euro die 90 Cent durchbricht, werden die Leute ganz aufgeregt und sagen "Oh, jetzt wird der Euro endlich neu bewertet". Das haben wir schon viele Male gesehen. Ich glaube nicht, dass es zu dieser prognostizierten Parität kommen wird.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Japan?
Vertrauen in die Märkte
DeRosa, David F.; "In Defense of Free Capital Markets: The Case Against a New International Financial Architecture"; Bloomberg Press 2001, 288 Seiten, 29,95 Dollar.
Das Buch bietet einen guten Überblick über den Devisenmarkt in den neunziger Jahren. Markt-Apologet DeRosa argumentiert, dass die meisten Währungskrisen nicht durch zu wenig, sondern durch zu viel staatliche Regulierung verursacht worden sind.
DeRosa: Was den Yen angeht, bin ich sehr pessimistisch. Japans Politiker haben es in den vergangenen zehn Jahren nicht geschafft, wichtige Reformen einzuleiten. Dem Yen könnte es übel ergehen, möglicherweise wird er richtig Dresche beziehen und dann gegenüber dem Dollar bei 140 gehandelt werden. Oder noch höher.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Japans Verschuldung?
DeRosa: Die Rate, mit der die Schulden wachsen, ist alarmierend. Und es sieht nicht so aus, als ob irgendeine Lösung in Sicht wäre. Selbst wenn die Regierung aufhörte, Anleihen auszugeben, würden die Schulden wegen der Deflation weiter steigen. Derzeit machen Japans Politiker ihrer Wut auf die Ratingagenturen Luft, die haben das Land wieder auf ihre Beobachtungslisten gesetzt. Wenn Japan noch mal herabgestuft wird, befindet es sich in der gleichen Kategorie wie Botswana - oder sogar darunter.
SPIEGEL ONLINE: Wo werden die wichtigsten Währungen in sechs Monaten stehen?
DeRosa: Vermutlich wird der Dollar gegenüber dem Yen weitaus höher liegen, bis 140. Der Euro dürfte sich in einem Korridor zwischen 88 und 90 Cents bewegen. Europa bewegt sich im Schatten des US-Wachstums. Wenn die volkswirtschaftlichen Zahlen aus den USA so sind wie erwartet, werden wir zwischen Euro und Dollar nicht viel Bewegung sehen. Nur wenn sich das Bild in den USA deutlich eintrübt, wird der Euro sich nach oben bewegen. Aber wie heißt es so schön: Nimm keine Hypothek auf und spiel dann am Devisenmarkt!
Das Interview führte Thomas Hillenbrand